VNV NATION – TRAITRS

Ort: Bielefeld – Lokschuppen

Datum: 10.03.2023

Bereits seit 1990 sorgt Ronan Harris mit seinem Future-Pop-Projekt VNV NATION für Furore in der schwarzen Szene. Von 1995 bis 2017 stand dem glatzköpfigen Fronter und Mastermind der großgewachsene Mark Jackson an den E-Drums zur Seite. Nach dessen Ausscheiden erschien 2018 das zehnte Studioalbum „Noire“ und chartete in Deutschland bis auf #4. Die Konzertreise zu dieser Platte war dann auch meine letzte Gelegenheit, VNV NATION live zu erleben. Beinahe viereinhalb Jahre später steht die nächste Langrille „Electric Sun“ in den Startlöchern (VÖ-Termin 14.04.2023) und Ronan Harris beehrt erneut den Bielefelder Lokschuppen. Was habe ich mich auf diesen Freitagabend gefreut! Und dann? Totales Schneechaos in Osnabrück und die schwere Entscheidung, vernünftig zu sein und nicht 50 km mit dem Auto zu fahren, nachdem die 16 km vom Job bis nach Hause schon eine Stunde gedauert hatten. Glücklicherweise hatte unser Fotograf Jörg Rambow eine kürzere Anreise und kann unserer Leserschaft zumindest einen optischen Eindruck vom Konzert bieten und weiß zudem auch zu berichten, wie sich der Support TRAITRS in der Puddinghauptstadt geschlagen hat.

Von einigen Leuten wurde ich vorab auf die TRAITRS hingewiesen: Das könnte dir gefallen, ist doch so deine musikalische Richtung und schau sie dir bei der Gelegenheit mal an, die spielen in Bielefeld. Das bezog sich aber auf einen späteren Termin im Movie. Da trifft es sich ja gut, dass ich vorab schon mal die Möglichkeit hatte, sie als Support für VNV NATION kennenzulernen. Gerade noch rechtzeitig erreichte ich bei diesem Schneetreiben die Location. Unten am Parkplatz herrschte Chaos und die genervten Leute hupten sich gegenseitig an. Musste es ausgerechnet jetzt so heftig schneien?

Nichtsdestotrotz enterten pünktlich um 20 Uhr die beiden Kanadier Sean-Patrick Nolan (keys) und Shawn Tucker (voc, git) die Stage und legten gleich mit „Oh, Ballerina“ vom aktuellen Longplayer „Horses In The Abattoir“ los. Das Duo spielt Post Punk/Coldwave und das Publikum ging vom ersten Song an verdammt gut mit. Obwohl die TRAITRS seit ihrer Gründung 2015 schon einige Alben und EPs veröffentlicht haben, reichte die knappe halbe Stunde nur für einige Lieder von den letzten beiden VÖs. „Still From Her Sores“, „The Lovely Wounded“ und „Thin Flesh“ stammten vom 2018er Werk „Butcher`s Coin“, welches seinerzeit mit guten Kritiken überschüttet wurde und auch hier und heute wurden die Songs abgefeiert. Alles in allem erinnerte mich das Ganze irgendwie an die frühen THE CURE, was hauptsächlich irgendwie am Gesang des Herrn Tucker lag. Überschwänglich bedankte sich der Frontmann mehrmals bei den Fans für deren großartigen Support und wer von den TRAITRS an diesem Abend nicht genug bekommen hat, sollte sich den 10.05.2023 merken, denn da sind die beiden aus Toronto wieder in Bielefeld. Zusammen mit ROSI werden sie das Movie rocken. Da die TRAITRS mich als Vorband von VNV NATION voll überzeugt haben, werde ich es mir nicht nehmen lassen, auch diesen Gig zu besuchen.

Setlist TRAITRS (ohne Gewähr)

• Oh, Ballerina
• Mouth Poisons
• Still From Her Sores
• Magdalene
• The Lovely Wounded
• The Suffering of Spiders
• Thin Flesh
• The Way Through a Bird`s Love

Nach diesem gelungenen Konzertauftakt standen die Hauptakteure des Abends auf der Bühne: allen voran natürlich Ronan Harris, der von zwei Herren an den Tasten flankiert wurde und einen weiteren Musiker an den E-Drums im Rücken hatte. Versprochen hatte der Wahl-Hamburger eine unglaubliche Live-Show aus Sound, Licht und Leidenschaft. Wie gern hätte ich mich persönlich davon überzeugt, wieviel VNV NATION von diesem Versprechen umsetzen konnten! Ich habe mir jedoch sagen lassen, dass der Abend (abgesehen vom Sauwetter) ein voller Erfolg war. Der Lokschuppen war nicht nur sehr gut gefüllt, sondern auch in bester Feierlaune. Auch die neuen Songs wie der Opener „Before The Rain“ oder auch „Invictus“ und „Prophet“ wurden direkt abgefeiert und OWL bewies wohl bei den älteren Stücken zudem absolute Textsicherheit und zeigte sich außerdem erstaunlich bewegungsfreudig. Untermalt wurde der akustische Genuss von einer opulenten Lightshow, so dass keine Wünsche offenblieben. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass „Nova“ vom 2011er „Automatic“-Album immer zu einem besonders emotionalen Highlight eines VNV-NATION-Gigs zählt. So war es auch im mittlerweile ebenfalls total verschneiten Bielefeld, wobei sich das Auditorium glücklich schätze konnte, dass Ronan noch einigermaßen bei Stimme war. Der extrem sympathische 55-jährige kämpfte an diesem Abend bereits mit Erkältungserscheinungen, zweite Tage später in Bremen nahm das Drama dann allerdings seinen Lauf und im ersten Zugabenblock blieb bei „Solitary“ (1998 auf der gleichnamigen EP und der Langrille „Praise The Fallen“ erschienen) endgültig die Stimme weg. Grund war hier wohl eine Form von Asthma, die Ronan auf die Stimmbänder geschlagen war. Konzert abbrechen? Das ist nicht der Anspruch, den Mr. Harris an sich hat und so überließ er einfach mal der Crowd die Vocals. Im Lokschuppen haben der Zeremonienmeister und seine Anhängerschaft die Nummer noch gemeinsam performt und garantiert sorgte dieser Moment für jede Menge Gänsehaut. „All Our Sins“ vom letzten Studio-Output beendete den Abend schließlich musikalisch, Ronan nahm sich jedoch noch Zeit für seine Fans, von denen auch etliche noch zur Konservenmusik weitertanzen wollten. Hoffen wir, dass alle Besucher:innen heil nach Hause gekommen sind!

Setlist VNV NATION (ohne Gewähr)

• Before The Rain
• Sentinel
• Primary
• The Farthest Star
• When Is The Future?
• Retaliate
• Epicentre
• Chrome
• Control
• Further
• Homeward
• Invictus
• Immersed
• Resolution
• Prophet
• Illusion
• Solitary
• Darkangel

• Nova
• All Our Sins

Leider mussten VNV NATION heute (16.03.2023) eine Tourpause verkünden, denn die Bremer Stimmprobleme haben sich bei Ronan zu einer hartnäckigen Kehlkopfentzündung ausgewachsen. Deshalb sind die Auftritte in Köln, Berlin, Warschau und Prag in den Mai verlegt worden. Wir wünschen ihm von dieser Stelle baldige Genesung und freuen uns auf den Silberling „Electric Sun“, dessen Texte die Fanbase bis zu den Nachholterminen noch locker auswendig lernen kann. 😉

Copyright Fotos: Jörg Rambow