Ort: Leipzig – WGT
Datum: 20.05.2018
SULD (Heidnisches Dorf)
Zum Sonntagsausflug hatten sich so viele Besucher vor dem Tor zum Heidnischen Dorf eingefunden, dass EIN Wegbier kaum genügte, um die Wartezeit bis zum Einlass zu überbrücken. Unser erster musikalischer Programmpunkt startete – in diesem Fall günstiger Weise mit über einstündiger Verspätung: den weiten Weg aus der Mongolei angetreten waren SULD, eine vierköpfige Band bestehend aus zwei sehr jungen und drei Herren mittleren Alters. Während der jugendliche Sänger die meist von Kehlkopfgesang geprägten Titel vortrug und sich mit seinem Altersgenossen am Bass in westlicher Rockmanier auf der Bühne austobte, spielte einer der erfahreneren Musiker die Pferdekopfgeige. Dieses – laut Wikipedia – wichtigste und als nationales Symbol geltende Musikinstrument der Mongolen ist eine zweisaitige Kastenspießlaute, deren oberes Halsende als Pferdekopf geformt ist und mit dem Bogen gestrichen wird. Um ihrer Mission nachzukommen, die von ihren Vorfahren übermittelten traditionellen Lieder einem breiteren Publikum zugänglich zu machen, setzen die – wenn man ihren Bandnamen ins Englische überträgt – „City Rider“ mit Schlagzeug, E-Bass und Gitarre nicht nur moderne Instrumente ein, sondern mischen auch Stilelemente aus Rock und Metal in ihre Titel. Ihre Texte sind als Kommunikation mit der Natur zu verstehen und sind wie beim Titel „Mongolian Horse“ besonders einprägsam zu hören, akustisch entsprechend umgesetzt. An den metallischen Part anknüpfend, wurde das WGT Programm nach einer kleinen Pause an diesem Abend fortgesetzt im Felsenkeller.
TIAMAT (Felsenkeller)
Auch die Schweden um Sänger JOHAN EDLUND nahmen ihr Publikum mit auf eine Reise in die Vergangenheit – wie wir schon über die eine oder andere Gruppe an den Vortagen berichten konnten. Die ersten beiden Alben „Clouds“ und „Wildhoney“, die von der nach der babylonischen Göttin TIAMAT benannten Band veröffentlicht wurden, kamen beinahe vollständig zur Aufführung. Sänger Johan gezeichnet von den schwierigen Erlebnissen seiner jüngsten Vergangenheit trat zunächst mit Basecap und Sonnenbrille ‚getarnt‘ auf die Bühne und verhielt sich scheinbar seine Kraft sparend recht zurückhaltend. Im Laufe des Konzertes nahm er dann nicht nur Kopfbedeckung und Sonnenbrille ab, sondern auch immer wieder Kontakt mit dem Publikum auf, das größtenteils textsicher und kopfnickend, immer wieder die Arme mit der allseits bekannten Geste „mano cornuta“ in die Luft streckend mitging. Nach dem teilweise sprechgesangartig vorgetragenen „Undressed“ legten die Musiker eine kurze Pause ein, um anschließend mit einer Auswahl von der 1994 erschienen Platte „Wildhoney“ fortzusetzen. Das Set ging – zumindest für Freunde der gitarrenlastigen Klänge – unter die Haut und bot neben dem bekannten Black- und Death-Metal Sound bei „Do You Dream Of Me?“ auch ein psychedelisches quasi unplugged gespieltes Stück, was gänzlich ohne kreischende E-Gitarre und treibende Drums auskam. Gegen Mitternacht endete das dunkeldüstere Konzert, dessen unumkehrbares Ende mit dem durch offensichtlich erhöhten, vom Bassisten aufgebrachten, Kraftaufwand bis zum erfolgreichen Zerschlagen seines Instrumentes auf dem Bühnenboden gekennzeichnet war.
ROSA CRVX (Schauspielhaus)
Das Ambiente des Schauspielhauses bot eine exzellente Bühne für die 1984 in Roune gegründete französische Musikformation ROSA CRVX, die in ihren Werken neoklassische Elemente mit avantgardistischen Klängen vereint und ihren Stil selbst als Dark Ritual bezeichnet. Sie steht dabei unter einem großen Einfluss der Musik der sakralen Kunst, da sie, wie zum Beispiel VIRGIN PRUNES oder THE MOON LAY HIDDEN BENEATH A CLOUD, das Ritual des Heidentums stark thematisiert. Charakteristisch sind zudem die liturgischen Texte und esoterischen Formeln in lateinischer Sprache sowie die aufwändig gestalteten Bühnenshows. Eine solche konnten auch wir erleben: auf der linken Seite stand eine Formation aus Skeletten, die durch einen elektromagnetischen Prozess die Trommeln im Takt selber anschlugen. Was im Übrigen eine Erfindung der Band selber ist und ganz korrekt B.A.M. – Batterie Acoustique Midi – heißt. Auf der rechten Seite stand ein Glockenbaum mit 10 ursprünglichen Glocken in verschiedenen Größen und ein Piano. Die Glocken wurden ebenfalls von der Band in der Nähe von Rouen selbst gegossen und aufwändig verarbeitet. Es begrüßte der Sänger Olivier Tarabo eher zurückhaltend das Publikum und ließ der Performance ihren Lauf. Es begann mit „alten“, schweren Tönen: düster, rituell, leicht folkloristische, sakrale Einflüsse, aber nicht verspielt, sondern eher schräg bis mystisch, gepaart mit der eigenartig markanten Stimme des Sängers. Hervorzuheben waren die selbst produzierten Videos, die das Konzert von Anfang bis Ende wie eine Geschichte thematisch untermalten. Ich erinnere mich an Rattengewusel im Sand, an einen nackten Mann in einem Eisenkäfig gefangen, an nächtliche, liturgisch scheinende Vollmond-Prozessionen durch die Pariser Katakomben und nackte Frauen, die sich einem rituell anmutenden Reinigungsprozess hingeben, indem statt Wasser Erde verwendet wird. Der Einsatz dieser Darstellerinnen gehörte ebenfalls zum Teil der Bühnenperformance und bot den Zuschauern ein wahres Augenspektakel. Quintessenz des Konzertes: ein wahrer Hör- und Sehschmaus.
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