Ort: Osnabrück - Halle Gartlage
Datum: 26.12.2006
Nach einem langen Wochenende stand am 2. Weihnachtsfeiertag des Jahres 2006 nicht die heilige, sondern die Eisheilige Nacht in der Osnabrücker Gartlage an. Vier allzu bekannte Bandnamen waren auf den Plakaten zu sehen, die dieses Ereignis schon seit einiger Zeit ankündigten, und das hatte dazu geführt, dass selbiges relativ schnell ausverkauft war (gut 2000 Besucher). Schon am Nachmittag hatten die Besucher die Gelegenheit, sich auf einem Mittelaltermarkt in der großen Halle zu tummeln und sich mit diversen Gegenständen oder reichlich Essen plus Met einzudecken. Aber auch musikalisch konnte man sich schon einstimmen, denn die Osnabrücker Mittelalterformation OBSCURATIS spielte auf dem Markt auf einer dort platzierten Bühne. Die Jungs und Mädels hatte ich das letzte Mal im Movie in Bielefeld gesehen, und ich muss sagen, dass sie sich sehr gemacht haben. Das Repertoire an Liedern wurde vergrößert, es sind neue Instrumente hinzugekommen (zum Beispiel eine Geige, die leider bei 3 Dudelsäcken plus Trommel manchmal noch zu sehr untergeht) ebenso wie an einigen Stellen Gesang. Anscheinend fühlte sich nicht nur ein Großteil der Anwesenden von OBSCURATIS angesprochen, sondern auch die Mannen von SALTATIO MORTIS: Gegen 16.30 Uhr standen diese auf einmal bei ihren Kollegen auf der Bühne und spielten mit den Musikern drei Stücke, unter anderem „Herr Mannelig“. Die Überraschung war auf Seiten des Publikums wohl ebenso groß wie auf Seiten der OBSCURATen, die von diesem Einsatz vorher anscheinend nichts wussten – doch hatten alle drei Seiten sichtbar Spaß an dem spontanen, gemeinsamen Auftritt.
Gegen 18.15 Uhr wurde dann der Eintritt zur Konzerthalle freigegeben, und die schon vorher wartenden Leute strömten sogleich hinein. Zu Anfang war das auch noch in Ordnung, doch als um 18.50 Uhr KRYPTERIA als erste Band 10 Minuten zu früh die Bühne betrat, zeigte sich, was man vorher schon vermutete: Es waren eindeutig zu viele Konzertkarten verkauft worden. Obwohl die Ränge rechts und links von der Bühne sowohl auf den Sitzplätzen als auch in den Gängen belegt waren und der Innenraum vor der Bühne mehr als gut gefüllt war, drängten immer mehr Leute hinein und auch in der Halle mit dem Mittelaltermarkt hielten sich weitere 200 – 300 Personen auf. Zu diesem Zeitpunkt dachte man noch darüber nach, wie das wohl später, vor allem bei SUBWAY TO SALLY, werden sollte… doch wenden wir uns zunächst dem Opener zu: KRYPTERIA. Die doch eher wenig mittelalterliche Band (wenn man sie jetzt mal mit der Ausrichtung der auf sie folgenden Gruppen vergleicht) legte gleich mit einem sehr intensiven Song los und machte ordentlich Tempo, um das Auditorium sowohl einzustimmen als auch anzuheizen. Dies war durchaus notwendig, wenn man sich die bis dahin eher niedrigen Temperaturen in Konzert- und Markthalle in Erinnerung ruft. Sängerin Ji-In, als einzige in auffälliges Rot gekleidet, könnte nicht nur durch optische Details, sondern auch durch ihre Stimme bezaubern: Nicht wie andere eher rockröhren- oder opernmäßigen Damen, sondern glasklar und sehr hell, zwischen melancholisch und energisch, schlug sie zu jedem Stück die richtigen Töne an. Allerdings war die Mischung von Sound und Gesang doch eher mau: Leider war die Musik für die Gesangseinstellungen zu laut, und so wurde einiges, was auf KRYPTERIAs CDs wesentlich besser herauskommt, ziemlich niedergespielt. Die Bühnenshow hingegen ließ eigentlich keine Wünsche offen: Gitarrist und Bassist lieferten nicht nur erstklassige Action an den Instrumenten ab, sondern gaben auch stimmlich als Backgroundgesang dem ein oder anderen Stück eine besondere Facette. Und Ji-In kann sich – wenn man sie mal mit einer musikalisch verwandten, holländischen Band vergleicht, nicht nur stimmlich sondern auch rhythmisch und tänzerisch mehr als sehen lassen. Leider störte die durchweg nicht ausgewogene Abmischung die kompletten 40 Minuten über, ansonsten hätte man sich mit KRYPTERIA noch optimaler auf die folgenden Formationen einstimmen können.
Nach der Umbaupause Weiter ging es dann mit der ersten doch sehr mittelalterlichen Formation weiter im Programm: SCHELMISH. Als Band, die nicht nur Musik, sondern auch Gaukelei und Narretei verspricht, und dafür bekannt ist, ziemlich wilde Shows zu veranstalten, starteten die Jungs plus Mädel mit einer typischen Begrüßung in ihren Konzertteil: Nach der Aussage, dass es eine große Ehre sei, mit SUBWAY TO SALLY spielen zu dürfen, gaben sie bekannt, dass SALTATIO MORTIS ja alte Bekannte von ihnen seien – man würden sich schon 1000 Jahre kennen. Darauf folgte eine nette Geschichte, in der Alea der Bescheidene wieder mal jemanden schwängert (was wir ihm wohl alle durchaus zutrauen) und die Erklärung dafür, warum die Jungs von „SCHELMISH fetter sind als die SAMOs“. Die gab es dann, und mit dem Instrumentalstück „Pantoletta“ führten SCHELMISH ihr wildes Programm weiter. Dabei fällt irgendwie – wie bei jedem Auftritt von SCHELMISH – wenig auf, dass auch E-Gitarren im Einsatz sind: Durch den schnellen Wechsel zwischen Instrumenten und Einlagen wie die des Paukenträgers (der im Eiltempo über die Bühne sprintete!) oder des Sängers, der auf einmal mit dem Megaphon vorne an der Bühne steht, rissen SCHELMISH auch diesmal den letzten Zuhörer mit. Mittelalter, wie man es sich wünscht! Nicht zu vergessen der Strip des kleinen Luzi, der von den Mädels in den ersten Reihen heftigst angefeuert wurde… Und sie haben den nötigen Humor, um mit allen möglichen Sachen umzugehen: Immer wieder würden ihnen Leute sagen, wie scheiße sie doch seien – dabei wüssten sie das doch. Und diesen Leuten, oder eher gesagt diesen Arschlöchern, widmeten sie den Titel „Pack“. Weniger humorvoll wurde allerdings ein Gästebucheintrag genommen, der die Mittelalterformation in die politisch rechte Ecke stellen wollte. Mit einer eindeutigen Ansage (inklusive Schmähung von George Dabbeljuh Bush) nahm man dazu Stellung. Nach ca. einer Stunde war sehr zu unserem Bedauern die Zeit von SCHELMISH für diesen Abend abgelaufen, doch tauchten die Jungs später noch mehrmals in der Markthalle auf und waren auch zum ein oder anderen Schwatz bereit.
Währenddessen liefen in der Konzerthalle bereits die Umbauten für SALTATIO MORTIS, die wir auf diesem Konzert zum ersten Mal mit neuer Besetzung sehen sollten. Allein schon fraglich, was von einer Band, die SALTATIO MORTIS heißt, noch übrig bleibt, nachdem fast alle Bandmitglieder ausgetauscht wurden, begann die Show mal wieder sehr heiß: Mit Pyros und „Salz der Erde“. Leider wurde ich bereits beim zweiten und dritten Song – „Falsche Freunde“ und „Heuchler“ – derbst enttäuscht: Es ist einfach nicht dasselbe. Es rockte einfach nicht so wie bei Auftritten, die ich vorher schon von den Jungs gesehen habe. Vielleicht hängt das auch mit meiner zuvor gestellten Frage zusammen – was von einer Truppe, die irgendwie fast komplett neu besetzt ist, noch den Namen der ursprünglichen Band verdient, bzw. welche Erwartungen man damit beim Publikum weckt. Und mit dem wirklich genialen Auftritt von SCHELMISH kurz zuvor – wohl ohne es zu wollen, haben die Spielleute ihre Kollegen an die Wand gespielt. Man merkte SALTATIO auch noch zu deutlich an, dass sie nicht komplett aufeinander eingespielt sind – daran muss noch gearbeitet werden… Und ich war, den Reaktionen des Publikums nach zu urteilen, wahrlich nicht die Einzige, die so urteilte. Obwohl die Stimmung nun nicht im Keller angesiedelt war, so fair wollen wir doch bleiben. Der Rest des Konzerts war sicherlich nett, ja, man konnte es sich ansehen. Aber es fehlte auch im weiteren Verlauf die ursprüngliche Wildheit, die man von wilden mittelalterlichen Gesellen erwarten würde/ sollte. Auch die weiteren Pyros bei „Tritt ein“ oder die Aufforderung an das Publikum zu singen halfen nicht, und ich habe selten so wenig Leute bei einem SAMO-Auftritt mitsingen hören. Ein Höhepunkt war hier jedoch sicherlich der gemeinsame Auftritt mit SCHELMISH und Eric Fish (!) beim „Palästinalied“ (als das anfing, ging schon ein Seufzen durch die Reihen, eigentlich hat man das genauso über wie „Herr Mannelig“, eben Lieder, die jede Band immer wieder mal in irgendeiner Version spielt). Zusammen legten die Jungs mit geballter Dudelsackpower noch mal richtig los – und mussten nach zwei weiteren Liedern etwas zu schnell die Bühne verlassen, denn die eigentlich wohl geplante Zugabe wurde mehr oder weniger abgewürgt, da man zeitlich ein wenig im Verzug war und SALTATIO MORTIS zu spät angefangen hatten. Schade vor allem deshalb, weil so das Konzert keinen runden Abschluss hatte und auch für die Zuschauer einfach unvollständig wirkte. Außerdem hätte es ein komplett neues Stück zu hören gegeben – was vielleicht das Bild der „neuen“ SALTATIO MORTIS hätte retten können… Warten wir mal auf das, was da noch kommt (und kommen muss da auf jeden Fall noch was, wie gesagt).
Doch stattdessen kam man dann zum eigentlichen Headliner des Abends: SUBWAY TO SALLY, auf die wohl die meisten der Anwesenden gewartet haben dürften. Traditionell immer zur Weihnachtszeit in Osnabrück war dieses Spectaculum letztendlich für die damit Vertrauten ein aufgemotztes SUBWAY-Konzert, und nach einem weiteren Umbau war es um 23 Uhr endlich soweit: Eric Fish betrat die Bühne, begann „Stille Nacht“ in einer sehr abgewandelten Version zu singen („nur wir sind wach…“) und ließ dies mit „Stille Nacht, Eisheilige Nacht“ enden, bevor die ersten Klänge von „Schneekönigin“ erklangen und der simulierte Schnee auf die ersten Reihen herabschneite. Zusammen mit der „NordNordOst“-Lichtfarbe Türkis wirkte dies wirklich wie ein winterliches Schneespektakel, welches sich doch schnell in ein heißes Spiel bei „Feuerland“ verwandelte. Auch wenn sich die Setlist im Vergleich zum letzten Jahr nicht auffällig geändert hat, schafften es SUBWAY TO SALLY mindestens ebenso wie im Vorjahr, uns zum Tanzen oder vielleicht auch zum Weinen zu bringen (Erics Wunsch: Nur ein bisschen Weinen, mehr Springen, Tanzen und Schreien natürlich). Besonders faszinierend war, dass der Herr nur kurz anfangen musste zu springen, und das Publikum wie selbstverständlich mitging – und das über die Hälfte der Halle hinaus. Die zu diesem Zeitpunkt auf den Rängen Sitzenden werden sicherlich bereut haben, doch nicht im Getümmel zu stehen. Dass sie gerne nach Osnabrück kommen, sagen SUBWAY TO SALLY ja immer wieder – und dass sie hier eins der besten Auditorien haben, auch. Vor „Kleid aus Rosen“ gab Eric eine Blume in die erste Reihe und bat uns, sie bis zu Steffen zum Lichtpult zu reichen, der wie jedes Jahr zuverlässig für die Lichtmischung sorgte. „Wenn ihr das schafft, diese Rose unversehrt ankommen zu lassen, seid ihr wahrhaftig das beste Publikum von allen“ sagte Eric – und ich denke, die Osnabrücker haben ihn nicht enttäuscht. Ein paar Rosen, die er beim Song noch in der Hand hielt, warf Eric später in die Menge. Die Bühne war klassisch in tiefrotes Licht getaucht, und am Bühnenrand brannte das Feuer – was die eh schon schlechte Luft noch verschlimmerte, nach der Hälfte des Auftritts war es kaum noch auszuhalten. Bei „Eisblumen“ wiederum holte er ein Mädel aus der ersten Reihe auf die Bühne, umschlang ihren Hals, kniete vor ihr nieder – sie allerdings war wohl entweder geschockt oder verlegen, oder beides, denn sie bewegte sich fast nicht mehr, sang nicht mehr mit und guckte eher unsicher in die Gegend – nach einer Strophe und einem Refrain war sie auch wieder entlassen. Aber entgegen der eher ruhigen und romantischen Seite gab es natürlich auch wieder den „Schrei“ und diverse Schlachtrufe, zu denen das Auditorium aufgefordert wurde: „Abra…“ „Kadabra“ antwortete das Publikum, „Hokus – Pokus“, Frau-Schmitt“ und am Ende des Konzerts: „Osna-brück“. Sehr zur Freude aller Fans haben SUBWAY TO SALLY nach der „Nackt“-Tour, bei der sie ihr komplettes Backprogramm durchforstet hatten, die Freude auch an alten Stücken wieder entdeckt und spielten so „Unterm Galgen“, ein länger nicht mehr live gehörtes Lied.
Nicht nur Eric, auch die anderen – Bodenski, Frau Schmitt und alle, die dazugehören – legten sich wie immer zwei Stunden lang ins Zeug, um ununterbrochen zu unterhalten, anzufeuern und vor allem eine einwandfreie Show abzuliefern. Gewohnt, aber gut, oder eher: Gewohnt und gut. Das letzte, was man vernahm, war Erics „Osna-brück“, „Osna-brück“, „Osna-„ und hier ließ Eric sich auch beim zweiten Teil des Rufs vernehmen: Osna-verrückt“. Das sind wir wohl im wahrsten Sinne des Wortes, und SUBWAY TO SALLY wohl auch. Mit einem letzten Met, einem kleinen Snack oder auch einem T-Shirt vom Merchandise (wo wohl auch noch die ein oder andere Band aufschlug) oder auch noch einmal der Musik von OBSCURATIS (wieder mit einem der Musiker von SALTATIO MORTIS) konnte man Weihnachten und den Abend dann gemütlich ausklingen lassen… bis zum nächsten Jahr. Bis auf kleinere Ausfälle ein vom ersten bis zum letzten Auftritt gelungener Abend!
Setlist SALTATIO MORTIS
Salz der Erde
Falsche Freunde
Heuchler
Die Hoffnung stirbt zuletzt
Dessous Le Pont De Nantes
Palästinalied
Tritt ein
Mea Culpa
Keines Herren Knecht
Setlist SUBWAY TO SALLY
Stille Nacht
Schneekönigin
Feuerland
Knochenschiff
20000 Meilen unterm Meer
Unterm Galgen
Unsterblich
Eisblumen
Kleid aus Rosen
Liebeszauber
Alle psalite cum luya
Mephisto
Traum vom Tod
Feuerkind
Rätsel II
Sag dem Teufel
Ohne Liebe
Braut & Bräutigam
Carricfergus
Falscher Heiland
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Sieben
Julia und die Räuber
Seemannslied
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