Ort: Bielefeld - PC69
Datum: 24.10.2003
Am Freitag, dem 24.10.2003 sollte ein historisches Event im Bielefelder PC69 stattfinden: Das erste Konzert von SUICIDE COMMANDO zum neuen Album „Axis of Evil“ und – noch bedeutender – das letzte in dieser Stätte der schwarzen Begegnung, das PC wird nämlich nach mehr als 18 Jahren abgerissen! Kein Wunder, dass die Pilgerstätte gut besucht war, an die 400 Nasen werden es schon gewesen sein, von nah und fern. A pro pos „Pilgerstätte“ – Wunderten wir uns doch bei der Ankunft um 19 15 Uhr , dass nahezu alle Parkplätze belegt waren, wie konnte das sein? Des Rätsels Lösung: Gegenüber in der Seidensticker-Halle traf sich die Bielefelder Mennoniten-Gemeinde zum Thema Evangelisation! Was für ein Kontrastprogramm, wo gegenüber verlorene schwarze Seelen auf ihre Heilsbringer warteten.
Und das nicht allzu lange, denn pünktlich gegen 19 30 betraten TACTICAL SEKT die Bühne, auf der neben dem obligatorischen Keyboard ein echtes Drumkit aufgebaut war! Und dieses bediente kein geringerer als Beam von FEINDFLUG, denn ich noch vor kurzem blutverschmiert beim Wardrumming auf dem Maschinensturm bewundern konnte. Dieses mal verzichtete er aber auf Corpsepaint. Die weiteren Protagonisten sind ebenfalls keine Unbekannten: Anthony Mather (ASLAN FACTION) brüllte ins Mikro und Marco vom Bielefelder Label Noitekk bediente die Tasten, in der Aufmachung eines Chirurgen… Das da nur Hartes und Gutes bei rumkommen konnte war klar, und so wurde die Schar der Lauschenden rasch größer. Gerade die „echten“ Drums sorgten für einen sehr organischen Sound, der in etwa als Mischung aus SUICIDE COMMANDO und FEINDFLUG beschrieben werden könnte, mit dem einen oder anderen Sample. Sehr aggressiv und tanzbar das Ganze!
Nach kurzer Pause betraten INTERLACE die Bühne. Die Schweden machten optisch einiges her: 3 Keyboarder im „Giger-Alien-Look“ plus ein völlig entrückter Sänger, der lediglich mit einem weißen Rock äh Handtuch bekleidet war, barfuss und mit Glatze, sah aus wie direkt aus der schwedischen Sauna. Die Formation hatte auf einem kleinen einheimischen Label die CD „Innuendo“ herausgebracht, allerdings ohne großen Verbreitungsgrad, so dass Dependent, die Heimat von SUICIDE COMMANDO, die eigentlich als Maxi gedachte Zweitveröffentlichung „Under the Sky“ mit vielen Bonustracks vom Debüt aufpeppelte. Das einzige mir bekannte Lied „Soul of a new Machine“ wurde auch gleich als Opener platziert, leider fiel nach einer Weile das DAT-Gerät aus und der Song konnte nicht zuende gespielt werden. Musikalisch möchte ich das Quartett mal als „rituellen Elektro“ bezeichnen. Zu nicht allzu harten Elektronikklängen, mal tanzbar, mal atmosphärisch, sang der Vokalkünstler mit cleaner Stimme, einem Ian Curtis (JOY DIVISION) nicht unähnlich. Die Stimme verlief dabei nicht immer konform zur Musik und leicht avantgardistisch. So ganz konnte das Bielefelder Publikum mit der Darbietung nicht warm werden, welche zwar optisch einiges zu bieten hatte, aber ansonsten sehr sperrig und eher „unrockbar“ war. Sicherlich wäre es bei INTERLACE absolut nötig, die CDs vorher en Detail zu kennen. Zur Mitte des Sets wurde dem Shouter eine Art Talar umgehängt, mit dem kryptischen Symbol der Band. Jetzt hätte der gute Mann endgültig über die Straße gehen können und den Mennoniten als neuer „Jesus“ vorgestellt werden, und die hätten es sicher noch geglaubt…
Kurz nach 21 Uhr war es dann endgültig so weit. Der halbe Saal war bis zum bersten gefüllt (die andere Hälfte hatte man mal wieder abgetrennt). Zuerst enterten die beiden Keyboard-Operator die Bühne und zwar: Torben Schmidt (LIGHTS OF EUPHORIA, DYING CULTURE-LABEL) sowie Marco Calvo Mesa von der spanischen Truppe DIOXYDE, der Johans Freundin Tanja in Deutschland ersetzt. Das Intro zum „Axis of Evil-Opener“ „Cause of Death“ leitete den Gig stimmungsvoll ein, die Musiker der vorherigen Acts machten es sich rechts von der Bühne gemütlich. Dann stürmte Johan van Roy auf die Bühne, gedrungen und mit leichtem Bauchansatz, aber voller Tatendrang. Während des gesamten Sets stürmte er immer wieder von rechts nach links und versuchte, das Publikum aufzupeitschen, was gar nicht nötig gewesen wäre. Die Zuschauer waren ohnehin durch SC selbst und durch die Abschiedsstimmung emotional aufgeheizt. Zunächst konzentrierte man sich samt und sonders auf Tracks des neuen, sehr gut ausgefallenen Albums. Besonders abgefeiert wurden natürlich schon erwähnter Opener, die Vorabsingle „Face of Death“ und das deutsch vorgetragene „Sterbehilfe“. Ausgerechnet mein Lieblingssong „The Reformation“ kam nicht zur Vorstellung, aber ich konnte das verschmerzen. Neben einer Leinwand, auf der Infos und Bilder zum jeweiligen Song visualisiert waren, kam auch noch eine ziemlich geniale Lightshow mit Stroboskop-Effekten zum Einsatz, die man am besten vom Balkon aus genießen konnte. Langsam wurden auch ein paar alte Klassiker eingestreut: „Dein Herz, meine Gier“ oder auch „Love breeds Suicide“. Einmal verpackte sich Johan in eine Zwangjacke (bei „Sick in your Mind“), um dem Wahnsinn der Realität Rechnung zu tragen, netter Effekt. 2 Zugaben folgten auf den gut 60minütigen regulären Set (Johan in Raab-Manier: „Wir haben doch keine Zeit“), darunter der Klassiker „Better off Dead“ und als allerletztes Live-Stück in der Geschichte des PCs passender weise „Hellraiser“, der Boden wackelte ein letztes mal… Aber ganz gaben sich die Besucher noch nicht geschlagen, nach dem rundum gelungenen Konzertabend sollte noch einmal die Nacht zum Tage gemacht werden und zumindest von der Zahl der Anwesenden war die nachfolgende „Gothic Night“ nicht zu überbieten!
Copyright Fotos: Jörg Rambow/ Karsten Thurau
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