Ort: Bielefeld - Ringlokschuppen
Datum: 26.09.2006
Zuallererst gilt es mal ein paar geographische Missverständnisse aus der Welt zu räumen. Zum einen liegt Bielefeld keinesfalls in Ostwestfalen und zum anderen bin ich keineswegs in der norddeutschen Tiefebene aufgewachsen. Vielmehr ist beides mehr in Texas anzusiedeln. Na ja, vielleicht nicht ganz, aber ganz eindeutig war der Bielefelder Ringlokschuppen heute fest in der Hand des Countrys. Mehr als 1000 Anhänger hatten sich in der Konzertstätte versammelt, um dem letzten Konzert der „No No Never“-Tour von TEXAS LIGHTNING beizuwohnen. Seit ihrer diesjährigen Teilnahme am Eurovision Song Contest (als erste Countryband in der 50jährigen Geschichte) ist Country nicht nur saloon- sondern auch salonfähig in Good Old Germany und entsprechend gemischt war das Publikum im Alter von 7 bis 70 Jahren mit Schwerpunkt zwischen 35 und 55.
Gespannt blickte man auf die Bühne, deren Hintergrund mit einem blauen TEXAS LIGHTNING-Logo mit grüner Umrahmung und rotem Stern versehen war. Pünktlich um 20.30 Uhr erklang Westernmusik und es wurde dunkel. Wenig später enterte die Band die Bühne, umrahmt von grün funkelnden Kakteen und glitzernden Lichtern des Backdrops. Der erste Song „Bad Case of Loving You“ wurde gespielt, dann stellten Olli „Ringofire“ Dittrich (drums & vocals) und Jonny „The Flame“ Olsen (leadvocals & guitar) die Band und vor allem ihren Gast Nils Tuxen (pedal steel guitar) vor. Wie es sich gehört, waren die Herren mit schwarzen, schmalen Nadelstreifenhosen, Westernhemden , Cowboystiefeln und -Hüten bekleidet, während die blonde Miss Jane Comerford (leadvocals und ukulele) im türkisfarbenen Kleid mit Petticoat und weißen Cowboystiefeln bezauberte. Die Dame ist seit Ende 2004 bei den TEXAS LIGHTNING, kennt Bielefeld jedoch schon seit 1986 – seinerzeit hatte sie am hiesigen Stadttheater ihre erste Hauptrolle. Dass einige Zuschauer zwei der Protagonisten auf der Bühne auch eher aus einer anderen Umgebung kannten, bewiesen die „Dittsche“- und „Ingo“-Rufe, doch heute Abend sollte es um ernsthaften Country gehen, wenngleich Ringofire und The Flame mit ihren launigen Ansagen ihr komödiantisches Talent nicht verbargen. Musikalisches Können bewies auf jeden Fall auch die Band. Uwe „Friendly“ Frenzel (doublebass & vocals) sorgte für einen kräftigen Bass und Markus „Fastfinger“ Schmidt (electric guitar & banjo) machte an den Saiteninstrumenten seinem Namen alle Ehre. „Gentle On My Mind“ ließ das Publikum zum ersten Mal kräftig mitklatschen und viele werden sich noch an die 80er Jahre-Vorabendserie „Ein Colt für alle Fälle“ erinnert haben, deren Hauptdarsteller Lee Majors einst „The Unknown Stuntman“ intonierte, das jetzt in neuem Gewand die Zuhörer erfreute. Auch Miss Janes Version von MADONNAs „Like A Virgin“ fand großen Anklang, schließlich waren die Anwesenden ja auch froh, zumindest für einen Abend der „sozialen Isolation“ entkommen zu sein, in der sich Country-Anhänger üblicherweise befinden, wie Jonny „The Flame“ Olsen vermutete. Entsprechend wurde „Eastbound And Down“ bereits abgefeiert, was bei „Kiss“ mit heftigem Klatschen noch gesteigert wurde. Zu „Smoke, Smoke, Smoke That Cigarette“ schwang Jane ihren Petticoat und der Bass groovte. Ganz anders sah’s beim stimmungsvollen Blue Grass-Song „On The Old Kentucky Shore“ aus, den sie auf einem Hocker sitzend und von einem Strahler in Szene gesetzt zum Besten gab, während der Rest der Bühne im Dunkeln lag. Beim nächsten Titel bediente die Australierin sich im Repertoire ihres Landsmannes JOHN FARNHAM, dann verließ Olli „Ringofire“ Dittich seine Schießbude und übernahm selbst das Mikro und trug zwei BEATLES-Songs vor. Als nächstes sollte ein Stück folgen, welches von einer Person stammt, die „früher ein glücklicher, schwarzer Junge und jetzt eine unglückliche, weiße Frau ist“ (O-Ton The Flame). Natürlich konnte nur von „Man In The Mirror“ von MICHAEL JACKSON die Rede sein. Ein weiteres Highlight war die „Dancing Queen“-Interpretation des Sextetts, bei dem Jane und Jonny ein Tänzchen wagten. Im Anschluss hatte man sich DEPECHE MODEs „Enjoy The Silence“ vorgenommen, das allerdings als einziges nicht so recht ins Country-Korsett passen wollte. Ganz anders „Over The Mountains“, das schon viele Coverversionen gesehen hat. Hier gab es tolle Instrumentaleinlagen, besonders der Kontrabass begeisterte. „Walk On The Wild Side“ wurde nach fast 90 Minuten Spielzeit als letztes Lied angekündigt, was beim Publikum noch mal alle Kraftreserven mobilisierte, und so wurde vor allem bei den Soloeinlagen der einzelnen Musiker heftigst mitgeklatscht und applaudiert.
Zwar waren schon fast 90 Minuten vergangen, aber ohne eine Zugabe hätten TEXAS LIGHTNING kaum ihre Tour beenden können und entsprechend kam Nils Tuxen schon bald zurück auf die Bühne und zeigte, dass man einer Pedal Steel Guitar auch leicht jazzige Töne entlocken kann. Wenig später kamen auch die übrigen Herren zurück und es gab mit „Godfather“ noch einmal einen richtigen Westernsong auf die Ohren. Doch wo war der weibliche Teil von TEXAS LIGHTNING geblieben? Schließlich hatte sie doch versprochen, noch „No No Never“, den Grand Prix-Titel, zu singen! Und das tat sie dann auch. Jetzt allerdings im rosafarbenen Spitzenkleid und pinkfarbenen Glitzerstiefeln. Im Saal gab es wohl niemanden, der diesen Song nicht kannte und so sangen Hunderte aus vollem Halse mit. Gefolgt wurde die Platin-Single vom neuesten Werk des Quintetts „I Promise“. Ein weiteres Mal durften die Ostwestfalen – pardon: Texaner – ihre Sangeskünste bei „Highway To Hell“ unter Beweis stellen, dann verließen die Sechs ein weiteres Mal die Bühnenbretter. Ganz eindeutig fehlte zum Abschluss der Tour aber noch der Dank an die gesamte Crew und so traten TEXAS LIGHTNING noch ein weiteres Mal vor ihr Auditorium und bedankten sich bei allen, die zum Gelingen der einjährigen Rundreise beigetragen hatten. Auch ein Geburtstagskind gehörte dazu, das sich wenig später über ein stimmgewaltiges Ständchen aller Anwesenden freuen durfte. Der Titel „All The Way Home“ zeigte, dass es langsam Zeit wurde, sich auf den Heimweg zu machen und so nutzte man noch einmal ausgiebig die Gelegenheit und feierte den Song ebenso wie das folgende „Jackson“ frenetisch ab. Zum Schluss erteilte Jane noch die Aufforderung zum Kuscheln und zu „Blue Bayou“ verwandelte sich der nüchterne Ringlokschuppen in ein Meer aus Feuerzeugen. Während TEXAS LIGHTNING noch zu einem letzten Gruppenbild Aufstellung nahmen (die Herren kniend, die Dame mit einem Fuß auf dem Knie von Markus „Fastfinger“ Schmidt stehend) schwoll ein nicht enden wollender, ohrenbetäubender Beifall an, der erst abebbte als nach mehr als zwei Stunden feinster Country Musik die eingeschaltete Deckenbeleuchtung die Zuschauer in die Wirklichkeit zurückholte.
Drei Sachen haben TEXAS LIGHTNING an diesem Abend eindrucksvoll bewiesen: 1. sind alle Akteure wirkliche Könner an ihren Instrumenten bzw. verfügen über ausdrucksstarke Stimmen (immerhin ist Lady Jane auch Gesangslehrerin an der Hamburger Musikhochschule), 2. ist Country absolut zeitgemäß, keinesfalls verstaubt und bietet bei TEXAS LIGHTNING neben den „Originalen“ auch sehr interessante Coverversionen und 3. verstehen Olli Dittrich und Jon Flemming Olsen auch zwischen den Songs bestens zu unterhalten. Was hier geboten wurde, war keine Verulkung von Songs im Country-Stil, sondern beste handgemachte Country Musik mit ganz viel Herz.
Setlist
Bad Case Of Loving You (Moon Martin)
Man Of Constant Sorrow (Soggy Bottom Boys)
Gentle On My Mind (Tammy Wynette)
The Unknown Stuntman (Lee Majors)
Like A Virgin (Madonna)
Eastbound And Down (Jerry Reed)
Kiss (Prince)
Smoke, Smoke, Smoke That Cigarette (Commander Cody)
On The Old Kentucky Shore (Bill Monroe)
The Voice (John Farnham)
Norwegian Wood (The Beatles)
Ticket To Ride (The Beatles)
Man In The Mirror (Michael Jackson)
Dancing Queen (Abba)
Enjoy the Silence (Depeche Mode)
C’est la vie (you never can tell) (Emmylou Harris)
Over The Mountains (Über den Wolken) (Reinhard Mey)
Walk On The Wild Side (Lou Reed)
Godfather (Love Theme) (Nino Rota)
No No Never (Jane Comerford)
I Promise
Highway To Hell (AC DC)
All The Way Home (Spinal Tap)
Jackson (Johnny Cash & June Carter)
Blue Bayou (Linda Ronstadt)
(Anm.: Die Namen in Klammern stehen nicht unbedingt für die Autoren der Songs, sondern zum Teil auch für die Interpreten, deren Versionen TEXAS LIGHTNING inspiriert haben.)
Copyright Fotos: Jörg Rambow
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