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WAVE GOTIK TREFFEN 2018 – TAG 2

Ort: Leipzig – WGT

Datum: 19.05.2018

SECOND STILL (Täubchental)

Zum Auftakt des zweiten Festivaltages ging es zuerst in den Süden der Stadt ins Heidnische Dorf, um unsere Energiereserven für den bevorstehenden Abend aufzufüllen – und hierfür bleibt bei dem umfangreichen kulinarischen Angebot kaum ein Wunsch offen. Dass dank Musik von zwei Bühnen sowie weiteren Ständen, wo allerlei Handwerkskunst feilgeboten wurde, verbreitete mittelalterliche Flair versetzte uns schon fast in eine zum Bleiben verlockende Stimmung, als es Zeit wurde aufzubrechen. Am Täubchental angekommen suchten wir den direkten Weg zur Bühne und konnten den gemütlichen Außenbereich mit verschiedenen Sitzecken und weiteren Ruhezonen in der oberen Etage gar nicht nutzen, weil SECOND STILL schon auf der Bühne aktiv waren. Nur mit Mühe gelang es in ihre Nähe zu kommen, um einen Blick auf Sängerin Suki San, Alex Hartman am Bass und Ryan Walker an der Gitarre zu werfen. Die Frontfrau in rotem Lackoberteil und schwarzen Hot Pants hatte sich zwischen zwei Korg Synthies positioniert, die der zierlichen Person nicht nur zum Erzeugen der elektronischen Klänge sondern auch etwas zum Schutz zu dienen schienen. Musikalisch erinnerte die Post Punk Band aus Kalifornien dank der angesichts der schmalen Sängerin überraschend dunklen Stimme an eine poppige Version von SIOUXSIE AND THE BANSHEES. Zu hören waren nicht nur Songs ihres ersten der Band gleichnamigen Albums, sondern auch von den bereits drei veröffentlichten EPs der erst in 2016 gegründeten Gruppe. Da unser nächster Programmpunkt im Schauspielhaus stattfand, brachen wir vor Konzertende auf, um einen der heißbegehrten Sitzplätze im Theatersaal einnehmen zu können.

MONICA RICHARDS & ANTHONY JONES (Schauspielhaus)

Nachdem wir mit Fernglas ausgerüstet auf dem Balkon Platz genommen hatten, konnten wir das Geschehen auf der Bühne bestens verfolgen, das MONICA RICHARDS mit dem musikalischen Partner ihrer aktuellsten Veröffentlichung, ANTHONY JONES, bot. Die Lady mit der markanten Stimme dürfte den meisten von ihrem über 15-jährigen Projekt FAITH AND THE MUSE bekannt sein und war 2011 zuletzt beim WGT mit der Show zu ihrem Solo Album „InfraWarrior“ zu sehen – den Auftritt am gestrigen Freitag mit THE EDEN HOUSE im Agra Treffenpark nicht mitgezählt. Von diesem Solo Album wurde der Song „Death is the Ultimate Woman“ ins Live Set aufgenommen, bei dem MONICA einer Waldfee gleich mit einem an seinen Verästelungen mit einer kleinen Lichtkette verzierten Wander- (oder doch Zauber?) Stab auftrat. Nicht nur optisch machte die seit Anfang der 1980ern in diversen Formationen aktive Sängerin in stilechten Strapsen unter einem schwarzen Tüllkleid, das zu Beginn von einem grünen Designermantel bedeckt war, für unseren Geschmack deutlich mehr her. Der Konzertabend war jedoch im Sinne ihres gemeinsamen Albums beinahe abwechselnd mit je einem von ihr und anschließend von ANTHONY JONES gesungenen Titel gestaltet, was so in unseren Ohren zu einem Wechselbad der Gefühle führte. Während er seine meist extrem poppigen Titel im Stile einer Schlagerqueen präsentierte, übernahm er bei den von MONICA RICHARDS gesungenen Stücken den Co-Gesang und spielte ein indisches Harmonium. Das Bühnenbild wurde komplettiert von weiteren Musikern an E-Gitarre, Bass und Soundmachine sowie an die Leinwand projizierte gotische Fenster mit Blick auf wechselnde Landschaften. Musikalisch bewegte sich der Abend neben einigen Ausreißern zwischen Goth Rock und Weltmusik.

SIGLO XX (Felsenkeller)

Zum vorletzten Konzert unseres heutigen Abends ging es in den Felsenkeller zu einer belgischen Cold Wave Band, die von 1978 bis 1990 aktiv war und die es heute mit einem exklusiven Konzert zu erleben gab. Nachdem die Herren von SIGLO XX mit diversen mehr oder weniger stark gekühlten Getränken auf der Bühne versorgt waren sowie ihren über 20 minütigen Soundcheck vollendet hatten, begannen die Musiker um die Gründungsmitglieder Antonio Palermo an der Gitarre und Klaas Hoogerwaard am Schlagzeug mit ihrem Ausflug in die Vergangenheit. Das Intro zum ersten Song „Babies On A Battlefield“ ertönte mit slawischen Klassikklängen, die meiner Recherche nach aus der zweiten Ungarischen Rhapsodie von Franz Liszt stammten und ebenfalls auf dem 1984 veröffentlichten „Dubbel Album“ zu hören sind. Von diesem Doppelalbum wurde auch der Hit „The Art Of War“ zum Besten gegeben, der die musikalischen Vergleiche mit ihren Zeitgenossen JOY DIVISION recht einleuchtend verständlich macht. Insgesamt bot die Band eine abwechslungsreiche Mischung von teils treibend rockigen, teils schwermütig ruhigen Titeln, die alle Fans der ersten Stunden mitsingen und ganz sicher viele neue Fans dazu gewinnen lies. Mit etwas Glück gibt es vielleicht weitere Gelegenheiten, die Herren nochmals zu erleben, denn Antonio Palermo und Klaas Hoogerwaard sind seit 2015 mit ihrem Nachfolgeprojekt HONEYMOON COWBOYS unterwegs.

WARDRUNA (Agra-Halle)

Mit etwas gemischten Gefühlen fuhren wir zum heutigen Mitternachts Special in die Agra-Halle – ob die Halle mit Betonboden und Stahlpfosten der passende Ort für die Klänge ist, die EINAR SELVIK nach eingehendem Studium der norwegischen Historie und Rundenkunde in seinem 2003 zusammen mit Co-Sängerin LINDY FAY HELLA sowie seinem GORGOROTH-Bandkollegen KRISTIAN ESPEDAL aka GAAHL ins Leben gerufene Projekt WARDRUNA musikalisch umsetzt. Die Halle war schon vor Beginn des Konzertes gut gefüllt und es kamen noch weitere Zuhörer hinzu, so dass die Musiker auf ein kleines Menschenmeer blicken konnten. Schon mit den ersten Tönen, die von zwei Luren, auch als Kriegstrompeten bezeichnete nordische Blasinstrumente aus Bronze geprägt waren, war klar, dass es ein großartiges Klangerlebnis werden würde. Auch optisch konnte mit einfachen Effekten die passende Stimmung verbreitet werden, indem die Musiker mit Scheinwerfern, die im Laufe des Konzertes dezent den Farbton wechselten, so angestrahlt wurden, dass ihre Umrisse einem großen Schattenspiel gleich auf die mit schlichtem Tarnnetz bedeckte Rückwand projiziert wurden. Auch ohne die cineastischen Bilder der Wikinger Serie wusste der Sound zu überzeugen und uns in die Zeit zurück versetzt zu fühlen – neben diversem Schlagwerk kamen Blasinstrumente aus Horn sowie historische Streich- und Zupfinstrumente zum Einsatz. Dass alle sechs Musiker auf der Bühne vollen Einsatz brachten, war ihnen auch aus der Ferne der Publikumsmenge anzusehen, etwa wenn LINDY aus geschätzt einem Meter kurze laute Schreie ins Mikro ausstieß oder von womöglich traditionellen Tänzen inspirierte Schritte und Sprünge vollbrachte. Insgesamt ein wirklich gelungenes Konzert, was mit dem kleinen Einblick in die historischen Hintergründe aus dem Soloauftritt von EINAR am Vorabend im Gedächtnis noch eindrucksvoller wirkte. Zum Abschied dann „Helvegen“, ein Lied über Menschen, die man verloren hat und über das Gehenlassen – ein Titel mit Gänsehautgarantie.

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