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STORM AFTER THE CALM WINTER EDITION 2006

Ort: Herzebrock-Clarholz - Musikkneipe Muck

Datum: 08.12.2006

„Storm“ – das traf es an diesem Freitag Abend allerdings. Nicht nur, dass so das Festival in der Musikkneipe Muck betitelt war, auch draußen tobten die Himmelstöchter ganz gewaltig. Vielleicht war das ungemütliche Wetter auch der Grund für das eher geringe Interesse an den sechs Bands, die in Clarholz aufspielen wollten. Dabei hätte es doch an einem 8. Dezember mit Eis und Schnee auch viel schlimmer kommen können. Möglicherweise kollidierten die Veranstalter aber auch mit den vielen Weihnachtsfeiern in Betrieben, Vereinen und Verbänden.

Schade war’s allemal, dass die Opener THE SUDDENLY CREATED vor gerade mal zwei Dutzend Anwesenden pünktlich um 20.00 Uhr starten mussten. Die fünf Jungspunde als Oelde haben sich nach dem gemeinsamen Besuch eines Bandworkshops entschlossen, eine eigene Kapelle zu gründen und bretterten gleich ordentlich los auf der kleinen Bühne, die links vom Eingangsbereich des Mucks aufgebaut worden war. Im Hintergrund war zudem eine Leinwand postiert, die allerdings durch die Enge auf der Stage nicht zur Geltung kam. Immerhin konnte man zwischendurch mal einen Blick auf wogende Baumwipfel erhaschen, ein Bild, das sich auch draußen geboten hätte, wäre es nicht der Uhrzeit entsprechend dunkel gewesen. Einige interessante Effekte entstanden jedoch auch dadurch, dass die Körper der Musiker zur Projektionsfläche wurden und so plötzlich wie aus dem Nichts Wörter auf den T-Shirts zu lesen waren. Ansonsten rockte das Quintett sehr engagiert und auch von Lampenfieber war nur wenig zu spüren. Und so wurden nach 20 Minuten Spielzeit sogar Zugaberufe im Publikum laut (die allerdings wohl in erster Linie von den eigenen Muttis stammten). In jedem Fall wurden die Zugabewünsche mit zwei Covern erfüllt. Während „Song 2“ von BLUR auch noch ganz passabel rüberkam, offenbarte „Schrei nach Liebe“ von den ÄRZTEn, dass THE SUDDENLY CREATED noch einige Stunden im Proberaum benötigen.

Weiter ging’s im hinteren Teil der Lokalität. Schien sich um eine Art Anbau zu handelt, wo sich die zweite, größere und lichttechnisch besser ausgestattete Bühne befand. Glücklicherweise war der recht große Raum mit einem Gasbrenner beheizt, sonst hätte es trotz des folgenden heißen Gigs empfindlich kalt werden können. Die SUNDEALERS waren aus Wuppertal angereist und überzeugten erneut auf ganzer Front. Als ich die Herrschaften um 20.30 Uhr in ungewohnt ziviler Kleidung auf der Bühne stehen sah und sie begannen, „Sweat“ von ihrer aktuellen VÖ „Tears Love Religion“ zu spielen, war ich doch ein wenig verwundert, da sie erstens eine viertel Stunde zu früh dran waren und zweitens eigentlich in schwarzen Anzügen auftreten. Wie sich herausstellte, handelte es sich lediglich um den Soundcheck, kurz vor 21.00 Uhr kam der Fünfer geschniegelt auf die Stage zurück und legte los. Zu Beginn tat Sänger Tom Berger kund, er habe in den Nachrichten gehört, Bush sei abgesägt worden. Schöne Vorstellung, aber leider nur der Einstieg für „Bomb“, das sich kritisch mit dem Irak-Krieg auseinander setzte. Unterstützt wurde die geniale Musik durch eine perfekte Videoshow. Das ostwestfälische Publikum blieb zwar noch auf Distanz, aber erste Regungen waren angesichts der druckvollen Darbietung schon zu erkennen. Und so ging es mit „Sweat“ auch sound- und videotechnisch raketenartig weiter. Langsam traute man sich vereinzelt auch zu tanzen. Ein sehr gemischtes Publikum übrigens: Anders als bei vielen anderen Low-Budget-Festivals nur wenige Teenies und mehr gestandene Endzwanziger bis Enddreißiger. Aber zurück zum Bühnengeschehen: Hier gab es weiterhin eine absolut professionelle Show zu bestaunen und dank ihrem vorzüglichen Mix aus derbem Rock mit elektronischen Einschüben sind die SUNDEALERS kein Plagiat von irgendwas, sondern eine Klasse für sich. Entsprechend überzeugend waren auch die nachfolgenden Songs „Gun Crazy“ mit einem Video, das das Kennedy-Attentat thematisierte. „Sleeping Desire“ war ein wenig orientalisch angehaucht, „Desperate“ brachte auf der Bühne erstmals ein Megaphon zum Einsatz, welches sich auch im stilisierten „Cowboy“-Video wieder fand. Mit dem basslastigen „Sunshine And Rain“ ging es etwas langsamer, jedoch keineswegs ruhiger zur Sache, bevor zu „Swear“ auf der Leinwand eine Feuersbrunst ausbrach und bei „Down Again“ abermals die Flüstertüte Gebrauch fand. An die anfänglichen Störgeräusche auf „Deliver Me“ sollte ich mich nach dem häufigem Hören der Scheibe eigentlich gewöhnt haben, aber im ersten Moment dachte ich auch live an einen Boxenschaden, konnte dann aber entspannt den leicht psychedelischen Tönen und Bildern folgen. Abschluss des regulären Sets war „Zuperstar“, gewidmet all den selbsternannten und gecasteten Superstars in der deutschen Medienlandschaft. Ohne eine Zugabe ließ man die SUNDEALERS in Clarholz jedoch verständlicherweise nicht gehen und so erfreuten die Wuppertaler ihr Publikum noch mit „Steam“ und machten fürs Band-Fotoalbum noch ein Bild von ihren Zuschauern und wurden für ihren grandiosen, knapp einstündigen Gig noch mit einem Kurzen belohnt. Mein Highlight des Abends!

Zurück ging’s in die Kneipe, wo die DECEMBER PEALS als nächstes auf dem Zettel standen. Nach einer kurzen Verschnaufpause enterten die Ibbenbürener, die im Frühjahr NEW MODEL ARMY supportet haben, die Stage und gingen gleich in die Vollen. 1999 als Emocore-Band gestartet, haben die Burschen ihren Stil im Laufe der Jahre mehr Richtung Pop-Punk-Rock verändert. Live sind sie auf jeden Fall ein Garant für ordentliche Unterhaltung und Sänger Andi hat nun wirklich alles versucht, um die zurückhaltenden Westfalen zum Näher treten und Tanzen zu motivieren. Den ein oder anderen konnte er auch überzeugen, vielleicht lag’s auch am angekündigten Test, der nach dem gut halbstündigen Konzert geschrieben werden sollte. Die dargebotenen Songs von der EP „First In Flight“ und dem Full Length-Album „Le Café Royal“ machtenauf jeden Fall Spaß und überzeugten mit flotten Gitarrenriffs und groovenden Sounds.

Erneuter Stellungs- und Stilwechsel! ABANDON HOPE sind das Aushängeschild in Sachen Alternative/ Metalcore im Kreis Warendorf und schienen auch eine kleine Fanbase mitgebracht zu haben, denn als die erste Vierer-Formation des Abends um 22.45 Uhr mit heftigem Geknüppel loslegte, fanden sich gleich einige Headbanger vor der Bühne ein. Die ersten drei Songs stammten von der CD „The Endless Ride“, die im Sommer erschienen ist, und überzeugten mit kraftvollen, sehr tighten Rhythmen, einer sehr präsenten Gitarre und der prägnanten Stimme von Sänger Hommel. Weiter ging’s mit „Scylla & Charibdis“ vom Promo-4-Track „Existance“, das von Teilen des Publikums sogar mitgesungen wurde. Ein gelungenes Cover folgte mit „Locomotive Breath“. Im Original von JETHRO TULL nicht ohne die Querflöte von Ian Anderson denkbar, bewiesen ABANDON HOPE, dass es sehr wohl ohne geht, auch wenn die ohrenbetäubende Lautstärke nicht wirklich hätte sein müssen. „World of Hurt“, das ebenfalls von der aktuellen VÖ stammt, kam etwas gemächlicher und melodiöser daher, bevor es mit einem brandneuen Track nach mal heftigen Power- und Thrash-Metal zu hören gab. Ein letzter Tribute-Song wurde noch für einem Musikerkollegen, der „Lost But Not Forgotten“ ist, gespielt leider konnte ich den Namen des Herren nicht verstehen. Nach etwa einer dreiviertel Stunde sollte es das gewesen sein, doch auch hier wurden Zugaberufe laut. Außerdem forderte man wie auch schon während des Gigs ein Schlagzeugsolo. Scheint was Besonderes zu sein, der Wunsch ging allerdings nicht in Erfüllung, stattdessen wurde noch gemeinschaftlich ein Stück zum Besten gegeben, was die Crowd noch mal zum Abtanzen und Bangen nutzte.

Erneut waren auf der Kneipenstage mit BATTLE OF RENEGADES fünf Kerle am Start. Überhaupt war die Damenwelt sowohl auf als auch vor den Bühnen absolute Mangelware. Vielleicht hätten die Herren lieber unter sich bleiben wollen? Ich denke, BATTLE OF RENEGADES hätten sich über die ein oder andere weibliche Zuschauerin schon gefreut, so mussten sie sich mit einem überwiegend männlichen Publikum zufrieden geben. Vielleicht lag daher auch zu viel Testosteron in der Luft, so dass der Sänger gleich beim ersten Stück vor lauter Manneskraft sein Mikro geschrottet hat. Auch die Jungs aus Rheda-Wiedenbrück bauten auf Hintergrundvideos, die in ihrem Falle in psychedelischen Regenbogenfarben daherkamen. Einen genauso interessanten Anblick bot der Bassist, der mit einer seltsamen Norweger-Strickmütze und Sonnenbrille angetan war. Während er auf den Ohren seine Mütze hatte, bekamen die Zuschauer auf selbige groovenden Hard Funkrock mit einer Prise Indie. Trotz der vorgerückten Stunde verausgabten BATTLE OF RENEGADES sich zwischen düsteren Paukenschlägen, schrägen Gitarrenriffs und dreckigem Gesang völlig, vergaßen aber natürlich auch nicht – wie die anderen Akteure (sofern vorhanden), ein wenig Werbung für ihre CD zu machen.

Eine gute halbe Stunde später waren die Zeiger auf 00.15 Uhr vorgerückt und als letzte Band standen noch TRANSMITTER aus. Ein Blick auf die zweite Bühne zeigte, dass die Hannoveraner noch mit dem Soundcheck beschäftigt waren und so entschieden wir uns ob der späten Stunde und der etwa einstündigen Rückfahrt (für unseren Fotografen sollte die Fahrt sogar noch ein Stündchen länger dauern) schweren Herzens für einen geordneten Rückzug. Gern hätten wir uns die TRANSMITTER-Melange aus Independent, HipHop, Funk, Dub, Electronica und TripHop noch angesehen, waren sie doch schon beim diesjährigen „Krach am Bach“ positiv aufgefallen. Beim nächsten Mal! Vielleicht finden dann ja auch ein paar mehr Leute als die etwa 50 Anwesenden den Weg ins Muck.

Copyright Fotos: Nicolai Meyer

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