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TIAMAT – THEATRE OF TRAGEDY – PAIN – SIRENIA

Ort: Berlin - Columbiaclub

Datum: 08.01.2005

Wenn man für ein Konzert eigens in die Bundeshauptstadt reist, dann muss schon eine ganz besondere Tour im Gange sein (o.k. es gab auch gute private Gründe…). Und so beehrte uns schon im ersten Monat des neuen Jahres ein Quartett der schönen Klänge aus dem hohen Norden, ein schwedisch-norwegisches Doppel sozusagen. Selten hat man so viel Qualität in ein Package gepackt, von daher war ich gespannt, ob der Abend den Erwartungen standhalten könnte. Anlass der Tour war das auch nicht mehr ganz taufrische TIAMAT-Album „Prey“, während die drei anderen Acts momentan kein aktuelles Material vorzuweisen haben, was die Angelegenheit aber nicht minder spannend machte. Aufgrund vergangener Erfahrungen mit dem Columbiaclub machten wir uns früh auf den Weg und erreichten bereits vor 19 Uhr die Konzertstätte in der Nähe des Flugplatzes Tempelhof. Ein paar versprengte schwarze Gestalten trotzen bereits dem kalten Wind, das war aber noch kein Gradmesser für die letztendliche Meute, denn an die 700 Metaller/ Gothics gaben dem Abend schlussendlich einen sehr würdigen Rahmen. Im Innern der Halle sofort einen Platz an vorderster Front gesucht begann die musikalische Darbietung recht zügig kurz vor 20 Uhr mit den Norwegern SIRENIA.

Bei der Band handelt es sich ja um einen „Ableger“ der vielleicht noch etwas bekannteren TRISTANIA, von denen sich Mastermind Morten Veland vor ein paar Jahren losgesagt hat, um seine eigene Vision des Gothic Metal zu verwirklichen (die sich allerdings kaum anders anhört). Auf der Bühne wurde er von der weiblichen Gesangspartnerin Henriette Bordvik unterstützt, die modisch ein interessantes Outfit aufzubieten hatte. Ein Military-Korsett mit tiefergelegter Lederhose und einem neckisch hochgezogenen schwarzen Slip, der hervorragend auf den Abend einstimmte. Stimmlich war bei ihr auch alles im grünen Bereich, obschon sie eher selten zum Mikrophon griff. Meistenteils poste sie lasziv herum, während Morten die „Grunzarbeit“ übernahm. So war jetzt schon klar, dass dies hier die „härteste“ Combo des Abends sein würde, die mit Songs beider Alben wie etwa dem famosen „Sister Nightfall“, „Voices within“ oder „Meridian“ bereits zu dieser frühen Stunde die Fans im Griff hatte. Für eine erste Vorband war der Response doch schon sehr beachtlich und hier zahlt es sich aus, wenn man ein musikalisch homogenes Package zusammenstellt und dann auch allen Formationen gute Bedingungen gewährt. Nach knapp 40 Minuten trollte sich das Quartett (Bass und Keys kamen vom Band), welches hoffentlich bald auch wieder releasetechnisch etwas neues bieten wird.

Nun stand für einige bereits der heimliche Höhepunkt des Abends auf dem Programm: PAIN aus Schweden, oder soll ich sagen Peter Tägtgrens „Spielwiese“? Der Vorzeige-Produzent und HYPOCRISY-Mainman besitzt in Metalkreisen ja nun wirklich Kultstatus und so wurden auch entsprechende T-Shirts in nicht geringer Menge gesichtet. Aber der charismatische Fronter sollte nicht das einzige Erlebnis des nachfolgenden Auftritts werden. Er hatte sich nämlich für seine Live-Band gleich mit 2 Damen an Bass und zweiter Gitarre verstärkt, welche den Erotikfaktor noch weiter verstärkten. Spielen konnten sie übrigens auch, besonders die Dame am Tieftöner konnte hier überzeugen. Der langmähnige Shouter hatte sich in weißes Hemd und Krawatte gewandet, um gleich aufzuzeugen, dass hier moderner, elektronisch angehauchter Metal und kein Death auf dem Speiseplan stehen würde. In Kürze wird ja das lang erwartete dritte Album erscheinen (ca. im März) und als kleinen Appetithappen warf er die dazugehörige Single „Same old Song“ in die Menge, die man übrigens auch auf der Homepage als Video bewundern darf. Das Stück wirkt sehr episch, mit leichten AMORPHIS-Anklägen, so dass es zu den abendlichen Sparringspartnern natürlich mehr als gut passte. Aber auch die bekannten Highlights wie „Breathing in, Breathing out“, das BEATLES Cover „Eleanor Rigby“ oder das abschließende „Shut your mouth“ rissen weite Teile der Anwesenden zu Begeisterungsstürmen hin. Viele hätten gerne mehr gehört als die angesetzten 45 Minuten, zumal keine Zugabe vorgesehen war. In nicht allzu ferner Zukunft wird man PAIN sicher nicht mehr im Vorprogramm erleben, dessen bin ich mir sicher.

Nun also wieder Norwegen und wieder auf dem vorderen Drumkit, welches bereits arg lädiert war, so dass ein Roadie ständig das rechte Becken festhalten musste (netter Job…). THEATRE OF TRAGEDY waren in letzter Zeit auch nicht besonders aktiv, nachdem sie mit ihren letzten 2 Alben eine elektronischere Richtung eingeschlagen und der Vorzeigesängerin LIV KRISTINE den Laufpass gegeben hatten (oder andersherum). Jedenfalls hat man nun eine neue Dame im Line Up, welche auf den Namen Nell hört und ein ziemliches Knochengestell ist. Schon recht apart natürlich, aber im Vergleich zur vollbusigen Konkurrenz doch eine Stange im Wind, was natürlich nichts über die Sangesqualitäten aussagt. Interessanterweise hatte man Songs der kompletten Bandgeschichte im Gepäck, auch vom selbstbetitelten Debüt und der wegweisenden Aégis-Scheibe („Cassandra“, „Lorelei“). Dazu Tracks der letzten beiden Alben, aber auch einige vollkommen neue Stücke, welche in Bälde dann wohl auch veröffentlich werden sollen. Folgendes fiel auf: Man agierte zu sechst, aber ohne Bass! Der kam wohl von den Synthies. Dazu war der gute Raymond sowohl optisch wie auch von der Stimme her etwas unspektakulär, richtiges Singen ist seine Sache nicht. Nell hingegen beherrscht das ältere Material recht ordentlich, wenngleich ihr ein wenig die Kraft fehlte. Dagegen konnte sie bei den neuen Kompositionen wie „Fade“ oder „Storm“ punkten, welche ihr offensichtlich auf die Stimmbänder geschrieben wurden. Anscheinend geht der Weg in Richtung Trällerelsen Metal, ob man sich da ein Stück vom großen Kuchen abschneiden will? Vielen Anwesende schien das aber zugefallen, da gerade diese Lieder besonders bejubelt wurden. Immerhin eine Stunde hatte man Zeit, sein Material vorzutragen, und auch wenn sie an diesem Abend den für mich schwächsten Eindruck hinterließen, kann man dennoch von einer guten Darbietung sprechen, die anderen waren halt noch besser.

Jetzt aber war es endlich soweit: Nach einer erwartungsgemäß längeren Umbauphase – nun wurde das hintere Drumkit in Szene gesetzt – war das „Dortmunder“ Flaggschiff TIAMAT an der Reihe. Ich hatte Herrn Edlund und Genossen früher schon genossen, wie etwa Mitte der 90er in der Coesfelder Fabrik, meine letzte Begegnung war aber nun schon einige Jahre her. Seit geraumer Zeit verzichtet Johan ja schon auf Haarpracht, seit er mit dem Ausfall derselbigen zu kämpfen hat. Ich wurde überrascht, auf die Bühne trat ein perfekt durchtrainierter Shouter, besonders gut zu erkennen, weil er die komplette Show über oberkörperfrei agierte. So gut in Form habe ich den sympathischen Schweden noch nie erblickt – Respekt! Interessant auch seine Tattoos am Hinterkopf und vor allem auf der Brust („Hail Satan“!). In seinem Team hatte es leichte Veränderungen gegeben, an den Keys stand mit Martin Brändström (im St.Pauli Shirt) der Kollege von DARK TRANQUILLITY, der dann ja bald mit KREATOR wieder durch die Lande ziehen wird. Dazu hatte man sich mit Gitarrist Fredrik „Kulle“ Åkesson der Power Metaller TALISMAN verstärkt, da Thomas seinen elterlichen Pflichten nachkommen muss, wie es so schön auf der Homepage steht. Die Verpflichtung des Gitarreros sollte sich als kluger Schachzug erweisen, da er mit seinen virtuosen Soli dem TIAMATschen Sound zusätzliche Tiefe verlieh. Man hatte vorab versprochen, dass man einen Streifzug durch die 15 jährige Bandgeschichte machen wollte, und die Fans wurden nicht enttäuscht. Mit der Ausnahme vielleicht, dass man auf „Lady Temptress“ verzichtete, welche ich gerne vernommen hätte. Aber der Wechsel von (Goth) rockigen Songs mit den schweren Doom Brechern früherer Jahre (wie „In a Dream“) ließ keine Sekunde Langeweile aufkommen. Es kam sogar das erste mal an diesem Abend etwas Bewegung in die Menge und es wurde vorsichtig gepogt. Ein paar Überraschungen rundeten den Gig perfekt ab, so betrat bei „Brighter than the Sun“ die TOT Sängerin Nell die Bühne, um den Refrain zu vervollkommnen. Witzigerweise tat sie dies mit einem LEAVES’ EYES-Shirt, von dem es leider keinen Fotobeweis gibt. Mit ihrem Lackminiröckchen machte sie dabei übrigens einen viel besseren Eindruck als vorher bei ihrem „eigenen“ Auftritt. Noch frenetischer wurde der Gastbeitrag eines gewissen Herrn Tägtgren bei der ersten Zugabe „Sleeping Beauty“ bejubelt, welcher mit einem famosen Metal Shout glänzte. Bei diesem Stück hatte man auch eine Passage verändert, so erklang statt des etwas stumpfen schnellen Parts gegen Ende eine neu arrangierte Gitarrenmelodie, gekrönt von ausufernden Soli des Herren Åkesson. Zuguterletzt performte man mit dem wunderschönen „Gaia“ die Menge endgültig in kollektive Ekstase, nicht ohne vorher zum besseren Umgang mit unserer Natur aufzurufen. Etwas Pädagogik also auch hier inklusive! Nach knapp 80 Minuten war dann leider das Spektakel schon beeendet, manch einer hätte sich auch hier noch „mehr“ gewünscht. Aber in Anbetracht der Tatsache, dass die 3 Support Acts schon ausgiebig wüten durften, war auch das in Ordnung.

Fazit: Ein wunderbarer Abend ohne Ausfall, perfekt aufeinander abgestimmt in Bild und Ton, mit 4 gut harmonierenden Formationen, die genau das richtige Maß an Emotion und Aggression verbreiteten. Mehr davon!

Setlist PAIN
Supersonic Bitch
End of the Line
Greed
Breathing in, Breathing out
Nothing
Eleanor Rigby
Same old Song
On and On
Shut your Mouth

Setlist THEATRE OF TRAGEDY
Machine
Lorelei
And When He Falleth
A Rose For The Dead
Fragment
Fade (Enigmatic)
Cassandra
Image
Starlit
Storm
Toom
A Hamlet For A Slothful Vassal

Setlist TIAMAT
Vote for Love
Children of the Underworld
Cain
Brighter than the Sun
To have and have not
Whatever that hurts
I am in Love with Myself
In a Dream
Wings of Heaven
Cold Seed
Clovenhoof
As long as you are mine

The sleeping Beauty
Gaia

Copyright Fotos: Karsten Thurau

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