Ort: München – Feierwerk (Hansa 39)
Datum: 04.10.2013
Freitagabend, 19:30. Der Parkplatz vorm Feierwerk ist… leer? Moment, wo sind die alle? Hier und da tummeln sich im Halbdunkel des kalten Herbstabends ein paar schwarze Gestalten, sonst leider gähnendes Nichts. Aber ganz sicher, THE BLACK DAHLIA MURDER samt REVOCATION und ABORTED – dieser mörderhafte Einstieg ins Wochenende soll heute Abend hier ordentlich rumpeln. Als raus aus dem Auto und rein in den Tanzsaal. Die coole Location mit einer zu zwei Seiten offenen, fast ebenerdigen Bühne lässt das Herz vor Mosh- und Pogofreude hüpfen. Das einzige, was vereinzelt bereits anwesenden Metalheads noch fehlt, sind weitere schubswütige und tragende Kollegen.
Das merken dann auch REVOCATION, die Punkt 19:30 Anlauf nehmen und schon fast gemütlich klampfend ihre Hintern vom Rand ins Zentrum der Bühne bewegen. Über 13 Jahre macht das Trio aus Boston, ehemals als CRYPTIC WARNING gestartet, mit einer anhörlichen Mischung aus Technical Death und Thrash Metal, Metalcore, Prog und Grindcore von sich reden. Seit diesem Jahr nun auch endlich mit dem selbstbetitelten Album „Revocation“, das es zu promoten gilt und einem vierten Gitarristen an Bord für noch mehr technisches Gezupfe. Also nichts wie los und Dampf ablassen. Das funktioniert von Beginn an ganz wunderbar. Denn die wenigen bisher anwesenden metallischen Jungs und Mädels scheinen glühende Verehrer der durchaus ansehnlichen Schlagerparade zu sein und wirbeln unaufgefordert in den ersten Moshpit des noch jungen Abends. Die Setlist der Langhaarträger rund um Mastermind und Ausnahmeklampfer David Davidson beeindruckt durch dissonante Riffs, verschachtelte Gitarre-Bass-Kombinationen und wahnsinnig tighte Drums. Wer braucht schon eingängige Melodien und groovige Refrains der Vorgänger LP „Chaos of Forms“? Gerade bei den Songs der neuen Scheibe haben REVOCATION jeglichen Ohrwurmcharakter zugunsten von Technik und Anspruch über Bord geworfen. Nichts für Nebenbei-Haare-Schüttler, sondern echte Achterbahn-Junkies mit ganz viel Bock auf progressiv technische Loopings.
Eine halbe Stunde später ist Schluss mit hörbarem Anspruch und die mittlerweile gut angewachsene Menge warm für die anschließenden ABORTED, die das Feierwerk gegen 20:20 erneut befeuern. Die belgischen Death Metaller sind seit 2012 endlich in mehr oder wenig konstanter Besetzung unterwegs, schließlich ist die Liste ehemaliger Mitglieder mittlerweile länger als ihr gesamter Bandeintrag der Enzyclopaedia Metallum. Trotz anfänglicher technischer Probleme stimmt die Chemie zwischen den Musikern und verspricht echtes, todbringendes Gegrunze mit unglaublich viel Energie. Das letzte, 2012 erschienene Album „Global Flatline“ dominiert zu Recht die Setlist dieses Abends und lässt der Menge williger Kuttenträger genügend musikalisches Material zum Moshen, Pogen und Circlepitisieren. Angefeuert durch „ABORTED“-Rufe aus dem Publikum machen sich die fünf Gestalten mit spürbarer Spielfreude ganz im Stil von DYING FETUS oder den großartigen CARCASS gegenseitig Dampf unterm (haarigem) Haupt. Das weiß selbst der mittlerweile vom Oktoberfest eingekehrte Metaller in Lederhosen frenetisch pogend zu würdigen. Der euphorischen Aufforderung von Fronter Sven de Caluwe folgen schließlich gegen Ende des 45-minütigen Gigs allerhand verschwitzte Metaller auf die Bühne, die die Wall of Death der restlichen Anhängerschaft vor ihrer Nase mit amtlichem Haareschütteln quittieren. Wenn das kein gelungenes Warm-up für die anschließenden THE BLACK DAHLIA MURDER ist.
Glücklicherweise haben selbige nach einer Tour mit CANNIBAL CORPSE zu Anfang dieses Jahres noch einmal den Weg ins konservative gute alte Metal-Europa gefunden, um mit ihrer neuen Langgrille „Everblack“ die Haare rund um die Lauscher der geneigten Zuhörerschaft in ekstatische Bewegung zu versetzen. Seit sie mit „Nocturnal“ vor fünf Jahren den wohlverdienten Durchbruch erreichten, geht es karrieretechnisch steil voran mit den wohl skandinavistischsten melodischen Todesbringern US-amerikanischer Herkunft. Mit den letzten Alben haben sie wie keine andere Band den Death Metal nach Belieben dominiert. Deshalb spitzen die heute anwesenden Liebhaber (un)gepflegten Geknüppels neugierig die Lauscher, als THE BLACK DAHLIA MURDER gegen 21.20 erneut ihr Können unter Beweis stellen. Frontsau Trevor Strnad gehen Eigenschaften wie Zurückhaltung und Unauffälligkeit ja bekanntlich völlig ab. Deshalb also ab in die Menge und auf Tuchfühlung zum mittlerweile zahlreich vorhandenen BLACK DAHLIA-Anhang! Nichts anderes hat dieser erwartet und stürzt sich zum Opener „In Hell Is Where She Waits For Me“ enthusiastisch in den ersten Cerclepit des Gigs. Zum Glück lassen auch lieb gewonnene Traditionen nicht lange auf sich warten. Als Trevor sich wie üblich zu „Everything Went Black“ seiner Oberbekleidung entledigt und der Schar bereits verschwitzter Leiber zu „Everything Went Black“ „some more action“ abverlangt, ist klar, morgen gibt es Muskelkater – auch für die Stimmbänder. Zwischen all dem fast epileptisch wirkenden Extremitäten-Verzückungen, Stagediven und Geschubse fällt auf: TBDM haben technisch so einiges vorzuweisen. Brutale, fingerfertige Riffs und eine treibende Leadarbeit. Eschbach und sein Klampfenkollege Ryan Knight geben alles, verausgaben sich über die Maßen und stehen Fronter Strnad in der Schweißproduktion in nichts nach. Spielfreude pur peitscht die mittlerweile dampfende Meute weiter zu den neuen „Everblack“-Songs wie „Every Rope a Noose „, „Phantom Limb Masturbation“ oder „Raped in Hatred by Vines of Thorn“, dem Herzstück der neuen Platte.
Mit spielerischer Gelassenheit meistern THE BLACK DAHLIA MURDER alle hochtechnischen Passagen und rasiermesserscharfen Hooks, übertreffen sich quasi selbst in Ihrer hinzugewonnenen Virtuosität, während Rampensau Strnad mit seinen Growls und Screams der Menge gekonnt weiter einheizt. Und dieses Getrommle! In allerbester nordischer Tradition rührt das 23-jährige Wunderkind Alan Cassidy die Kessel, ein echter Glücksgriff für die US-Amerikaner. Nach gut 70 Minuten Spielzeit – was für amerikanische Bands echt ordentlich ist – läuten die Todes-Helden mit „Map Of Scars“ leider schon das Ende des Gigs ein. Zurück bleiben leuchtende Augen, taube Ohren, klatschnasse Haare, ordentlich blaue Flecke und ob dieses MURDER-Hammers eine zutiefst beeindruckte Weißwurst-Metropole. Die-Hard Fanzuwachs garantiert!
Setlist THE BLACK DAHLIA MURDER
In Hell Is Where She Waits for Me
Goat of Departure
Everything Went Black
On Stirring Seas of Salted Blood
Statutory Ape
Every Rope a Noose
Phantom Limb Masturbation
Moonlight Equilibrium
Funeral Thirst
Closed Casket Requiem
Raped in Hatred by Vines of Thorn
Into the Everblack
Necropolis
Deathmask Divine
I Will Return
Map of Scars
Sound: REVOCATION hatten Glück, ABORTED den Rest vom Schützenfest, THE BLACK DAHLIA MURDER haben den Brei einfach weggespielt.
Publikum: RESPEKT! 80 % wahre Stagedive-Profis, 20% lernen noch und halten sich dabei die schweißnasse Birne.
Vom Konzert gelernt: NEIN, Trevor, Du kriegst auch heute leider kein Foto…
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