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TEXAS LIGHTNING

Ort: Osnabrück - Stadthalle

Datum: 16.02.2007

1955: Nachkriegsdeutschland ist wieder aufgebaut, überall entstanden Eigenheime und kleine Kinder sagten mit leuchtenden Augen: „Papi, wenn ich mal groß bin, dann will ich auch ein Spießer werden!“ 2007: Stadthalle Osnabrück, die Kinder von damals sind heute zwischen 50 und 60 Jahre alt und ihr Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Um dies zu feiern gehen sie gemeinsam in die Stadthalle Osnabrück, um sich TEXAS LIGHTNING anzuschauen und warteten bereits gespannt, als ich kurz vor 20.00 Uhr den Kongresssaal betrat. Eine Absperrung zur Bühne gab es nicht, somit auch keinen Fotograben und des gesetzteren Publikums wegen fragte ich mich ganz höflich Richtung Bühne. Irgendwann blieb ich stehen, Platz gab es genug, doch da hatte ich die Damen und Herren falsch eingeschätzt: „So nicht mein Freund! Ich hab Dich nicht durchgelassen, damit Du hier im Weg stehst. Wenn Du nach vorne willst, musst Du eben eher kommen.“ Nun gut, ich betonte, nicht sein Freund zu sein, das „Sie“ zu bevorzugen und entschuldigte mich, den reservierten Stehplatz nicht wegnehmen zu wollen. Schnell wechselte ich zur anderen Seite des Saales und beschloss, den nächsten Versuch erst bei Beginn des Konzertes zu unternehmen. Derweil konnte ich lustigen Gesprächen beiwohnen, die sich allesamt um den unverschämten Veranstalter und die arrogante Band drehten, die es doch wagten, das Konzert um bereits 20.15 Uhr immer noch nicht beginnen zu lassen, da hätte man ja gleich 20.30 Uhr angeben können, dann müsste man nicht so doof hier herumstehen. Außerdem hätte man ja zuhause Bescheid gesagt und könnte nicht die ganze Nacht wegbleiben. Diese Probleme schienen die leider sehr spärlich gesäten echten Country-Fans mit standesgerechten Stetsons nicht zu haben und nutzten die Zeit sinnvoll, um noch einen oder auch mehrere Pappbecher Bier zu trinken (Sekt gab es in Gläsern). Immerhin schienen sich andere noch an ihr letztes Konzert (Woodstock?) erinnern zu können und klatschten und riefen schon mal los. Stimmung konnte dennoch nicht wirklich aufkommen. Ich fühlte mich arg fehl am Platze und war froh, dass es gegen 20.30 Uhr endlich losging und die Band die im besten Western-Style präparierte Bühne betrat, auf der ein durch roten Laser beleuchtetes Lagerfeuer brannte und einige mit grünen Lichterketten geschmückte Kakteen standen.

Sollten sie doch motzen, ich ging zielstrebig nach vorne und fand mehrere Löcher im Publikum und kam problemlos an eine für mich fototechnisch sehr günstige Position, während die Band indes mit „Bad Case of Loving You“ ihr Set eröffnete. Der kleinen Caroline war die Musik wohl sichtbar zu laut, darum bekam sie auf Bitten von Sängerin Miss Jane Comerford prompt von einem Tontechniker Ohrstöpsel geliefert. Ansonsten gab es aber an dem Sound der Band überhaupt gar nichts zu meckern. Außer… irgendwie schien der Band selbst der Sound noch etwas zu dünn zu wirken und so baten sie als Gast Nils Tuxen, den Pedal-Steeler überhaupt, dem auch viele TRUCK STOP-Platten bereits ihren Sound verdanken, auf die Bühne. Überhaupt wurden alle die, die immer noch dachten, TEXAS LIGHTNING sei irgendein Fun-Projekt von TV-Spaßvogel Olli „Ring Of Fire“ Dittrich eines Besseren belehrt. Die fünf Ehrenbürger Texas’ und ihr Gast performten Songs quer durch die Musikgeschichte, als seien diese nur dafür geschrieben worden im Country-Stil gecovert zu werden. Als die Band ihr viertes Lied anstimmte, schossen Tränen der Nostalgie in meine Augen, „The Unknown Stuntman“ war schließlich der Titelsong der Lieblings-TV-Serie eines jeden Jungen meiner Generation. Dass aber auch neueres Liedgut im Country-Gewand gekleidet wunderbar funktionieren kann, bewies die Band beim darauffolgenden „Like A Virgin“ von MADONNA. Kurze Zeit später folge ein von Dittsche aufgegebenes Rätsel um einen ehemals deutschen Song, den die Band zunächst ins Englische übersetzt und dann so gecovert habe, dass man ihn selbst nicht mehr wiedererkennen würde. Die Rede war von ROSENSTOLZ’„Ich bin ich“ („This Is Me“). Gleiches Schicksal sollte einige Zeit später auch REINHARD MEYs „Über den Wolken“ („Over The Mountain“) widerfahren. Und so spielte man sich munter durch Jahrzehnte, Genres und Kontinente. Eine besondere Ankündigung erfuhr der Song „You´re The Voice“ von JOHN FARNHAM, eines Landmannes der aus Australien stammenden, charmanten Sängerin mit der Wahlheimat Deutschland. Doch sollte auch der Spaß dank Olli Dittrich nicht zu kurz kommen und als er sein Schlagzeug verließ, um eine Gitarre zu ergreifen, die ihm der Roady „Ramon The Ratte“ hinhielt, verriet er, jeden Abend einen neuen Namen parat zu haben und sinnierte, aus welchem „Tim und Struppi“-Comic er den Namen geklaut habe. Auch bei „Man In The Mirror“ stellte Olli den Künstler mit einigen bissigen Kommentaren vor: „ Er hat eine Entwicklung vom schwarzen, glücklichen Jungen zur weißen, unglücklichen Frau durchlebt und lebt jetzt in einem mit Chinchillas ausgeschlagenen Bauwagen in der Nähe von Bahrein“. Ganz großes Kino war auch die ABBA-Adaption „Dancing Queen“, bei der mancher Zuschauer bei der Textzeile „young and sweet, only 17“ wehmütig an seine Jugend zurückdachte. Das gesamte Konzert wechselte Nils Tuxen zwischen Steel Pedal und verschiedenen Saiteninstrumenten und spielte herrlich gut zusammen mit Markus „Fastfinger“ Schmidt, der einige gute Gitarrensoli zum Besten gab. Doch auch auf der anderen Bühnenseite konnten sowohl Uwe „Friendly“ Frenzel an seinem mit Sheriff-Stern gepiercten Kontrabaß als auch Jonny „The Flame“ Olsen an der Gitarre und mit unverwechselbarem Gesang glänzend überzeugen. Richtig gut wurde das Ganze durch das perfekte Zusammenspiel und das Publikum honorierte dies nach jedem Song mit ausgiebigem Applaus. TEXAS LIGHTNING verabschiedeten sich mit „Walk On The Wild Side“ für kurze Zeit, um dann den Zugabe-Rufen folgend zurückzukehren und nach dem Godfather-Thema ihren größten Hit „No No Never“ zu performen. Miss Jane Comerford nun im rosa Kleid und ein bisschen (zurecht) divenhaft. Um den zweiten Zugabenteil zu beginnen, verließ man die Bühne erst gar nicht und stimmt erstaunlicherweise „Highway To Hell“ an, das wie ich gestehen muss, auch country-like eine gute Figur macht. Was mich dann aber doch arg erstaunte: Das spießige Publikum, das sich beschwerte, weil die Band 20 Minuten zu spät auf die Bühne kam, grölte auf einmal lauthals AC/DC mit. Zum Schluss war dann aber „time to kuschel“, die Band verlangte Feuerzeuge und spielte als letzten Song „Blue Bayou“, um dann im kollektiven Applaus zu baden (die Personen, die es anfangs so eilig hatten, verließen den Saal nun einfach nicht mehr).

Eine alles in allem mehr als überzeugende, knapp über 2 Stunden dauernde Show, die gewiss Lust auf mehr gemacht hat. Ich hatte die Setlist dank eines Tontechnikers fotografieren dürfen und verließ, da nichts mehr aufgeführt war, die Stadthalle, konnte aber dann von draußen durch die Glasfront sehen, dass die Band scheinbar dem Publikum nachgegeben hatte und doch noch spontan eine weitere Zugabe spielte.

Setlist TEXAS LIGHTNING
Bad case of loving you
Man of constant sorrow
Gentle on my mind
The unknown stuntman
Like a virgin
East bound and down
This is me
Smoke, smoke smoke
On the old Kentucky shore
You´re the voice
Norwegian wood
Ticket to ride
Man in the mirrow
Dancing queen
Enjoy the silence
C´est la vie
Over the mountains
Walk on the wild side

The Godfather
No no never
Kiss

Highway to hell
All the way home
Blue Bayou

Copyright Fotos: Karsten Rzehak

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