Ort: Paris - La Locomotive
Datum: 28.11.2004
TRISOMIE 21 – oder: warum zu Hause bleiben, wenn das Gute so fern liegt…?
So manches Mal nimmt man ja für Konzertbesuche seiner Wahl einiges in Kauf: langweilige Vorgruppen, überteuerte Eintritts- und/ oder Getränkepreise. Am 28.11.2004 war alles anders: keine Vorgruppe, kein Eintritt, da als Pressevertreter akkreditiert und die Getränkepreise waren im Rahmen des Üblichen.
Ich traf – nach geografisch bedingt längerer Anreise – spät, aber nicht zu spät in der bekannten Location „La Locomotive“ in Paris ein, die direkt neben dem zugegebenermaßen noch bekannteren Etablissement „Moulin Rouge“ liegt.
O.k., also nicht zu den Tänzerinnen ins Gebäude mit der rotilluminierten Windmühle auf dem Dach, sondern nebenliegenden Eingang benutzt, um endlich einer d-e-r Kultbands (ich weiß, ein überstrapazierter Terminus, aber hier passt er wirklich) der letzten 20 Jahre meine persönliche Aufwartung in Form der ersten Liveshow seit knapp 9 Jahren zu machen, wie ich einem Presseinfo entnahm.
Auf der Hinfahrt hatte ich viel Zeit, um im Geiste noch mal die heimische Plattensammlung unter „T“ wie TRISOMIE 21, oder im Zuge von zeitgemäßen Abkürzungen – T21 – durchzusuchen: „Chapter IV“, „Wait & Dance“, „Million Lights“ oder natürlich die superben Frühwerke von 1983/ 84 „Le Repos Des Enfants Heureux“ oder „Passions Divisées“, deren Veröffentlichungen alle unweigerlich mit dem – o.k., beim nächsten Mal gibt es 5 EUR fürs Phrasenschwein – Kultlabel „Play It Again Sam“ (PIAS) aus Belgien verbunden waren.
T21 – anfangs ihrer Karriere mit JOY DIVISION, DURUTTI COLUMN oder mit THE CURE verglichen -, entwickelten die beiden Brüder Hervé und Philippe Lomprez im Laufe der Jahre ihren eigenen, unverwechselbaren Stil. Hier und da erinnerten noch die „Peter Hook-Gedächtnis-Bassläufe“ an den liebevoll vergebenen Beinamen, die „französischen NEW ORDER“ zu sein, was aber wiederum nur auf vereinzelte Songs wie z.B. „The Last Song“ zutrifft, der in den 80’s aber prompt und zu Recht in den Charts landete. Apropos 80’s: T21 kann und sollte man keine „80’s-revival-comeback-but-never-gone-Attitüde“ unterstellen: die Band hatte zwar mit „Gohohako“ (1997) ihr vorerst letztes Album abgeliefert, um dann – ohne sich aufzulösen – 2004 mit „Happy Mystery Child“ ein Album par excellence abzuliefern. 7 Jahre – im Musikgeschäft eine verdammt lange Zeit, da die Haltbarkeitsdauer von Bands im allgemeinen nicht mal 7 Jahre beträgt. Scheinbar spielen solche Gesetzmäßigkeiten für T21 keine Rolle.
Schreiberlinge sind glücklicherweise in der exponierten Lage – nicht umsonst nimmt mal dann auch weitere Anreisewege in Kauf – bereits vor Veröffentlichung in Deutschland am 13.12.2004 der neuen CD Gehör schenken zu dürfen, was letztlich die Entscheidung, 4.5 Stunden nach Paris zu fahren, erleichterte und überraschenderweise auch kurzweiliger machte.
Als um 22:30h das Konzert begann, war es durchaus von Vorteil, sich das neue Material der „Happy Mystery Child“ bereits auf der Hinfahrt mehrmals angehört zu haben, da gleich der Opener „Red or Green“ vom neuen Silberling gespielt wurde. Als zweiter Song folgte „Personal Feelings“ – ebenfalls vom neuen Album „Happy Mystery Child“, welches m.E. durchaus an Stimmungen der „Chapter IV“ oder „Wait & Dance“ Platten anknüpft, ohne wirklich retro zu klingen. Dann folgte „The Last Song“ in einer zeitgemäßen Version und die geschätzten 500-600 Besucher in der La Locomotive kamen erstmals so richtig aus sich heraus, und feierten T21 mit langanhaltenden Beifall. Was folgte, war ein gut zusammengestelltes Set, welches zweifelsohne den Schwerpunkt auf das neue Material setzte, aber auch Besucher, die das neue Werk noch nicht kannten, kamen mit Songs wie „Dirge Of Love“, „Betrayed“, „Waiting For“ und dem bekannten Instrumental „Le Fête Triste“ auf ihre Kosten.
T21 kam nach 90 min. Spieldauer nochmals für 3 Zugaben auf die Bühne, um neben dem neuen Song „No Search For Us“ u.a. noch die bekannte Version – mit dem bereits erwähnten „Peter Hook-Gedächtnis-Basslauf“ von „The Last Song“ zum Besten zu geben.
Fazit: gelungenes Konzert einer genialen Band. Einziges Manko: trotz aller Professionalität von über 20 Jahren merkte man die fehlende Live-Routine, die sich aber nach mehreren Konzerten sicherlich wieder einstellen wird. Hoffentlich auch bei Konzerten in Deutschland, um Fahrtkosten niedriger zu halten…
Ach ja, TRISOMIE 21 spielte im Verlauf des normalen Sets auch „Il Se Noie“ vom 1983er Frühwerk „Le Repos Des Enfants Heureux“. Für die Zukunft von T21 muss man auch nach über 20 Jahren Vergangenheit „nicht schwarz“ sehen.
Merci beaucoup, T21!
Setlist
Red Or Green
Personal Feelings
The Last Song
Soft Brushing Speed
Betrayed
Dirge For Love
Some 21 Miles From The Coast
Midnight Of My Life
Missing Piece
Perfect Side Ou Doubt
Il Se Noie
Again And Again
The Touch Of Any Flame
Sharing Sensation
Le Fête Triste
Waiting For
Another Move
Forsaken Mysteries
No Search For Us
The Last Song (Version mit Intro Bass)
West Wind
Copyright Fotos: Olivier Lechevestrier
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