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THE POPS

Ort: Osnabrück - Rosenhof

Datum: 25.11.2006

Wer den diesjährigen Besuch der Familie Popolski auf der Osnabrücker Maiwoche verpasst hatte, erhielt heute erneut die Gelegenheit, die ganze Wahrheit über die Herkunft von mehr als 128.000 Top-Ten-Hits zu erfahren. Bei milden 15 °C Außentemperatur hätte man das Konzert fast wieder open air veranstalten können, unvorstellbar, dass Osnabrück genau ein Jahr vorher in einem Schneechaos versunken war. Doch zurück zu den POPS, jener Kapelle aus dem polnischen Zabrze, deren Großvater Piotrek Popolski der Schöpfer unzähliger Tophits ist, was allerdings bisher weitgehend unbekannt war. Im Grunde war es sogar Piotrek, der auf dem Heimweg vom Pfarrfest in Pyskowice nach dem Genuss von 22 Wodka auf das Wohl der Jungfrau Maria, die Popmusik erfunden hat.

Zumindest die gut 300 Gäste im Rosenhof wissen jetzt dank deutsch-polnischsprachiger Einführung aus dem off inklusive reich bebildeter Dia-Show gleich zu Beginn der Show Bescheid über die Familiengeschichte der überaus musikalischen Popolski-Sippe. Und so enterte auch umgehend die dritte Generation die Bühne und gab eine polnische Version von „Back In The USSR“ zum Besten. Natürlich stammt auch dieser Song vom seligen Opa und nicht – wie man der Welt glauben machen will – von den BEATLES. Es folgte die Vorstellung der Kapelle, bestehend aus den Brüdern Pavel (Schlagzeug), dem blinden Danusz an Piano, Harmonium, Trompete, Kazoo, Akkordeon und Gesang, Mirek (Gitarre) und dem äußerst schüchternen Nesthäkchen Janusz am Bass. Außerdem mit auf Tour: Cousin Andrzej Popolsiki, zu recht „Der schöne Andrzej“ genannt, die heißblütige Cousine Dorota (Die Rote Dorota) am Gesang (Polens schärfster Exportartikel seit der Erfindung des 46%igen Wodkas und 14malige Miss Zabrze in Folge) und die beiden eineiigen und äußerst trinkfreudigen Zwillinge Henjek & Stenjek (The Dobrze Horns). Ihres Zeichens die lieben Onkel am Gebläse, die viele Hits für die polnische Kavallerie geschrieben haben und in ihren karierten Sakkos modische Highlights setzten. Aber auch der schöne Andrzej vermochte in seinem weinroten Anzug mit lachsrosafarbenem Rüschenhemd zu gefallen, ebenso Mirek in sexy Lederjacke und schmuckem Fellschal. Pavel und Janusz wirkten in ihren Pullundern vielleicht nicht wie Popstars, wissen sich aber ohne Zweifel zu kleiden. Danusz muss man vielleicht ob seines fehlenden Augenlichtes die eine oder andere Modesünde verzeihen, aber auch er war an diesem Abend korrekt angezogen. Dass die Popolskis gute Gastgeber sind, bewiesen sie mit einer Runde Wodka, die sie eigenhändig im Publikum verteilten und selbiges gleich in die Geheimnisse polnischer Trinkkultur einweihten. Vom Wodka innerlich vorgewärmt sollte den Zuschauern nunmehr auch durch die dargebotenen Klänge warm werden. „What’s Up“, einst von den unbedeutenden 4 NON BLONDES gecovert, ließ die Temperaturen im Rosenhof steigen und für zusätzliche Hitze sorgte bei den Damen Andrzejs kreisendes Becken. Auch die Herren bekamen etwas fürs Auge geboten. Nachdem Cousine Darota vermittels Fotoleinwand ausführlich vorgestellt worden war, betrat der Ostblock-Vamp im roten Paillettenkleid der polnischen Modezaren „Dolzki & Gabanski“ die Bühne und brachte die Männer zum Rasen. Das vermeintlich starke Geschlecht fraß Dorota aus der Hand und sang ihr willig im Falsett nach. Fürs Herz gab es dann die Ballade „Großer Bruder“, die Danusz, der bekanntermaßen die schönsten Herz-Schmerz-Songs macht, für seinen großen Bruder Pavel geschrieben hat, als dieser mit einem üblen Brech-Durchfall das Bett hüten musste. Natürlich performte Danusz seine Liebeserklärung selbst und tat dies ungleich überzeugender als die „Big Brother“-Chargen Zlatko und Jürgen, die sich einst an dieser jazzig angehauchten Nummer vergangen hatten. Fast wäre Danusz von der Bühne gefallen, aber die treusorgende Familie hatte stets ein Auge auf ihn und konnte so seinen Absturz verhindern.

Dass ihr Großvater nicht nur ein begnadeter Komponist, sondern ein ebenso großer Vertreter der modernen Malerei war, zeigten die an die Wand geworfenen Bilder „Zabrze bei Nacht“, „Der Bahnübergang“, „Der Schaschlik-Spieß“ und „Kleine tanzende Ente“. Letzteres inspirierte ihn zu einem Pop-Blasorchester-Song, der unter der Bezeichnung „Ententanz“ in einer sehr einfachen Variation bekannt ist. Das Hardcore-Bläser-Original hatte da ein ganz anderes Format und spätestens jetzt war klar, dass der freie Platz vor der Bühne keinesfalls etwas mit der Zurückhaltung der bunt gemischten Zuhörerschaft zwischen 20 und 60 zu tun hatte, sondern der Raum einfach zum ausgelassenen Polka tanzen benötigt wurde. Abermals wurden Dias gezeigt, diesmal von Opas sechswöchiger Überfahrt nach New York im Wodka-Container und wie er sich mit DEAN MARTIN und FRANK SINATRA auf den Weg macht, den King zu treffen, der natürlich auch Piotreks Songs sang. Leider verwehrte man ihm den Zutritt, aber das Schicksal hatte ein Einsehen und so trafen sich ELVIS und der polnische Hitgarant auf der Toilette des noblen Hilton-Hotels. Im Gedenken an dieses Ereignis gaben sich die ZLOTY SINGERS (Dorota & Danusz) die Ehre und brachten „Love Me Tender“ in der Bigband-Fassung zu Gehör. Beeindruckend auch die tänzerischen Einlagen der Zwillingsonkel. Ebenso beeindruckend war auch das Speed-Polka-Stück „I’m Outta Love“, das sich der windige Gebrauchtwagenhändler Olek Priszczewinski 1974 zusammen mir allen anderen Rechten an der Popolski-Musik unter den Nagel gerissen hat und so statt einer strahlenden Zukunft im Westen ein schäbiges Dasein in westlichen Fußgängerzonen einleitete. Während Olek und ANASTACIA sich eine goldene Nase verdienten, bezahlten die Popolski-Brüder teuer für ihre Gutgläubigkeit. Nachdem ausgiebig geschunkelt und getanzt worden war, brauchten die POPS eine kurze Wodka-Pause, da die Flaschen auf der Bühne zwischenzeitlich alle geleert worden waren und Flüssigkeitsverluste dringend ausgeglichen werden mussten. Ein Viertelstündchen später standen die Polen hackedicht wieder auf der Bühne und Dorota sang im natürlich roten Fransenminikleid über ihre ambivalenten Gefühle zu ihren diversen Gespielen. „Verdammt, ich lieb Dich“ hauchte sie in bester Bar-Sound-Manier ins Mikro und ließ vergessen, was MATHIAS REIM mit dieser Popperle angestellt hat. Unter welchen Widrigkeiten und Zufällen manchmal Hits entstehen, dokumentierten die Dias aus der Plattenbausiedlung, in der die Familie einst zuhause war. Aus den Geräuschen, die der Besenstiel an der Decke der unmusikalischen Nachbarin und das darauffolgende Werfen von Wodkaflaschen des sich im Suff gestört fühlenden Hausmeisters erzeugten, entstand kein geringerer Smash-Hit als „We Will Rock You“, mit dem sich QUEEN jahrzehntelang brüsteten. Nur echt ist aber die Polka-Version, die Sänger Andrzej im schwarzen Lack- und Lederoutfit intonierte. Abermals wurde es Zeit für eine Ballade und somit für den Einsatz des Keyboarders Danusz. Sein jazziges „Schöne Maid“ über die attraktive Nachbarin lässt einem Tränen der Rührung in die Augen steigen, so schön ist der Song. Gleiches gilt für die Engtanz-Show der beiden Bläser, die sich offensichtlich sehr nahe stehen. Was ist dagegen die Schlager-Verballhornung eines TONY MARSHALL? Ein weiteres – teilweise dunkles – Kapitel der Familienchronik sollte nun aufgeschlagen werden: Die Filmkarriere des schönen Andrzejs. Die präsentierten Filmplakate zu „Baywatzki“, „Pretty Andrzej“, „Vier Vodka für ein Halleluja“,“Politis“ und „Czipko, czipko, geht ab“ sprachen eine deutliche Sprache. Schnell war der Zenit des Erfolges erreicht und um über die Runden zu kommen, musste die polnische Antwort auf Conny Dachs Rollen in schmuddeligen Pornos übernehmen. Seine Erfahrungen in diesem knallharten Business hat der gutgebaute Sänger in dem Song „Porn To Be Alive“ verarbeitet, den er im silber-lilafarbenen Glitzer-Schlaghosen-Overall präsentierte. Gekonnt lasziv öffnete er bei dieser Darbietung den Reißverschluss und dürfte damit die Nachfrage nach Videos und DVDs seiner letzten Filme deutlich angekurbelt haben. Ein Übriges tat die Einblendung des nackten Andrzej, der sich in „American Beauty“-Manier auf Rosen räkelte. Doch eine weitere für die Menschheit bedeutende Episode musste noch erzählt werden. Nicht die Amerikaner waren als erste auf dem Mond. Nein, Opa Popolski ist ihnen vier Tage zuvorgekommen. Als Neil Armstrong am 21.07.1969 den Erdtrabanten betrat, fand er neben der polnischen Flagge auch leere Wodkaflaschen und polnische Gürkchen vor. Piotrek Popolski inspirierte der Ausflug ins All zu so schönen Liedern wie „Major Tom“, „Walking On The Moon“, „Moonlight Shadow“ oder „La Le Lu, nur der Mann im Mond schaut zu“. Besonders erwähnenswert: Die Ballade “The Final Countown“, die Dorota bittersüß im Federkleidchen ins Publikum hauchte, bis der Sound mit großem Bläsereinsatz in heiße Sambarhythmen wechselte. Sichtlich peinlich waren den POPS die Kompositionen des Bandkükens Janusz, der sich offenbar auch keineswegs nicht auf der Stage wohlfühlte. Von ihm stammen Songs wie „Das Lied der Schlümpfe“, „Schnappek, das kleine Krokodil“, „Viva Colonia“ oder „Cherry, Cherry Lady“, das ich bisher auf dem Sündenkonto von Dieter Bohlen wähnte. Nicht ohne Grund heißt es „Dieter Bohlen hat gestohlen alle Hits in Polen“. Wie es schien, schämt sich auch Bassist Janusz dieser Version seines Titels über die schöne Kirschenhändlerin vom Wochenmarkt und so verteilte er eine korrigierte Fassung an seine Familie und Bandkollegen, war aber so schüchtern, dass ihm erst eine halbe Flasche Wodka eingetrichtert werden musste, bevor er loslegen konnte. Was er dann aber auch so richtig tat. Welche Verwandlung! Plötzlich riss er sich Pullunder und Hemd vom Körper und ließ das Tier raus. Ich verlange, dass sämtliche Songs, die angeblich von MODERN TALKING stammen, als Metal-Crossover-Tracks neu aufgelegt werden! Die Stimmung im Saal kochte, da stand kein Bein mehr still und der Rosenhof wurde gerockt, dass es nur so eine Freude war. Selbst verwundert über die alkoholgeschwängerte Veränderung des verhuschten Janusz, wollten sich die POPS klammheimlich aus dem Staub machen, was das euphorische Publikum natürlich nicht zulassen konnte. Also zurück mit der Kapelle und ein weiteres Mal die Polka spielen. Ab sofort weiß man in Osnabrück, wer DIE „Sex Bomb“ ist, Andrzej hat TOM JONES diesen Rang locker abgelaufen. Tiefe Emotionen kamen bei „Zabrze“ zum Vorschein. Während der Sänger die Tränen ob der Erinnerungen an die geliebte Heimatstadt gerade noch zurückhalten konnte, weinte Janusz und legt sein ganzes Heimweh in seinen Bass. Welch billiger Abklatsch ist da HERBERT GRÖNEMEYERs „Bochum“. Nach fast 2 ½ Stunden hieß es nun tatsächlich Abschied nehmen von der sympathischen Popolski-Familie, die vielleicht doch noch im Westen ihr Glück findet, sind sie doch inzwischen nach Duisburg übergesiedelt.

Ein grandioser Abend! Neben der herrlichen komödiantischen Note bewiesen die POPS, dass in jedem Song ein guter Kern steckt. Begnadete Musiker sind sie allemal, verfügen die Protagonisten doch im wahren Leben über eine entsprechende Ausbildung. Dem ein oder anderen wird vielleicht auch das Gesicht von Drummer Pavel bekannt vorgekommen sein. Dahinter verbarg sich Achim Hagemann, der mit Hape Kerkeling und „Hurz“ bereits das Band zwischen Humor und Musik knüpfte.

Copyright Fotos: Dirk Ruchay

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