Ort: Osnabrück - Lagerhalle
Datum: 24.10.2008
An diesem Abend nun stand also mit dem ersten Gastspiel WELLE:ERDBALLs in Osnabrück eine echte Premiere an – umso irritierter war ich, als sich nach meiner Ankunft rund 20 Minuten vor Veranstaltungsbeginn noch nicht die erwarteten Menschentrauben vor oder in der Lagerhalle zeigen wollten. Aber dergleichen hat man ja nun leider schon recht häufig erlebt in Osnabrück. Vorteilhaft an der anfänglichen Leere erwies sich allerdings, dass ein jeder Besucher beim Betreten des Veranstaltungsraumes ganz persönlich mit einer kleinen Tüte Popcorn bedacht wurde – passend zur Vorführung des neuen Outputs filmischer Natur, „Operation: Zeitsturm“, der im Vorprogramm des eigentlichen Konzerts gezeigt wurde.
Vielleicht lag die eingangs geringe Besucherzahl auch gerade an diesem filmerischen Einstieg in den Abend, den der eine oder andere Musikfreund geschickt aussparen wollte. Auch ich selbst, die ich den Film bereits auf einer der Aufführungen im Rahmen des diesjährigen WGTs gesehen hatte, verließ zwischendurch den Veranstaltungsraum und gönnte mir eine Pause bei einer Tasse Kaffee. War doch arg lang, die ganze Zeit stehend auf die bewegten Bilder eines Filmes zu starren, der zwischendurch schlichtweg langatmig und unspektakulär daher kommt. Die Gags mit und um den legendären C-64 sowie anderer Klamauk waren beim zweiten Mal schauen auch nicht mehr ganz so erheiternd, muss ich gestehen.
Hier ein kleiner Abriss des Geschehens, das in Deutschland und Österreich in den 1940ern angesiedelt ist: Ein etwas schrulliger Professor entwickelt den Plan für eine Zeitmaschine, die Adolf Hitler für seine Zwecke missbrauchen möchte. Besagter Professor und seine Tochter, gespielt von Plastique, werden im Folgenden von den Nazis gefangen genommen, um die Fertigstellung der Zeitmaschine zu erzwingen. Die Tochter landet – um es kurz zu machen – irgendwann im Zeitspeicher der Maschine und wird letztlich durch die Alter Egos von Honey, A.L.F. und Frl. Venus, die Dekaden später auf die Tagebuchaufzeichnungen des Professors stoßen, gerettet. Neben der streckenweise doch recht schwerfällig konstruierten Story kam an diesem Abend nun noch besonders zum Tragen, dass sich die Dauer des Filmes auf ganze 80 Minuten Spielzeit beläuft. Deutlich zu lang für die Rahmenbedingungen dieser Veranstaltung. So ließ es sich folglich nicht vermeiden, dass man im Publikumsraum auf zunehmend länger werdende Gesichter blickte und hier und da Unmutsbekundungen zum Ausdruck kamen. Die Atmosphäre jedenfalls, die somit kreiert wurde, bot nicht den idealen Nährboden für ein frenetisch gefeiertes Konzert. Und so sollte es auch noch länger als ohnehin schon dauern, bis das gewohnt verhaltene Osnabrücker Publikum – inzwischen allerdings im Verhältnis beachtlich angewachsen – bei den Klängen WELLE:ERDBALLs warm wurde.
Glücklicherweise ohne Zeitverzug schloss sich der musikalische Part des Abends an die Filmvorführung an, indem direkt nach dem Abspann die Leinwand von der Bühne abmontiert und durch zwei sehr behelfsmäßig aussehende und zudem das Bühnenbild störende Aufsteller für Beamer ersetzt wurde. Schnell wurde deutlich, dass das Bühnenkonzept hier nicht wirklich stimmig erschien; war alles sehr eng und gedrungen. Aber mit den vier Schattenwänden, den Podesten für die Damen und einem kleinen Fleckchen hinter Honey, welches von A.L.F. okkupiert werden sollte, nebst der Elektronik war auch einiges auf der Bühne zu arrangieren. Die Gegebenheiten waren also nicht gerade ideal, also galt es, das Beste draus zu machen. Zu diesem Zeitpunkt bahnte sich im Übrigen schon an, dass dieser Abend keine Paradevorstellung für Frl. Venus werden würde, denn beim beherzten Versuch, das genannte Beamer-Gestell auf ihrer Seite der Bühne zu justieren, hatte sie prompt die ganze Apparatur in den Händen, so dass ein Roadie zur Hilfe eilen musste. Im weiteren Verlauf des Abends fiel sie dann recht häufig dadurch auf, einen unkonzentrierten und unsouveränen Eindruck zu hinterlassen: Immer wieder gerieten ihre als synchron mit Plastique intendierten Bewegungen kurzzeitig ins Stocken und ein flüchtiger Seitenblick wurde zu besagter Mitstreiterin geworfen, um sich neu zu orientieren.
Die Setlist an diesem Abend ließ eigentlich keine Wünsche offen, indem dem Thema des Films entsprechend eine kleine Zeitreise querbeet durch die Diskographie WELLE:ERDBALLs präsentiert wurde. Mit „Telefonsex“ bspw. griff man ganz weit zurück in eine sehr frühe Schaffensperiode, stellte darüber hinaus aber auch Titel vor, die erst im kommenden Jahr auf dem bevorstehenden Album „Operation: Zeitsturm“ veröffentlicht werden. „Zurück zum Start“ entpuppte sich hierbei als der Titel, den man auszugsweise schon im Film zu hören bekam, und bei „Es geht ab“ ist allein schon vom Tempo her der Name Programm. Begonnen wurde das Konzert mit dem derzeit charakteristischen „Die Roboter“-Cover der Elektronik-Veteranen KRAFTWERK. Neben den standardgemäß unverzichtbaren Klassikern wie etwa „Schweben, fliegen und fallen“, „Arbeit adelt!“ und „Monoton und minimal“ wurden auch andere musikalische Perlen dargeboten, so etwa „Deine Augen“, „Alles Lüge“ und „Wir wollen keine Menschen sein.“ Bei „Hoch die Fahnen!“ schwenkten Plastique und Frl. Venus selbige nach besten Möglichkeiten, wirklich ausladende Bewegungen waren auf dieser Bühne aber nicht zu realisieren. Darüber hinaus fanden weitere altbewährte Showelemente Verwendung, wie etwa die Riesen-Luftballons für das Publikum, Papierflieger, eine liebevolle Hommage an den guten alten C-64, Videoprojektionen sowie adrett zu recht gemachte Frl. Venus und Plastique, die sich für die diversen Kostümwechsel publikumswirksam hinter den Schattenwänden entblätterten. Passend zur Anti-Fernseh-Debatte um Marcel Reich-Ranicki argumentierte Honey in ähnlicher Weise, bevor das thematisch korrespondierende „Wo kommen all die Geister her?“ dargeboten wurde.
Ziemlich nervtötend erwiesen sich allerdings einige Zuschauer, die bei Plastiques „Ich bin aus Plastik“ in johlende „Ausziehen!“-Rufe überwechselten – die allerdings so gesehen ein echtes Pendant zu den ansonsten allenthalben aus gleicher Richtung zu vernehmenden „Starfighter! Starfighter!“-Tiraden boten. Mein Tipp: Das nächste Mal besser bei einem schönen Kasten Bier zu Hause hinsetzen, letztere Songs auf der heimischen Anlage auf Repeat stellen und beim kollektiven Gucken der Sexy Sportclips auf DSF rote Ohren bekommen. Auch Honey selbst sprach zwischenzeitlich – wenn auch mit Augenzwinkern – von einer Bierzeltatmosphäre und gestand dann auch noch, dass man des sehr schleppenden Vorverkaufs halber daran gedacht habe, den Auftritt in Osnabrück von der Tourliste zu streichen. Sein Fazit: Der Gig in Dresden sei – keine große Überraschung – der bis dato Beste der Tour gewesen, Osnabrück allerdings erhielt von ihm das Prädikat „gemütlichstes Konzert“. Immerhin. Man sei ja nun quasi allesamt als Schwippschwager und -schwägerinnen miteinander verbändelt.
Nach grandiosen rund 2:15 Spielzeit (das entspricht 30 Titeln) verließ die neu gewonnene Verwandtschaft die Bühne, um den verdienten Feierabend zu begehen. Die weiteren Tourdaten WELLE:ERDBALLs kann ich jedem nur wärmstens ans Herz legen!
Setlist
Die Roboter
…
Gib mir mein Gefühl zurück
Wir wollen keine Menschen sein
Zurück zum Start
Mensch aus Glas
Grüße von der Orion
Hoch die Fahnen!
Ich bin aus Plastik
Das Alpha-Tier
Schweben, fliegen und fallen
0173-1923954
Contergan
Wizard of Wor
8-Bit Märchenland
Super 8
VW-Käfer
Der Telegraph
Arbeit adelt!
23
Deine Augen
Alles Lüge
Starfighter F104G
Es geht ab
Wo kommen all die Geister her?
Lebendig begraben
Ich bin nicht von dieser Welt
Monoton und minimal
Telefonsex
Es geht voran
Copyright Fotos: Dirk Ruchay
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.