Ort: Münster – MCC Halle Münsterland
Datum: 27.11.2010
Der Graf auf der Überholspur – und ein Ende der Grafschaft ist nicht abzusehen…
Zwar war das Münsteraner UNHEILIG Konzert in der Halle Münsterland seit Monaten ausverkauft, was das letztendlich an Zuschauermassen bedeutete, wurde uns aber erst an diesem kalten Samstagabend vor Augen geführt, als endlose Autoschlangen den Weg in Richtung der Halle verstopften. Macht fast 7000 Besucher bei einer Band, die noch vor nicht allzu langer Zeit nur „düsteren“ Genre Fans ein Begriff war. Die sind inzwischen jedoch in der Minderheit – und zwar deutlich. Den Hauptteil des Publikums bilden nunmehr die „Normalos“ von Nebenan, mit leichter weiblicher Schlagseite und in bester Feierlaune. Nur in den ersten Reihen hatte die Farbe Schwarz noch Hochkonjunktur.
Als wir kurz nach 19 Uhr in der Location eintrafen, musizierte bereits der erste Support: MONO INC. aus Hamburg, die höchstwahrscheinlich vor dieser Tour nicht mal insgesamt so viele Zuschauer vor ihre Bühnen führen konnten. Doch Sänger Martin Engler und Co. waren offensichtlich wild entschlossen, ihre kurze Spielzeit zu nutzen. Mit kumpelig-jovialen Ansagen und einem solide-eingängigen Gothic Rock Sound hatte man das Auditorium schnell auf seiner Seite, die Reaktionen waren zu diesem Zeitpunkt schon fast enthusiastisch zu nennen. Standards wie ein Drum Solo der aparten Katha Mia sowie eine akustisch vorgetragene Version von IGGY POPs „The Passenger“ sorgten zusätzlich für Stimmung. Mit dem Hinweis, man möge mit der Band doch im Anschluss einen heben und der Single „Voices of Doom“ verabschiedete man sich dann nach einer guten halben Stunde auch schon wieder, dürfte aber einige neue Freunde gewonnen haben. Insofern sicher ein absolutes Karrierehighlight des Quartetts.
TK
Gegen 19:45 Uhr wurden dann bereits APOPTYGMA BERZERK auf die Bretter geschickt, oder sollte man lieber Stephan Groth plus Aushilfskräfte sagen? Nachdem dessen langjährige Weggefährten nämlich vor einiger Zeit allesamt ihre Kündigung eingereicht hatten, war seitdem das Erfordernis einer Runderneuerung gegeben. Zu den derzeitigen Mitstreitern gehört dabei auch Ophelia Dax (JESUS ON EXTASY) am Keyboard, die in dieser Funktion schon bei DIARY OF DREAMS an der letzten UNHEILIG Tour beteiligt war. Vermutlich anlassbedingt wurde zudem das Set umgestellt bzw. besser: dem zu erwartenden Publikum angepasst. Folglich waren sämtliche Old-School Electro Hymnen wie „Eclipse“ oder „Starsign“ mainstreamigeren Songs der letzten beiden Studio-Alben gewichen. Trotz einiger radiokompatibler Hits wie „Shine on“ fiel die Publikumsreaktion zunächst dennoch verhaltener aus als bei MONO INC.. Vermutlich mussten sich viele Zuschauer erst einmal den Bandnamen erschließen, außerdem hatten sich mit „Back on track“ und „Asleep or awake?“ leider auch zwei kleinere Füller eingeschlichen. Größere Begeisterung brandete immerhin zum Ende wieder auf, als man sich – wenngleich größtenteils auf Englisch – ein „Major Tom“ Cover leistete und zum endgültigen Abschluss des 45minütigen Auftritts dann zumindest noch eine halbe Electro Reminiszenz in Form von „Until the end of the world“ folgen ließ.
Setlist APOPTYGMA BERZERK
Apollo
Shine on
Love to blame
Kathy´s Song
In this together
Back on track
Asleep or awake?
Major Tom
Until the end of the world
Die Wartezeit auf den Mann der Stunde, zu dem inzwischen beinahe mehr Leute pilgern als nach Mekka, verkürzte ein „unheiliger Vorfilm“ und altbekannt wieder einmal Hildegard Knef und ihre roten Rosen. Das gab noch schnell Zeit für den ein oder anderen Bierhol-, Toiletten- und Gedankengang: Die aktuelle Konzertreise steht ja nicht nur unter dem Titel „Grosse Freiheit Teil II“, es ist/ war zugleich die 10 Jahre UNHEILIG Jubiläumstour. Skurril dabei die Überlegung, dass das Gros der Anwesenden die Band erst seit maximal einem Jahr kennen dürfte. Erfreulicherweise war aber meine Hoffnung auf wieder mehr ältere Stücke zu dieser Feierlichkeit nicht vergebens. So fanden, wie sich schon recht bald herausstellte, neben dem inzwischen zum „Standardprogramm“ gehörenden Dreier („Freiheit“, „Maschine“ sowie „Mein Stern“) auch „Sage ja“ und „Schutzengel“ erneute Berücksichtigung. Insgesamt zeigte sich die Setlist gegenüber des ersten Tourabschnitts im Frühjahr sogar auf sechs Positionen verändert, neu mit dabei natürlich unter anderem auch der (kürzlich aus rechtlichen Gründen noch einmal umbenannte) Jubiläumssong „Winter“. Als weitere Neuerung – schließlich bedeuten größere Hallen auch eine größere Distanz zu Teilen der Fans – waren ferner links und rechts der Bühne zwei Videoscreens aufgehängt worden, über die man das Geschehen auf der Bühne ebenfalls mitverfolgen und auch beobachten konnte, wie der Graf, der nachmittags noch ein Privatkonzert für Kinder in der Uniklinik Münster gegeben hatte, bereits bei „Seenot“ der Ekstase nahe war.
Auch das Publikum war nun voll da, feierte und erlebte den Grafen in der Folge wahlweise inmitten einer Rauchsäule („Ich gehöre mir“), ausschließlich durch Henning am Klavier begleitet („Schutzengel“) oder als quirliger Anwärter auf den Titel „Meister des Hüftschwungs“. Und als der unheilige Frontmann zwischendurch etwas vor sich hin philosophierte und augenzwinkernd von seinen Erfahrungen bei der Bambi-Verleihung berichtete, konnte man ihm richtig anmerken, dass ihn der Erfolg der letzten Monate irgendwie auch lockerer gemacht hat. Nach der stimmungsvollen „Grosse(n) Freiheit“ brachten dann schließlich gleich drei „härtere“ Titel en bloc das reguläre Set zu Ende – selbstverständlich nur, um den Neu-Fans quasi als Pflichtzugabe endlich das zu geben, worauf vermutlich jeder gewartet hatte: „Geboren um zu leben“, welches zeitweise ebenfalls als Klavierversion dargeboten wurde. „Unter deiner Flagge“ (mit Tuch-Deko wie beim Bundesvision Song Contest) und „Mein Stern“ durften aber natürlich auch nicht fehlen, so dass letztendlich alle Anhängerschichten glücklich nach Hause gepilgert sein dürften. Man kann hoffen, dass mit der neuen Lockerheit des Grafen die etwas stereotypen Auftritte der jüngeren Vergangenheit nun ad acta gelegt sind, inwieweit die riesige Erfolgswelle von Dauer sein wird, kann wohl momentan niemand vorhersehen…
gerrit [pk]
Setlist UNHEILIG
Intro (Das Meer)
Seenot
Spiegelbild
Winter
Ich gehöre mir
Sternbild
Schutzengel (Piano Version)
Freiheit
Sage Ja
Halt mich
An deiner Seite
Grosse Freiheit
Abwärts
Maschine
Für immer
Geboren um zu leben
Unter deiner Flagge
Mein Stern
Copyright Fotos: Karsten Thurau
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