Ort: Münster - Am Hawerkamp
Datum: 01.07.2017
Eine gute Woche vor dem Start vermeldete das Vainstream „Sold Out“. Kein Wunder bei dem Line-Up, welches im deutschsprachigen Raum im Bereich Punk, Metal & Hardcore seinesgleichen sucht.
So strömten an diesem leider verregneten Samstag auch schon ab 9 Uhr die ersten der 15.000 Besucher auf das Gelände, um den legendären Münsteraner Hawerkamp. Wir hingegen pickten uns unsere Favoriten bereits im Vorfeld raus und richteten unsere Tagesplanung im Zusammenhang mit dem verregneten Wetter dann auch weitgehend passend darauf aus. Nicht in diesen Rahmen passten schließlich die ROGERS, welche wir knapp verpassten. Schade, die aufstrebende Düsseldorfer Punk-Kapelle tut derzeit einiges dafür, es ihren großen „Vorbildern“ aus der Stadt nachzumachen. Wir waren leider noch mit der Parkplatzsuche beschäftigt, welche nicht ganz einfach war, schließlich aber mit etwas Glück bestmöglich und kostenneutral gelöst wurde. Im Endeffekt enterten wir um kurz vor 16 Uhr das Gelände und erlebten damit quasi zeitgleich den umstrittenen Auftritt der STRASSENBANDE 187, welche mit ihrer Rap-Musik mit oftmals anrüchigen und grenzwertigen Texten hier ordentlich polarisierte. Der Großteil der Besucher lehnte den Auftritt wohl ab, was sich einerseits dadurch äußerte, dass sie sich während des Konzertes nicht mehr vor der Bühne aufhielten und andererseits auch mit deutlich ablehnenden Gesten wie vereinzelten Stinkefingern und „Buh“-rufen. Auf den ersten Blick kann man sicherlich einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen derlei Hip Hop-Texten und den rebellischen Ansichten der Besucher/ Musiker aus den verschiedenen Subkulturen herstellen. Bei genauerer Betrachtung fällt aber auf, dass die deutlich sexistischen Texte der Bande mit den Werten der sonstigen Besucher recht schwer vereinbar sind. Dennoch hatten auch einige Zuschauer durchaus ihren Spaß bei dem Konzert und amüsierten sich bei den munteren Hüpf-Mitmach-Spielchen der Rapper.
Ein erster Eindruck vom Gelände bestätigte die Vermutung, dass die Wege zu allen vier Bühnen zwar extrem kurz, dafür aber umso beschwerlicher waren. Der Vorteil der kurzen Wege wurde in diesem Fall dann logischerweise damit aufgehoben, dass viele Menschen auf dem recht überschaubaren Gelände unterwegs waren und dank der extrem eng getakteten Running Order immer munter zwischen den Bühnen pendelten. Was als Besucher noch ganz entspannt sein konnte, entpuppte sich für die Fotografen schnell als extrem anstrengend – sofern man die Devise hatte, auf diesem Festival auch ein wenig seinen Spaß zu haben. So hatte man praktisch nie die Gelegenheit, sich ein ganzes Konzert anzuschauen, ohne bereits darauf achten zu müssen, pünktlich wieder an der Nachbarbühne zu sein, um den nächsten Auftritt nicht zu verpassen. Die Konsequenz daraus war, dass wir es uns links neben der Lonsdale-Bühne gemütlich machten und uns fortan auf die Auftritte dort fokussierten. Zwischenzeitlich musste aber natürlich das vielseitige Gelände erkundet werden, neben den üblichen Imbiss- und Getränkeständen hatten auch viele Food-Trucks ihren Weg auf das Gelände gefunden, welche allerdings in unserem Test nicht an die gewohnte Qualität herankamen, welche man außerhalb solcher Festivals dort erwarten darf. Interessanter waren da schon die Vielzahl an szenetypischen Bekleidungs-Ständen, der Barber-Shop, das Tattoo-Studio und die urgemütliche Kiez-Atmosphäre vor dem Eingang der Sputnikhalle. Rechtzeitig zu CALLEJON hatten wir den Rundgang aber beendet und fanden uns am eben erwähnten Standort ein. Zu diesem Zeitpunkt war es noch möglich, den langen Weg durch den Graben bis zur (hinteren) EMP-Bühne zurückzulegen. Die Kollegen vor Ort erzählten mir danach etwas Anderes und mussten sich fortan den Weg durch die Besucher zurück bahnen. CALLEJON überzeugten das Publikum mit vielen Covern wie „schwule Mädchen“ von FETTES BROT oder auch „Schrei nach Liebe“ von DIE ÄRZTE. Darüber hinaus fühlte sich gerade der Gitarrist an diesem Tag wohl sauwohl und poste durchgehend für Kamera und Publikum.
Anschließend folgte mit FEINE SAHNE FISCHFILET mein persönliches Live-Highlight der letzten Jahre. Dass die Rostocker es verstehen, ihr Publikum zu begeistern, ist allgemein bekannt und auch mithilfe von Youtube und co. schnell nachzuvollziehen. Live hat das aber noch einmal eine ganz andere Qualität. Ohne großartig in die Trickkiste zu greifen, wird ab dem ersten Song fröhlich eskaliert. Bier strömt über den dicken Laib von Sänger „Monchi“, ein Schlauchboot samt Besatzung bahnt sich seinen Weg über die Menge und ununterbrochen kommt diverse Pyrotechnik zum Einsatz. Anfangs wurden im Publikum diverse Rauchfackeln gezündet, bevor es schließlich auf der Bühne damit weiterging. Den Fotografen gingen die Motive jedenfalls nicht aus, die Menge feierte die Band durchgehend ekstatisch ab und versuchte sich an Stage Diving Moves, Circle Pits und Pogoeinlagen. Als ein Besucher inmitten dieser Feierei etwas unsanft vom Ordner angefasst und hinausgeführt wurde, unterbrach die Band den Song und bestand darauf, dass er wieder zurück in den Pogo durfte. Gesehen habe ich ihn dort allerdings fortan nicht mehr. Neben den Klassikern wie „warten auf das Meer“ „komplett im Arsch“ oder „Wut“ spielten die Rostocker auch einen neuen Song mit dem Titel „wir haben immer noch uns“ und kündigten damit zugleich weiteres neues Material an.
Nach diesem grandiosen Eindrücken verpassten wir die ARCHITECTS nebenan, die allerdings musikalisch auch nicht unseren Geschmack trafen und waren rechtzeitig bei den DROPKICK MURPHYS wieder am Bühnengraben. Die Bostoner haben wir schon ein paar Mal live erleben dürfen, hatten nun aber auch schon längere Zeit nicht mehr das Vergnügen. So hat sich auch im Laufe der letzten Jahre auch die Zusammensetzung der Band etwas verändert. Auf den Ohren machten sich diese Veränderungen dadurch bemerkbar, dass alte Songs komplett in der Setlist fehlten. Alte Hits wie „for Bosten“, „wild Rover“, „Skinhead on the MBTA“, „Boys on the docks“ vermisste ich somit schmerzlich. Nichtsdestotrotz haben die MURPHYS auch mit der Auswahl aus ihren letzten Alben eine Menge zu bieten und begeisterten das Publikum unter anderem mit “Boatsman“, „Boys are back“, „hang em high“, dem x-ten Cover von „You’ll never walk alone“, „Rose Tattoo“, „johnny I hardly knew ya“ und ihrem erfolgreichsten Song „Shipping up to Bosten“. Es war schon geil, die Jungs nach langer Zeit mal wieder zu sehen, aber dennoch war ich auch etwas traurig, dass die Klassiker der alten Schule scheinbar keine Beachtung mehr finden. Aber vielleicht war dieses auch dem begrenzten Zeitraum von lediglich einer Stunde geschuldet.!?
A DAY TO REMEMBER betraten die benachbarte Bühne mit einem fulminanten Konfettiregen und legten mit weiteren optischen Highlights wie riesigen Gummibällen und einem bunten Bühnenbild nach. Dieses Schauspiel mussten wir uns aus der Entfernung ansehen und hören, da wir zu diesem Zeitpunkt leider keine Chance hatten, pünktlich auf der anderen Seite zu sein, um die Band auch fotografisch festzuhalten. Schade, aber man muss ja noch Ziele im Leben haben.
Unser persönliches Highlight sollten dann aber eh die BROILERS sein, welche hier als Headliner antraten. Vor 10 Jahren spielten sie noch nachmittags auf der kleinen Bühne und nahmen sich Zeit für Fotos und Gespräche mit uns. Damals kannten sie nur die wenigsten der Festivalbesucher. Heute sah das etwas anders aus, weshalb einige Besucher wohl sogar hauptsächlich oder ausschließlich für sie angereist waren. Mein letzter Konzertbesuch bei den BROILERS ist nun schon 2,5 Jahre vergangen und nicht unbedingt in bester Erinnerung. Nach zahlreichen spaßigen und teils legendären BROILERS-Konzerten in den letzten 12 Jahren sollte ausgerechnet das 20 Jahres-Konzert im Düsseldorfer ISS DOME, die Freude an der Band vorerst trüben. Die dortige „Popcorn-Event-Atmosphäre“ und das komplett durchgeplante und choreographierte Set hatte mit den BROILERS, die ich mal lieben gelernt hatte, nicht mehr viel zu tun. Auf dem Vainstream war natürlich eine ganz andere Atmosphäre angesagt und durch die etwas anarchischen Strukturen wirkte die Band für mich auch wieder „echt“. Zwar spielten sie für meinen Geschmack immer noch 4 Songs zu viel vom Album „Noir“, aber die bekannten Klassiker wie „harter Weg“, „zurück zum Beton“ oder „meine Sache“ waren genauso an Board wie alte Gassenhauer à la „Paul der Hooligan“ oder „Blume“. Zusätzlich wissen die neuen Songs vom Album „sic!“ auch live durchaus zu gefallen und funktionieren einfach. Alles in allem war dieses einstündige Konzert ziemlich grandios und konnte an vergangene BROILERS-Konzerterlebnisse anknüpfen.
So verließen wir das Gelände pünktlich um 22.30 Uhr mit bester Laune und einem Lächeln im Gesicht. Alles in allem war das Festival sowohl für uns als wohl auch für die restlichen der 15.000 Besucher und den Veranstaltern ein voller Erfolg. Ich persönlich könnte hier gut auf ein bisschen Quantität verzichten, um kleine Pausen zwischen den Konzerten einzubauen oder auch einzelne Konzerte zu verlängern. Aber so wird einem wiederum auch Jahr für Jahr ein wahnsinnig riesiges Programm geboten, was man andernorts nicht mal über drei Tage vorfindet. Insofern freue ich mich auf ein ähnlich spannendes Line-Up im nächsten Jahr, womit ein vierter Besuch auf dem Festival wohl sicher wäre.
Copyright Fotos: Sascha Uding
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