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THE HUMAN LEAGUE – UMBRA ET IMAGO

Ort: Leipzig WGT agra-Halle

Datum: 15.05.2005

Vor dem eigentlichen Höhepunkt an diesem Sonntag in der Agra-Halle (aus meiner persönlichen Sicht) galt es zunächst noch, ein „Unterhaltungsprogramm“ zu absolvieren, dass platter und populistischer kaum hätte sein können. Wer kennt ihn nicht, unseren „Sex-Papst“ Mozart von UMBRA ET IMAGO. Publikumsmagnet ist diese Band in erster Linie wohl nicht aufgrund ihrer herausragenden musikalischen Qualitäten, sondern aufgrund der optischen Reize, die ihre Shows bieten. Als Mozart Anfang der 90er Jahre sein ursprüngliches Projekt ELECTRIC AVANTGARDE an den Nagel hing und mit UMBRA ET IMAGO startete, nutzte er eine Marktlücke innerhalb der Gothic-Szene – mal abgesehen von Acts ala DIE FORM, die bereits lange Zeit, bevor sie dem „Gothic“ zugerechnet wurden, schon mit S/M-Elementen arbeiteten, zielten UMBRA ET IMAGO von Beginn an mit ihren Lack- und Leder-Performances auf das schwarze Publikum und trafen damit auch ins Schwarze (ob es einem nun gefällt oder nicht).

Zeitgeist-Trittbrettfahrerei kommt an: Und so begegnete uns ein Mozart im Gewand eines katholischen Geistlichen (ob es zur Garderobe eines Papstes gehört, vermag ich als Nicht-Katholik nicht zu sagen) und proklamierte selbstüberzeugt: „Ich will Papst werden!“ Und weiter: „Ich bin auch Bayer! Man nennt mich auch den Sex-Papst!“ – Tja, was soll man dazu noch sagen… Auch im Umgang mit dem Publikum ist Mozart nicht zimperlich: „Ihr Wichser da links, könnt Ihr auch ein bisschen lauter „Alarm“ brüllen ! – Ja, Ihr Wichser da rechts macht das schon ganz gut!“ Natürlich durften auch die leicht bekleideten Mädels in der Show nicht fehlen – wie immer an ein Gerüst gefesselt und mit zaghaft angedeuteten Auspeitsch-Ritualen „bearbeitet“. Es war halt eine „Massenveranstaltung“, ich möchte nicht wissen, was auf den „geschlossenen Fetish-Events“ dieser Band passiert, bei denen dann natürlich der „strictly dress-code“ gilt. Vor allem finde ich es als jemand, der als Darmgeschädigter ab und an echte Probleme mit einem brennenden Hinterteil hat, reichlich seltsam, wenn sich junge Frauen freiwillig brennende Wunderkerzen in den Hintern schieben lassen (nein, dann doch nicht mit dem brennenden Ende in den Popo!), und dabei dann möglicherweise irgendwie Lust empfinden – also ich für meinen Teil wäre dieses unangenehme Kribbeln lieber los ! 😉

Von einer günstigen Startposition aus war es nach der Erotik-Show nun ein Leichtes, an vorderste Stelle der Bühne zu gelangen, machten eine ganze Reihe von Gaffern nun den Platz an dort frei. Sicher, bei den etwas anders gestylten, im „gesetzten Alter“ befindlichen Sheffieldern war soviel „Offenheit“ nicht zu erwarten. Das Manko der Agrahalle war und ist, dass man aus der Entfernung nicht nur einen schlechten Blick auf das Bühnengeschehen hat, sondern auch, dass der Sound im Grunde nur in den ersten 10 Reihen einigermaßen vernünftig rüberkommt. Demzufolge war es für mich ein Muss, in „Genussreichweite“ zu gelangen. Die Mühen haben sich erneut gelohnt: Zu den Klängen von „Seconds“ vom 82er Erfolgsalbum „Dare!“ (und gleichzeitig der B-Seite der „Don’t You Want Me“-Single) betrat ein zunächst etwas skeptisch-konzentriert dreinblickender, glatzköpfiger Philip Oakey die Szenerie. Zum darauf folgenden 84er Hit „The Lebanon“ (zu der sich dann auch die bekannte Guitar Line gesellte) folgten seine zwei langjährigen Mitstreiterinnen und Backing Vocalists Joanne Catherall und Susanne Gayle (geb.Sulley) – klassische Aufstellung: Susanne (die Blonde) zu seiner Linken, Joanne (die Schwarzhaarige) zu seiner Rechten. Dazu einige jüngere Begleitmusiker an den Keys im Hintergrund.

Etwas merkwürdig mutete zunächst Philips laufstegartiges Auf- und Abschreiten der Bühne an, letztendlich behielt er so aber den gesamten Publikumsraum im Überblick und bemühte sich damit redlich, Bewegung in die Show zu bringen – denn im allgemeinen wirkte er schon so als hätte er einen Stock im Hintern 😉 Doch die Stimme machte dies alles wieder wett – wie in alten Tagen! Keine Aussetzer, kein daneben liegender Ton, glasklar, alles saß! Es sollte auch nicht unerwähnt bleiben, dass Philip dieses Jahr im Oktober seinen 50.Geburtstag feiern wird. Insofern gebührt ihm aller Respekt! Zumindest Susanne war da doch noch etwas lockerer in den Hüften, wobei ihr ihre immer noch beneidenswerte Figur sicher zupass kommt. Joanne hatte es da schon etwas schwieriger, überspielte das aber so gut es ging. Es wurde eine Reise zurück in die goldene Zeit der 80er Jahre und enthielt alles, was das Herz begehrt: „Open Your Heart“, „Mirror Man“, „Empire State Human“ (vom 78er Debut-Album – cool!), „Human“, „Heart Like A Wheel“, „Sound Of The Crowd“, „Love Action“, „(Keep Feeling) Fascination“, „Don’t You Want Me“, „Being Boiled“ und als letzte Zugabe sogar noch das (eigentlich etwas schmalzig anmutende, aber nicht minder schöne) „Together In Electric Dreams“, das Philip einst zusammen mit Giorgio Moroder komponierte (mein Gott, da musste man echt heulen, das war ja sooo schrecklich nostalgisch!). Auch wenn der rund 75-minütige Gig eine fast ausnahmslose Hit-Compilation war: Man war zu Tränen gerührt, fühlte sich doch für einige Momente wieder wie 14!

Immerhin : Einen ganz neuen Song gab es auch – ganz im gewohnten Stil, so dass er sich bestens in die Tracklist einfügte. Selbst kleinere Probleme mit Philips Funk-Mikro meisterte dieser mit erfahrener Gelassenheit. Man sei ja schließlich seit 1978 aktiv, käme also noch aus der Punk-Ära, da seien solche Probleme an der Tagesordnung gewesen. Zum Ende hin lockerten sich auch Philips Gesichtszüge deutlich, nachdem der Zuspruch seitens des Publikums überwältigend war und zu „Together In Electric Dreams“ gab es schließlich sogar Shakehands mit den Fans in den ersten Reihen.

Einen schöneren Abschluss des dritten WGT-Tages 2005 konnte es nicht geben – ein wahrer Höhepunkt! Allerdings warf er auch wieder die Frage auf, wie hoch wohl mittlerweile das Durchschnittsalter der WGT-Besucher sein möge. Auch die anderen diesjährigen Mitternachts-Specials (DIE KRUPPS, VISAGE) ließen vermuten, ein Gros der Leipzig-Pilgerer sei doch inzwischen weit jenseits der 30 angelangt… Wickeltische und Treffen-Kindergarten unterstrichen dies zusätzlich…

Copyright Fotos: Sandro Griesbach/ Claudia Schöne
www.claudia-schoene.de/
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