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THOROFON – ECHO WEST

Ort: Spenge - Irrlicht

Datum: 29.10.2005

Wäre nicht das rote Neonlicht gewesen, das einsam in der stillen nächtlichen Landschaft Wache hielt, hätten wir am Samstag Abend den Veranstaltungsort wohl nie gefunden, und bis zum Morgengrauen auf freier Flur, irgendwo zwischen Bad Oeynhausen, Minden und Osnabrück, umherfahren können. Dank dieses ungewöhnlichen Morgensterns aber, fanden wir zusammen mit ungefähr fünfzig anderen Pilgern problemlos den Weg zum passend genannten Irrlicht, eine Provinzdisko mit regelrechtem Konzertraum, die an diesem Abend einen mehr als appetitlichen Spielplan anbot: der Dortmunder Angst-Pop Act ECHO WEST (neulich auf Dark Vinyl) und die schon bald kultigen Noise-Terroristen THOROFON. Hier fanden sich zwei Bands, die es, jede auf ihre Art, ausgezeichnet verstehen, in ihrer Musik industrielle und elektronische Elemente zu vermengen. Also Grund genug, um die vielen Kilometer hinter sich zu bringen, und umso mehr, wenn man bedenkt, dass THOROFON ihren Rückzug schon längst angekündigt haben (das endgültig letzte Album ist vor zwei Wochen erschienen), und dass diese Veranstaltung, die wir übrigens der NEON-WELT-Truppe zu verdanken haben, eines der allerletzten Konzerte der Band sein dürfte.

Nun gibt es viele gute Bands, die man am besten nur einmal live sieht: wie toll deren Auftritt auch sein mag, beim zweiten Mal ist die Magie schon vorbei… Aber von ECHO WEST, die am Samstag die Feierlichkeiten eröffneten, kann man nie satt werden. Sobald Sänger und Mastermind Dirk Torben Klein mit seinem Mitmusiker die Bühne betrat und die ersten typischen Industrial-Wave Töne erklingen ließ, fühlte ich mich wieder in diesen eigenartigen Trancezustand versetzt, den ich schon bei anderen Konzerten der Band erleben durfte. Mir fällt es schwer, es genau zu beschreiben, oder die eigentlichen Gründe dafür zu erkennen. Vielleicht liegt es an der emotionsgeladenen Musik, an den offensichtlich nicht nur gesungenen, sondern auch mitgefühlten Texten, an der Bühnenpräsenz des Sängers, der in gewissen Momenten selbst von dieser Trance ergriffen zu sein scheint: Wenn er so tut, als würde er sich das Herz aus der Brust reißen, oder wenn er in einem quasi rituellen Moment, der sich von Konzert zu Konzert wiederholt, sich in die „Algiz-Stellung“ begibt… Vielleicht ist es ganz einfach die Authentizität des Künstlers, die dem Projekt seine Eigenartigkeit, sowohl auf Platte als auch auf der Bühne, verleiht, und die bei jedem ECHO WEST Konzert diese unverwechselbaren magischen Augenblicke entstehen lässt. Wie dem auch sei, wirkte am Samstag die Magie wieder, und offensichtlich nicht nur für mich. Von Anfang an ließen sich einige Zuschauer von den tiefgehenden Klängen entführen und fingen an zu tanzen, so dass es dem Konzert, trotz der geringen Besucherzahl, nicht an Atmosphäre mangelte. Dirk war offensichtlich in Höchstform, sehr präsent auf der Bühne und während einer kurzweiligen Stunde gab er abwechselnd die eher wavigen, melancholischen und die neueren industriellen Stücke zum Besten, bekannte „Hits“ wie „Menschen der Stadt“ oder „Some Thought us Dead“ und härtere neue Lieder wie „Time of Brokened Ties“. Als Zugabe bekam man auch noch mit „Waiting for Reaction“ einen potentiellen Tanzflächenfüller serviert – eigentlich ein Lied des Seitenprojekts SILENT SIGNALS.

Als das zweite Konzert einige 20 Minuten später anfing, wechselte rasch die Atmosphäre. Die Temperatur im Irrlicht sank um einige Grad zu dem Zeitpunkt, als Herr und Frau THOROFON, ganz in weiß bekleidet (wohl ein Tabubruch in dieser Szene!) auf der Bühne erschienen. Der Raum wirkte auf einmal kühl, steril, fast klinisch, wobei Frau THOROFON (aka GENEVIEVE PASQUIER) im hautengen Ensemble, knalligem Lippenstift und Pin-Up Frisur, eine eher vom Wege abgekommene Krankenschwester darstellte. Auf der Verschreibung an diesem Abend stand ein abwechslungsreiches Programm: krachige Stücke mit Trance induzierenden MS-20-Schleifen, Elektro-Punk-Ausbrüche und sogar poppige Lieder – THROBBING-GRISTLE poppig, versteht sich. Herr und Frau T. haben sich am Mikrofon abgewechselt, er, kühl und zurückhaltend auf der Bühne oder provokant proklamierend, als er herabstieg, um einen kleinen Pogo zu inszenieren, sie, lasziv und glamourös an ihrem 30er-Jahre Mikrofon, hier singend und dort schreiend, irgendwo zwischen GITANE DEMONE und HANIN ELIAS mit einer Prise Betty Boop in der Stimme. Ein durchaus überzeugender Auftritt also, manchmal krachig, insgesamt aber sehr eingängig – auf jeden Fall sehr weit entfernt von den Power-Electronic-Ursprüngen des Projekts. Mit ihrem einzigartigen Minimal Industrial alter Schule, kommen die Herrschaften THOROFON wie die spirituellen Erben eines HAUSes ARAFANA daher: Analog und kühl, aber sexy und fatal (für meine Geldbörse: jetzt werde ich mir wohl die ganze THOROFON Diskografie besorgen müssen). Ihr Auftritt ließ es nur übrig zu wünschen, dass es doch nicht der allerletzte sein wird, denn bei der nächsten Therapie bin ich gerne wieder dabei.

Fazit also: ein durchaus gelungener Abend (der beste seit längerer Zeit) mit gemütlicher Atmosphäre, angenehmem Publikum – irgendwie hatte man das Gefühl, eher einer Versammlung im Freundeskreis beizuleben – und zwei ausgezeichnete wenn auch sehr verschiedene Darbietungen, die sich perfekt ergänzten. Hier noch einmal Daumen hoch für NEON WELT oder wer auch immer auf die geniale Idee kam, diese zwei Bands auf einen Speiseplan zu bringen.

Copyright Fotos: Jörg Rambow

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