Ort: Rheine – Stadthalle
Datum: 24.08.2021
Mehr als 19 Monate ist es her, dass ich einen Künstler livehaftig auf der Bühne gesehen habe. Konkret saß der besagte Künstler überwiegend, denn es war eine Lesung, die bisweilen von Musik unterbrochen wurde. Der Protagonist des Abends hieß THEES UHLMANN und eben dieser sollte auch den Corona-Fluch brechen und mir mein erstes richtiges Konzert seit eineinhalb Jahren bescheren. Ursprünglich war der Gig in der Stadthalle Rheine unter dem Motto „Songs & Stories II“ angekündigt worden, aber der 47-jährige Musiker und Autor erklärte um kurz nach 20 Uhr seinem Publikum, dass er den 29. Tag in Folge auf der Stage stehe und einfach richtig Bock habe. Dass dann auch noch Bassist Hubi Steiner, der eigentlich an diesem Dienstag frei gehabt hätte, unbedingt dabei sein wollte, spricht nicht nur für das gute Betriebsklima in der Band, sondern auch für deren Spielfreude.
Ein bisschen anders als bei Rockkonzerten üblich war es dann doch. Zum einen saßen die Herren Musiker mit Ausnahme des Fronters und zum anderen stand das 3G-Auditorium vorbildlich auf Lücke. Gedrängel vor der Bühne gab es nicht, dafür ein stetes Ploppen der regionalen Bügelbierflaschen. Letzteres hatte Thees allerdings auch provoziert, denn nach dem ersten gut hörbaren „Plopp“ lobte er für jedes weitere 10 Euro aus, die er den Flutopfern zu spenden gedachte, weshalb Backliner Danny Simons zum Mitzählen verdonnert wurde. Im Mittelpunkt des Abends stand jedoch ganz klar die Musik, die alle Beteiligten vor und auf der Stage ganz offensichtlich schmerzlich vermisst hatten. Die Fangemeinde aus Rheine und Umgebung zeigte sich insbesondere bei den alten Sachen sehr textsicher und so wurde beispielsweise „Ich sang die ganze Zeit von dir“ vom vierten TOMTE-Album „Buchstaben über der Stadt“ aus 2006 lauthals mitgesungen und „Die Schönheit der Chance“ („Hinter all diesen Fenstern“ aus 2003) kräftig beklatscht. Aber auch Solo-Hits wie „& Jay-Z singt uns ein Lied“ und „Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf“ vom 2011er Langspiel-Debüt wurden angemessen abgefeiert. Überhaupt hätte die Stimmung nicht besser sein können und da es so ganz ohne die anfangs ausgelobten Stories beim Kollege Uhlmann ja bekanntermaßen nicht geht, wusste der Wahl-Kreuzberger auch hier bestens zu unterhalten. Etwa mit der Geschichte aus dem Edeka in seinem Viertel. Hier arbeitet eine Kassiererin stets in Metal-Shirts und die Gute konnte – nachdem man sich als Metal-Verbündete im Geiste zu erkennen gegeben hatte – von Thees mit Tickets für KREATOR überraschen werden. Die Dame ist zweifellos jetzt „Das Mädchen von Kasse 2“ für den guten Thees. Drummer Max Perner hatte – wie wir jetzt wissen – mal das Vergnügen, Lemmy vom Flughafen abzuholen, der dann jedoch den Mercedes-Van derart zuqualmte, dass Max höflich fragte, ob er das Fenster einen Spalt öffnen dürfe. Das Anliegen wurde von Mr. Kilmister allerdings negativ beschieden: Zugluft würde seiner Stimme schaden! Auch die Anekdote, wie THEES UHLMANN anlässlich eines Champions-League-Spiels Liverpool gegen Dortmund DIE TOTEN HOSEN in einem Pub getroffen hat und ein gemeinsames Foto gemacht wurde, um die ‚Promo-Flak‘ zu befeuern, wusste zu unterhalten. Die Redakteure einer Düsseldorfer Zeitung kannten den blonden Niedersachsen offensichtlich nicht und machten aus ihm angesichts des abgebildeten Eiswagens einen ‚einheimischen Eisverkäufer‘. Gekrönt wurde der Joke durch den Hosen-Song „Liebeslied“, bei dem die Zuschauer erneut ihre Sangeskünste unter Beweis stellten. Erwähnt sei auch noch die druckvolle Nummer „Club 27“, deren Lyrics aus der Feder von Benjamin von Stuckrad-Barre stammen, der sich übrigens wahnsinnig freut, jetzt eine eigene Single zu haben. Derweil wurde Gitarrist Rudi Maier (aka BURKINI BEACH) als Mitglied des SCORPIONS-Fanclubs geoutet – verbunden mit einer weiteren Erzählung, die sich um die Band aus Hannover dreht, denen der Mann aus Hemmoor den – wie er betont – gänzlich unironischen Song „Was wird aus Hannover“ verehrt hat. Nicht vergessen wollen wir Simon Frontzek, den Mann an den Tasten, der gemeinsam mit Rudi Maier das 2019er Album „Junkies und Scientologen“ produziert hat und dessen eigene Platte „Repeat Until Funny“ unter dem Namen SIR SIMON am kommenden Freitag erscheint. Dann kommt auch „Best Western“ von BURKINI BEACH raus und nicht nur, dass die Herrschaften sich gegenseitig produziert haben, es gibt sogar ein gemeinsames Lied und THEES UHLMANN ist auch in beiden Fällen als Gast-Gitarrist dabei.
Für mich war dieser knapp zweistündige Konzertabend auf jeden Fall ein gelungener Auftakt für hoffentlich zahlreiche Live-Gigs, die unter möglichst authentischen Bedingungen stattfinden können, denn Kultur ist wichtig – nicht nur, um das Leben der Künstler zu finanzieren, sondern auch um Kraft für den Alltag zu tanken. Strandkorb- und Autokino-Gigs waren sicherlich ein guter Versuch, aber sie vermögen nicht annähernd den Spirit wiederzugeben, den ein „echtes“ Livekonzert liefert. Das haben THEES UHLMANN & Band erneut eindrucksvoll bewiesen!
Setlist
- Fünf Jahre nicht gesungen
- Danke für die Angst
- Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt
- & Jay-Z singt uns ein Lied
- Club 27
- Was wird aus Hannover
- Ich sang die ganze Zeit von dir (TOMTE)
- Die Schönheit der Chance (TOMTE)
- Liebeslied (DIE-TOTEN-HOSEN-Cover)
- Das Mädchen von Kasse 2
- Junkies und Scientologen
- Avicii
- Zum Laichen und Sterben ziehen die Lachse den Fluss hinauf
- Ein Satellit sendet leise
Copyright Fotos: Ulrike Meyer-Potthoff
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