Ort: Stockholm - Münchenbryggeriet
Datum: 26.11.2005
Endlich war ein Jahr ins Land gegangen, und das wunderbare Stockholm lud wieder einmal zu seinem winterlichen TINITUS-FESTIVAL ein, um der elektronischen Musik zu huldigen. Das Event besteht aus 2 Tagen, am Freitag wurde mit einer Pre-Party vorgefeiert, und am Samstag war das eigentliche Treiben mit 2 Bühnen und jeder Menge Musikgruppen, deren Namen das Herz höher schlagen lassen, aber lasst uns doch gemütlich mit dem ersten Tag anfangen und kurz beschreiben wie die große Sause in der Disko seinen Anfang nahm.
Die Disko war schön zentral gelegen und beinhaltete 3 Floors mit leicht unterschiedlichen Themengebieten. Auf dem Kleinsten war altes EBM-Programm angesagt, egal ob KLINIK, NITZER EBB oder AND ONE, man wurde gut und hart bedient. Beim mittleren Floor ging die Musikrichtung eher in den Bereich Dark-Elektro und Industrial, also genügend guter Krach zum tanzen. Der größte Saal bot schließlich schwarzen Mainstream, hauptsächlich Synthpop und Darkwave, jedoch ist außergewöhnlich viele deutsche Musik (und deutscher Gesang) gespielt wurden, die Leute scheinen dafür auch ein gewisses Faible zu haben. In diesem Raum gab es dann gegen fortgeschrittener Stunde die Konzertauftritte von PAINBASTARD und den WEST END GIRLS, von PAINBASTARD hatte ich schon gutes über seine Livequalitäten gehört und das bewahrheitete sich, sein Dark-Elektro kam gut und authentisch rüber. Die Coverband der PET SHOP BOYS war nicht unbedingt schlecht, zwei hübsche Damen in Arbeiteranzügen und mit tollen Stimmen, aber die Songs waren für meinen Geschmack zu sehr auf Disko-Pop getrimmt, schade. Insgesamt werden an die 400 Personen da gewesen sein, und unsere Feier ging bis in die frühen Morgenstunden, alles war entspannt und es war vornehmlich nur gute Laune zu spüren, so Lob ich mir einen gelungenen Auftakt.
Am nächsten Tag sind wir frühzeitig zu „unserer“ Veranstaltung hingegangen, um ja nichts zu verpassen, und schon waren wir in den Arsch gekniffen, erstens gab es ganz schöne Verspätungen und beim ersten Auftritt von MILITANT CHEERLEADERS ON THE MOVE haben wir aufgrund der zu geringen Lautstärke nicht mal mitbekommen, dass sie spielen. Unser erstes Erlebnis hieß dann THERMOSTATIC, eine Synthpop Band aus Schweden, und ich kann euch sagen, was für ein Auftritt. In guter alter Minimal-Manier legten die eine atemberaubende Show mit sensationeller Musik hin, hier konnte man sich prima warm tanzen. Man wurde wieder schnell ins kalte Wasser geschubst, vom lustigen Pop ging es gleich mit kaltem harten Elektro weiter, AGONOIZE waren angesagt. Nach einer kleinen lustigen Showeinlage (Keyboard fiel gleich am Anfang um) ging das Gepose los, die Musik war einwandfrei, es ging auch ganz gut ab, aber das „Böse Mann“ Getue mit der dementsprechenden Heavy-Metal Schminke war etwas nervig, dass sollte man lieber KISS überlassen. Der erste große Musikakt kam als nächstes, ROTERSAND durften Ihr großes Können unter Beweis stellen. Man merkte ihnen die Bühnenerfahrung an, imposanter Auftritt und ihre Präsenz wirkte souverän. Dank der aktuellen CD hatten sie auch genügend Hits an Bord, der bombastische Instrumental-Sound hüllte die ganze Halle in ein staunendes Etwas, leider kam keine richtige Stimmung auf, was wohl an der schlecht abgemischten Stimme lag, die zu leise wirkte und ohne Volumen permanent die Songs verwässerte. Schade für unsere Jungs, denn sie können es wahrlich besser. Wieder ein kleine Pause, und der Kracher des Abends verwandelte den Raum in eine schwedische Sauna: COMBICHRIST hatte zur Attacke geblasen. Der Norweger feuerte seine Hits in die Menge, wie beispielsweise „This shit will fuck you up“ oder „Blut Royale“, und diese bedankte sich dementsprechend mit wildem Gepoge. Hier stimmte einfach alles, Andy LaPlegua kam schlicht und einfach nur in Jeans und T-shirt auf die Bühne, aber er verlieh alleine durch seine Präsenz den Lieder ihre wundervolle Energie, davon können AGONOIZE wohl nur träumen.
Endlich kam es zu der ersten größeren Pause, denn der Aufbau für den Altmeister HOWARD JONES war im Gange, und die Deko war dann auch die Imposanteste des ganzen Abends. Es sah wie in einem Keyboardgeschäft mit vielen Neonröhren aus, wunderschön anzuschauen, und die Musikpalette der 80er Ikone untermalte die Atmosphäre in gelungner Weise, es lohnte sich tatsächlich und glitt nicht ins Lächerliche ab. Unser vorletzter Act hatte danach die Ehre sein 25jähriges Bühnenbestehen zu feiern, DIE KRUPPS zeigten ihre alten Knochen, um ihre Musikgeschichte des EBM-Crossovers zu feiern. Ich durfte sie schon dieses Jahr auf dem WGT erleben, aber da waren sie nicht ansatzweise so gut wie an diesem Abend. Mir kamen die Stücke auch elektronisch härter vor und somit kam es zur vollendeten Fusion von Gitarren und Keyboards. Es wurden wirklich alles Hits gespielt, egal ob „Bloodsucker“, „Germaniac“, „Fatherland“, Wahre Arbeit, Wahrer Lohn“ oder „Volle Kraft voraus“ – sie blieben Ihren Fans nichts schuldig. Als letzte Anekdote erwähne ich noch den Hauptact des Abend, APOPTYGMA BERZERK waren anscheinend als Partyhampelmännchen gekommen, Herr Groth rief irgendwelche Laute zwischen seinen Texten und sah wie ein Latexpüppchen mit explodierter Friseur aus, TOKIO HOTEL lassen grüßen. Es war einfach nur schlimm, obwohl mir die neue CD sehr gut gefällt, aber die Live-Performance grenzte schon fast an den katastrophalen Auftritt von VISAGE auf dem WGT.
Es war mittlerweile 3 Uhr in der Nacht, und nach diesem Ende hatten wir auch keine Lust mehr auf die anschließenden Partys, aber trotz alledem hatte es sich wieder einmal gelohnt, ich hoffe nächstes Jahr wieder hingehen zu können und hoffentlich bleiben die Veranstalter ihrer bisherigen Qualität treu. In diesem Sinne: Schweden, wir sehen uns bestimmt bald wieder.
Infos zum Festival unter: www.tinitus.com
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.