Ort: Essen - Zeche Carl
Datum: 02.03.2004
Der 2.3.2004 müsste eigentlich ein Feiertag für alle weiblichen Gruftis sein: Chris Pohl und „Der Graf“ zusammen auf der Bühne (bzw. nacheinander)! Das Event fand statt in der altehrwürdigen Zeche Carl in Essen, die im Monat März vor interessanten Konzerten fast zu platzen droht. Natürlich konnte sich der Terrorverlag das Konzert nicht entgehen lassen und so strömten die Redaktionsmitglieder aus allen Himmelsrichtungen gen Altenessen. Ungefähr 500 zum Teil stark „kostümierte“ Fans taten es ihnen gleich. Was viele nicht wussten: An diesem Abend sollte UNHEILIG der Headliner sein, während bei allen „Ost-Konzerten“ TERMINAL CHOICE diese Position inne hatte. Da es sich aber sowieso um eine CoHeadliner Tour mit ausreichender Spielzeit für beide Acts handelte, war die Reihenfolge eher nebensächlich.
Nachdem ich es mir links oben auf der Empore gemütlich gemacht hatte, wagte ich einen ersten Blick auf die Bühne, die für eine klassische Rock-Instrumentierung vorbereitet war, d.h. mit Schlagzeug, Gitarren und Bass. Eine Bekannte, die eine ausgiebige Obsession für den „schönen“ Chris hegt, hatte den Sänger schon vorab in den Hallen mit einer neuen Frisur entdeckt, das ist natürlich eine wichtige Information. Und so betraten dann vier Cyber Gothics wie aus dem Lehrbuch um 21 Uhr die Bühne. Pohl hatte sich kleine Zöpfchen mittels Haarverlängerungen machen lassen, die in Verbindung mit dem modischen schwarzen Outfit eine Art deutschen MARILYN MANSON aus ihm machten. Dazu kamen die 2 Gitarristen Gordon Mocznay und Sven Louis Manke (Gordon spielte allerdings auch hin und wieder Bass) und der optisch eher unspektakuläre Jens Gärtner an den Drums. Ehrlich gesagt hätte ich gar nicht erwartet, dass der Sound so „hart“ ausfallen würde, also mit Betonung der Gitarren Riffs. Die EBM-Elemente kamen allesamt vom Band und unterstützen mehr oder weniger nur im Hintergrund. Zudem war Mocznay entgegen seiner Frisur zu derben Grunts fähig, die hin und wieder sogar etwas Death Metal-Feeling aufkommen ließen. Was die Tracklist anging, so konzentrierte man sich bis auf eine Ausnahme nur auf englische Tracks, dabei bietet gerade der letzte Longplayer eigentlich gute deutsche Songs. Immerhin spielte man „Injustice“ und „She’s the devil“ von der Scheibe, 2 meiner Lieblinge. Aber natürlich kamen auch Klassiker zum Zuge wie das gut abgefeierte „Collective Suicide“, das aggressive „The Age of Suffering“ oder den rhythmischen Stampfer „Death Fuck“. Beim aktuellen „Rockstar“ liess Chris eine entsprechende Leuchtschrift auf seiner Brust erscheinen, welche das Geschehen ironisch brach. Das Essener Publikum agierte insgesamt ein wenig lethargisch aber noch zufriedenstellend. Nach ein paar Anfeuerungen von Manke (mit schwarzem Hemd und weißer Krawatte) gingen dann auch einige Hände in die Höhe bzw. es wurde im Refrain mitgesungen. „Menschenbrecher“ beendete schließlich das rund 70minütige Schauspiel, aber das war noch nicht alles von TC, der absolute Klassiker fehlte ja schliesslich noch. Nachdem alle artig „bitte bitte“ sagten, holte Jens die schwarze Bagage wieder nach oben und man brachte den „schwarzen Mann“ gleich mit, der im Duett von Chris und Gordon intoniert wurde. Etwas metallischer zwar als man es aus der Disco gewohnt ist, aber natürlich dennoch ein Knaller. Es sei noch erwähnt, dass der „Bohlen der Gothicszene“ mit einer starken Erkältung fertig werden musste und dafür eine ausgezeichnete Gesangsleistung bot. Live insgesamt viel näher an THE KOVENANT oder den DEATHSTARS als irgendwelchen Elektro-Truppen, man versteht es wirklich zu rocken!
Im Auditorium fand nun eine Wanderbewegung statt, die aufgebrezelten hübschen „Teufelchen“ verzogen sich nach hinten oder draußen, während die unheiligen Devotees an den Bühnenrand vorpreschten. Unter ihnen erstaunlich viele Normalos, ältere Semester (und ich meine damit älter als mich…) und ein regelrechter Fanclub, der schon vor dem Konzert vom Grafen begrüsst wurde, der sich wie immer sehr volksnah gab. 4 große Kandelaver sorgten zudem für eine heimelige Athmosphäre. Wie schnell die Zeit vergeht: Es noch nicht lange her, da spielte man noch im Vorprogramm von ASP und L’AME IMMORTELLE und war damals schon der heimliche Headliner. Während man zu der Zeit noch nicht einmal den Zweitling „Das zweite Gebot“ online hatte, erschien mittlerweile schon der üppige Nachfolger „Zelluloid“, mit vielen Klassikern! Auf der Bühne wurde der Graf lediglich von 2 Musikern unterstützt und das waren: Henning Verlage, der auch bei NEUROTICFISH tätig ist und ein namenloser Gitarrist, der optisch nicht gerade „cool“ rüberkam. Es sei denn, man steht auf Safarihüte bzw. TRUCK STOP-Outfit! Aber egal, niemand anderer als der Graf machte die Show und er bewies ein weiteres mal, was für ein hervorragender Poser und Entertainer er ist. Mit derselben Kleidung wie auf den aktuellen Promo-Shots (Stoffhose, weißes Hemd, schwarze Krawatte) und natürlich wieder dämonischen Kontaktlinsen LEBTE er seine Songs! Er zitterte, schrie, winselte, ging in die Knie und das alles in Verbindung mit seiner perfekten tiefen Grabesstimme. Nachdem der Gig mit dem Intro des aktuellen Albums startete, konzentrierte er sich fast ausschließlich auf Songs desselbigen. Es wäre fast einfacher, die Lieder aufzuzählen, die davon nicht zum besten gegeben wurden. Knaller waren natürlich „Zauberer“, „Auf zum Mond“, „Freiheit“ (mit eindringlicher Ansage davor) oder auch „Sieh in mein Gesicht!“, bei dem der Refrain heftigst gebrüllt wurde. In solchen Momenten hat man fast Angst, dass die Adern auf des Grafen viriler kahler Stirn zu platzen drohen. Nur wenige ältere Songs wurden in den regulären Set integriert, die aber besonders gefeiert wurden: „Maschine“ und der ergreifende „Schutzengel“ (aus hundert Kehlen mitgesungen) vom „Gebot“ oder auch die Klassiker „Sage ja!“ oder „Komm zu mir“ vom Debüt „Phosphor“. Dabei wurden die Gitarren dann auch mal härter angeschlagen, die ansonsten eher Rock als Metal waren. Nach 70 Minuten war das Schauspiel (ein wenig Theatralik gehört beim Grafen einfach dazu) dann vorläufig beendet und wir mussten aus verkehrstechnischen Gründen die Heimreise antreten, allerdings vollkommen befriedigt. Ich vermute mal, dass die obligatorische SISTERS Cover Version noch zum Zuge kam. Mit solch energievollen Auftritten steht der weiteren Karriere von UNHEILIG nichts im Wege, der so natürlich und ehrgeizig bleiben sollte. Dann wird’s auch noch was mit seinem Traum, den Charts!
TK
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