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TANGERINE DREAM

Ort: Bielefeld – Lokschuppen

Datum: 14.10.2023

From Virgin to Quantum Years Tour

Unmittelbar im Anschluss ihrer überaus erfolgreichen US Tour legten TANGERINE DREAM eine Tour durch Deutschland nach. Was man aber vorab wissen sollte, ist der Umstand, dass sich die Besetzung TANGERINE DREAMs grundlegend geändert hat. Aus der Gründungsformation und den Anfangstagen der Westberliner Musiker um Edgar Froese ist keiner mehr mit dabei. Auch Froeses Sohn Jerome, der etliche Jahre fest verbunden mit TD war, ist schon vor langer Zeit ausgestiegen. Und so wechselte immer wieder die Besetzung, auch die Liste der Gastmusiker ist lang. So tauchte im Laufe der Jahre das Who is who der elektronischen Musik im Line up auf, das auch solo oder in anderen Combos Karriere gemacht hat. Allen voran Klaus Schulze, Conrad Schnitzler, Johannes Schmölling und erst vor Kurzem dazu gestoßen: Ulrich Schnauss, der aber nur ein kurzes Intermezzo bei TANGERINE DREAM gab. Das ganze musikalische Erbe Edgar Froeses wird dennoch in seinem Sinne mit einer neuen Besetzung weitergeführt und ich schätze mich glücklich, dem heutigen Konzertabend mit TANGERINE DREAM beigewohnt zu haben.

Kurz nach 20 Uhr betraten Thorsten Quaeschning (synth, git), Hoshiko Yamane (vl) und Paul Frick (synth) die Bühne des großen Saals im Lokschuppen. Mastermind Quaeschning übernahm vorab das Mikro und richtete ein paar Worte zum Ablauf des Abends ans Publikum: zuerst käme das reguläre Set von ungefähr  90 – 100 Minuten Spielzeit mit alten und auch neuen Songs und im Anschluss an die Zugabeforderungen würde das Trio eine halbstündige Live-Improvisation spielen. Aber zuerst galt es, den richtigen Resonanzton für diese Halle zu finden. Nach einigen akustischen Demonstrationen wurde dieser schnell ausgemacht, und zwar der, der den Boden zum Vibrieren bringt. Schon da brandete der erste Jubelsturm auf, der die Musiker auf der Bühne lautstark willkommen hieß. Wie schon der Slogan der Tour verriet, gab es einen kleinen Querschnitt aus dem Schaffen von TD über mehrere Jahrzehnte und da war “Phaedra” vom 74er – auf Virgin erschienen- gleichnamigen Album, in der damaligen Besetzung Froese/Franke/Baumann genau richtig gewählt. Mit dem anschließenden “Dolphin Dance” war man schon mitten in den 80ern und die Mannen um Edgar Froese waren zu diesem Zeitpunkt international richtig erfolgreich und für “Der Feuerteufel” (eine Stephen-King-Verfilmung mit Drew Barrymore in der Hauptrolle) und “Lockere Geschäfte” (mit Tom Cruise) komponierten sie seinerzeit die Filmmusik. Um so erfreuter war ich, dass es auch bei diesem Gig ein Soundtrack auf die Setlist geschafft hat. Mit “Betrayal (Sorcerer Theme)” schallte ein Stück aus einem meiner Lieblingsfilme durch die Halle. Die Rede ist von “Atemlos vor Angst”, ein William-Friedkin-Remake des französischen Schwarz-weiß-Klassikers “Lohn der Angst”. Um den Bogen dann endlich zur heutigen Besetzung zu spannen, endete das reguläre Set mit “Continuum” und “Raum” vom  gleichnamigen 2022er Album, das zweite nach Froeses Tod im Jahre 2015. Diese Tour ist auch als Hommage an die lange Ära Froeses zu sehen, seine Werke wurden auf der Bühne nicht einfach nachgespielt, nein Quaeschning/ Yamane/Frick interpretierten die Tracks auf ihre Weise, sodass diese unglaublich modern klangen. Nach mehrmaligen Verbeugungen des Trios in Richtung Publikum und Standing Ovation von Seiten der Fans, verließen die Musiker, wie schon angekündigt, kurz die Bühne. Aber wirklich nur kurz, denn die Session – eine Art Echtzeit-Komposition sollte noch performt werden. Und da kam dann auch endlich die Gitarre zum Einsatz, die da schon seit fast zwei Stunden zwischen den Synthi-Burgen stand und von der Thorsten ein paar Klänge erzeugte und in die dominierenden elektronischen Soundcollagen einfließen ließ. Auch diese kurzweilige 35 Minuten dauernde Zugabe wurde vom Publikum wieder mit Standing Ovation honoriert, das Trio bedankte sich und zog sich von der Bühne zurück.

Was für ein beeindruckendes Konzerterlebnis, welches ich so auch noch nicht erlebt habe. Es passte am heutigen Abend einfach alles: die Musik mit ihrer visuellen Untermalung, die perfekte Stimmung auf und vor der Bühne und der großartige Sound im Saal. Selbst Herr Quaeschning war beeindruckt und lobte die Location – erstaunlich, spielten sie nur Tage zuvor im Leipziger Gewandhaus, das von der Akkustik her überragend sein soll und wie geschaffen für solche Konzerte. Da hat man auch am Mischpult die richtigen Leute, die wissen wie es soundtechnisch zu klingen hat. Im Schuppen habe ich schon unfassbar schlecht abgemischte Gigs erlebt. Leider und das ist wirklich der einzige Minuspunkt am heutigen Abend, war das Konzert nicht ganz ausverkauft. Aber das zeigt schon die Geschichte von TANGERINE DREAM: sie sind im Ausland von jeher bekannter und erfolgreicher als in heimischen Gefilden. Zu guter Letzt, bevor ich die Heimreise antrat, schaute ich noch einmal am üppig bestückten Merchandise Stand vorbei und erstand noch fix das letzte Vinylalbum “Raum” und da traf es sich gut, dass die drei Musiker sich mittlerweile auch am gut besuchten Merch einfanden und mir das Album signierten. Man konnte auch ein richtig lockeres Gespräch mit ihnen führen, von Starallüren absolut keine Spur. Ein Gruß geht an den Leipziger Rollstuhlfahrer, mit dem ich mich vor dem Konzert angeregt über TANGERINE DREAM und Musik im Allgemeinen unterhielt. Ein paar Tage nach dem Konzert in der sächsischen Stadt, setze er sich morgens um 7 Uhr in die Bahn, um nach Bielefeld zu fahren und noch einmal einen TD-Gig zu genießen und im Anschluss seine Fotos mit der Band signieren zu lassen.

Und was sagte Thorsten Quaeschning nach dem Konzert: “Es war so schön hier bei euch, wir kommen wieder” Ja, das solltet ihr!!!

Setlist (ohne Gewähr)

  • Phaedra
  • Dolphin Dance
  • Choronzon
  • You`re always on time
  • Portico
  • Logos Velvet
  • Rare Bird
  • Genesis of precious thoughts
  • Betrayal (Sorcerer Theme)
  • Los Santos City map
  • Love on a real train
  • Raum
  • Continuum
  • No Happy Endings
  • Session

Copyright Fotos: Jörg Rambow

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