Ort: Telgte - Planwiesen
Datum: 01.09.2007
Normalerweise werden die Telgter Planwiesen genutzt, um dort die Wallfahrer zu sammeln, das Mittelalterlich Spectaculum hat dort inzwischen auch seinen festen Platz gefunden und nicht zu vergessen ist natürlich der große Mariä-Geburts-Markt mitsamt Kirmesbetrieb und Viehhandel. Zum ersten Mal sollten die Planwiesen jedoch auch Schauplatz für ein Open-Air-Ereignis sein. „Nicht kleckern sondern klotzen“ hatten sich die Stadtoberen gedacht und sich gar nicht erst mit kleinen Newcomer-Bands aufgehalten, sondern mit TEXAS LIGHTNING gleich einen großen Namen gehandelt. Mit Hilfe diverser Sponsoren nahm das Vorhaben Gestalt an und sogar der Wettergott hatte ein Einsehen und machte zumindest abends ein wenig Regenpause, scheint wohl auch ein Country-Fan zu sein. Vielleicht steht Petrus aber auch auf BEN HAMILTON, der war nämlich als Support mit am Start und bestritt die erste Stunde in Telgte.
Pünktlich um 20 Uhr legte der hünenhafte Schlacks (2,10 m Körpergröße!), der just einen Tag zuvor seinen zweiten Logplayer „Bull In A China Shop“ in die Läden gebracht hatte mit dem ruhigen „Hologram“ vom letztjährigen selbstbetitelte Debüt los. Auch das sich anschließende „Sparrow’s Blues“ stammt von diesem Werk, allerdings ging’s hier mit mehr Wums zur Sache. Das treibende „Drug Abuse“ mit seinen Keyboard-Sequenzen war der erste Song des neuen Albums, dem noch weitere folgen sollten: „Forest Love“ bestach mit gefühlvollen, dennoch sehr knackigen Melodien, während die aktuelle Single „Friends“ ein echter Gute-Laune-Song ist, der auch hier und da mitgeklatscht wurde. Begleitet wurde die musikalische Darbietung übrigens von netten Lichteffekten, die gerade bei den ruhigen Nummern wie „Backbreaker“ für zusätzliche Gänsehautmomente sorgten. Versprochen hatte Ben einen tollen Abend, vor allem mit TEXAS LIGHTNING. Aber sein eigenes Licht musste der ehemalige Straßenmusikant, Wahlberliner und Spross eines verarmten Oxforder Adelsgeschlecht gar nicht unter den Scheffel stellen. Dafür sorgten Stücke wie das sehr rhythmische „Milestone“, das nachdenkliche „Human“ oder das sehr getragene „Happy Alone“. Zu „Radiationnation“, bei dem den Uralt-Keys jaulige Orgeltöne entlockt wurden, wussten die Telgter auch wieder ihre Hände zu gebrauchen, auch wenn sie beim wunderschönen und sehr tanzbaren „Looking Glass“ der Klatsch-Aufforderung vom Keyboarder und Bassisten (der übrigens jederzeit als Dietmar-Bär-Double anfangen könnte) nur sehr zurückhaltend nachkamen. Manchmal können Münsterländer ja stur sein. Ihren Protest ob der Zurückhaltung des Publikums wollte die Band aber wohl nicht zum Ausdruck bringen, als sie im Anschluss die Bühne verließ und ihren Fronter allein mit seiner Akustikgitarre zurückließ. Der zeigte sich auf jeden Fall wenig überrascht und spielte „Bells“ in einer sehr gelungenen Akustikversion. Zu „Indispensable“, einem seiner Lieblingstracks, kehrten Bens Mitstreiter dann auch schon wieder zurück und präsentierten noch mal ein feines Singer-Songwriter-Stück. Für einen letzten Song war noch Zeit und „Satan In Drag“ ließ zwischen dem recht kantigen Rock sogar ein klein wenig Country durchblitzen, damit sollte es schließlich in Kürze weitergehen, doch zeigte der wohlwollende Applaus, dass die einstündige Darbietung den Anwesenden durchaus gefallen hatte.
Setlist BEN HAMILTON
Hologram
Sparrow’s Blues
Drug Abuse
Forest Love
Friends
Backbreaker
Milestone
Human
Happy Alone
Radiationnation
Looking Glass
Bells
Indispensable
Satan In Drag
Eine gute halbe Stunde später waren die Umbauarbeiten abgeschlossen und Bürgermeister Dr. Dietrich „John Wayne“ Meendermann betrat zusammen mit einem Mitarbeiter von Radio WAF die Stage. Offensichtlich war das TEXAS LIGHTING-Konzert der Startschuss für die texanischen Wochen, die nun in Telgte stattfinden, da man in nächster Zukunft auch noch eine Abordnung der Partnerstadt Tomball aus den Südstaaten erwartete. Wäre ja durchaus interessant gewesen zu erfahren, was echte Texaner von unseren deutschen Vorzeige-Countrymusikern halten. Nur wenige Minuten später hatten wir selbst Gelegenheit, uns ein Bild zu machen, denn zu Westernklängen enterten Uwe „Friendly“ Frenzel (doublebass & vocals), Markus „Fastfinger“ Schmidt (electric guitar & banjo), Jonny „The Flame“ Olsen (lead vocals & guitar), Olli „Ringofire“ Dittrich (drums & vocals) und natürlich Miss Jane Comerford (lead vocals und ukulele) die Bühne und legten mit „Bad Case of Loving You“ los. Dazu funkelten im Hintergrund der Bühne zahlreiche Sterne, während der TEXAS LIGHTNING-Schriftzug im Laufe des Abends in verschiedenen Farben erstrahlte und einige Kakteen, die von grünen Lämpchen umfasst waren, das Bild vervollständigten. Die Jungs hatten sich einheitlich in schwarze Hosen mit weißen Hemden, Cowboystiefel- und Hüte und schwarze, kurze, weiß bestickte Jacken geschmissen. Die holde Weiblichkeit erschien in einem passenden schwarzen, ärmellosen Kleid mit bauschigem weißen Unterrock und hohen Stiefeln. Zu „Gentle On My Mind“ gesellte sich noch ein besonderer Gast an der Pedal Steel Guitar hinzu: Mister Nils Tuxen aus Dänemark sorgte mit seinem Instrument für besonderen Country-Flair. So komplettiert ging es mit „Man of Constant Sorrow“ weiter. Wer die 80er-Jahre-Vorabend-Serie „Ein Colt für alle Fälle“ kennt, dem ist auch die von Lee Majors höchstpersönlich gesungene Titelmelodie geläufig, die hier ebenso ein neues Gewand bekam wie „Like A Virgin“ von Madonna, das Jane zum Besten gab. Übrigens die erste musikalische Begegnung der Dozentin für Gesang an der Hamburger Hochschule für Musik und Theater, die 2004 zu TEXAS LIGHTNING gestoßen ist. Ihren „Popkurs“ haben u.a. auch ROSENSTOLZ besucht, die sicher gern die Vorlage für die englische Country-Slow-Motion-Version ihres Hits „Ich bin ich (wir sind wir)“ zur Verfügung gestellt haben. Einen echten Klassiker gab’s mit dem bereits 1928 geschriebenen, sehr traurigen „On The Old Kentucky Shore“ zu hören, für den Miss Comerford mal wieder auf einem Barhocker Platz nahm. Dafür verließ Nils Tuxen seine sitzende Position und griff zu einem mir unbekannten Saiteninstrument und gesellte sich zu „Fastfinger“ Markus, um den richtigen Rahmen für den Vortrag der blonden Australierin zu bilden. Die bediente sich als nächstes im Repertoire eines Landsmannes. Zu Gehör kam „The Voice“, mit dem John Farnham Ende der Achtziger weltweite Erfolge feierte. Der Country-Sound brachte auch ein wenig mehr Tempo in den Song, den Jane schon immer mal singen wollte, was die Anwesenden eifrig beklatschten. Für zwei Stücke von den BEATLES verließ Olli dann seine Schießbude und wurde von Johnny „The Flame“ als John Lennon vorgestellt. Mal mit der Gitarre und dann mit einem Tamburin bewaffnet, bewies der Dittsche-Darsteller, der Sonntag abends gemeinsam mit Jon Flemming Olsen mit seiner Improvisationscomedy für Furore sorgt, sein musikalisches Talent auch am Mikro. Im Gegensatz zum letzten TEXAS LIGHTNING-Gig, den ich gesehen habe, fand in Telgte allerdings nicht so viel Kommunikation zwischen den beiden statt, die ohne Zweifel durch ihre TV-Popularität zu den Zugpferden der Band gehören. Ein wenig unpassend fand ich allerdings die „Dittsche“- und „Ingo“-Rufe, die immer wieder zu hören waren. Hier ging es nicht um die Serie, sondern um die Musik, welche die Herren als Teil einer Band machen. Ollis Spruch, dass der nächste Song von einer Person stamme, die früher ein glücklicher schwarzer Junge und jetzt eine unglückliche weiße Frau sei, kannte ich bereits aus Bielefeld. Die Rede konnte natürlich nur von Michael Jackson sein, dessen „Man in The Mirror“ den vergnüglichen Coverreigen vorsetzte. Zu „Dancing Queen“ von ABBA schwang auch Jane das Tanzbein und ließ die Röcke fliegen, auch im Publikum wurde vereinzelt getanzt. Dann wurde es dunkel auf der Stage, die Sterne im Hintergrund strahlten um die Wette, während Spots auf Jane und Johnny gerichtet waren. „Enjoy The Silence“ war die Devise für die nächsten Minuten und selbst wenn man diesen DEPECHE MODE-Smasher bei aller Liebe nicht besser als das Original vortragen kann, so hatte die Country-Abwandlung durchaus ihren Charme, wurde sie doch auch von wirklichen Vollblutmusikern intoniert. „Bei „Over The Mountains“ hatte es Olli doch tatsächlich geschafft, seine Snare in Fetzen zu spielen, was aber währenddessen wahrscheinlich niemand gemerkt hat, da Mr. Fastfinger eine fette Kostprobe seines Könnens bot und Kontrabassist Uwe „Friendly“ Frenzel die Blicke auf sich zog, weil er sein nicht gerade kleines Instrument auf dem Knie abgelegt spielte. Eine neue Trommel war fix besorgt und so kam man mit „Walk On The Wild Side“ bereits zum letzten Song. Die erschreckende Aussicht, dass mit dem regen Treiben auf der Bühne womöglich schon bald Schluss sein könnte, lockte die Zuschauer dann doch noch mal aus ihrer Lethargie – Cowboys- und Girls scheinen zumindest im Münsterland sehr, sehr zurückhaltend zu sein, da helfen auch entsprechende Hüte und Stiefel nur sehr begrenzt. Nach einem Solo auf der Pedal Steel Guitar, das Uwe rittlings auf dem Bass sitzend begleitete, endete das reguläre Set um 22.55 Uhr. Trotz der eher kühlen Temperaturen hatte The Flame sich sichtlich in Schweiß gespielt, wie man sehen konnte als er seine Jacke auszog. Das Oberhemd klebte klatschnass am Körper. Zum Garderobewechseln blieb jedoch keine Zeit, die Telgter forderten lautstark Zugaben, schließlich fehlte auch noch der TEXAS LIGHTNING-Hit, mit dem die Truppe im letzten Jahr beim European Song Contest in Athen angetreten war. Mit „No No Never“ ging’s dann auch weiter, sehr zur Freude des Publikums, das jetzt auch endlich bewies, dass es feiern konnte. Nach „Kiss“ konnten die Telgter bei „High Way To Hell“ selbst ihre Sangeskunst unter Beweis stellen. „All The Way Home“ wurde für den unermüdlichen Arnold aus dem Publikum gespielt, der Jane zu Ehren während des gesamten Konzertes eine große Australien-Flagge schwenkte, bevor mit „Blue Bayou“ das endgültig letzte Lied gespielt wurde. Janes Bitte, die Feuerzeuge zu zücken und zu kuscheln, wurde vielfach Folge geleistet, so dass auf den Planwiesen ein Meer aus Lichtern erstrahlte. Es folgte noch die obligatorische Bandvorstellung nebst Aufstellung der Kapelle, bei der die Herren sich um ihre adrette Sängerin gruppierten, die sich einen Fuß auf dem Bein des Bassisten abstützend in Pose warf.
Ein gelungener Auftakt der Open Air-Konzerte, von denen man hoffentlich in Telgte zukünftig noch mehr erleben darf. Immerhin haben trotz des unsteten Wetters mehrere Tausend Zuschauer den Weg vor die Bühne gefunden und wurden wahrlich nicht enttäuscht. Sowohl Opener als auch Hauptact überzeugten mit handwerklichem Können und boten eine tolle Show.
Setlist TEXAS LIGHTNING
Bad Case of Loving You (MOON MARTIN)
Man of Constant Sorrow (SOGGY BOTTOM BOYS)
Gentle On My Mind (TAMMY WYNETTE)
The Unknown Stuntman (LEE MAJORS)
Like A Virgin (MADONNA)
Eastbound And Down (JERRY REED)
Ich bin ich (wir sind wir) (ROSENSTOLZ)
Smoke, Smoke, Smoke That Cigarette (COMMANDER CODY)
On The Old Kentucky Shore (BILL MONROE)
The Voice (JOHN FARNHAM)
Norwegian Wood (THE BEATLES)
Ticket To Ride (THE BEATLES)
Man In The Mirror (MICHAEL JACKSON)
Dancing Queen (ABBA)
Enjoy the Silence (DEPECHE MODE)
C’est la vie (you never can tell) (EMMYLOU HARRIS)
Over The Mountains (Über den Wolken) (REINHARD MEY)
Walk On The Wild Side (LOU REED)
No No Never (JANE COMERFORD)
Kiss (PRINCE)
Highway To Hell (AC DC)
All The Way Home (SPINAL TAP)
Blue Bayou (LINDA RONSTADT)
(Anm.: Die Namen in Klammern stehen nicht unbedingt für die Autoren der Songs, sondern zum Teil auch für die Interpreten, deren Versionen TEXAS LIGHTNING inspiriert haben.)
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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