Konzert Filter

WESTERNHAGEN – BENJROSE

Ort: Halle/ Westf. – Gerry Weber Stadion

Datum: 11.10.2015

Es ist vermessen und ja, sogar ein wenig naiv, den Künstler MARIUS MÜLLER WESTERNHAGEN auf seine bekannten Partyhits „Sexy“, „Willenlos“ und Co. zu reduzieren, die auf jeder Hochzeit gespielt werden. Der 66-jährige ist seit jeher ein Künstler mit Anspruch und will diesen auch auf seinen Live-Konzerten darstellen. Ob das so neu ist? Ich denke nicht. Genau das könnte man aber meinen, wenn man sich die Konzert-Rezensionen der Gazetten in diesen Tagen durchliest. Auch wenn ich vorher noch nicht in den Genuss eines WESTERNHAGEN-Live-Konzertes gekommen war, habe ich ihn immer als jemanden wahrgenommen, der mehr verkörpert, als die mitgröhl-kompatiblen Feten-Songs. Genau das habe ich auch an diesem Abend im Haller Gerry Weber Stadion so empfunden…

Bevor ich an dieser Stelle aber zu viel vorweg nehme, möchte ich lieber von vorne anfangen: Der Weg zum Stadion erfordert Geduld, wenn man (wie ich) über die berüchtigte B68 per Auto anreist. Geduld ist zugegebenermaßen nicht unbedingt meine Stärke… Aber was nützt das Meckern? Bekanntlich nicht viel. Statt über die Infrastruktur zu schimpfen, sollte man wohl lieber dem guten Herrn Weber dankbar sein, dass er einst einen solchen Tempel hier in der „Pampa“ errichtet hat. Das Stadion ist in der deutschen Tennis-Historie längst eine Legende. Aber seit der Fertigstellung 1993 fanden und finden hier auch etliche weitere Events statt. So waren hier nicht nur sämtliche Sportarten bereits zu Gast, sondern auch eine Vielzahl an nationalen und internationalen Künstlern. Ich persönlich kenne das Stadion bereits durch einige Besuche, war aber bis dato auch noch nie zu einem Konzert hier. Und da habe ich doch glatt eine Gemeinsamkeit mit dem heutigen Stargast WESTERNHAGEN. 

Schlussendlich sollte ich just in time zum Auftritt von Support BENJROSE eingetroffen und passend ausgerüstet sein, um diesen zu fotografieren. Der junge Kölner kommt optisch daher wie ein Reggae-Musiker, legt aber eine Rock-Nummer auf die Mini-Bühne vor dem großen Vorhang, die ihm und seiner Band hier zugestanden werden.

Mit etwas Verzögerung fällt dann schließlich selbiger um 19.45 Uhr, und WESTERNHAGEN steht auf der gigantischen Bühne, die sich dahinter verbarg. Mit großem schwarzem Umhang und schwarzer Hose mit pompösen Nieten trumpft er bereits optisch auf. Der Titeltrack seines aktuellen Albums „Alphatier“ ist sogleich der Opener des Abends, bevor es mit zwei altbekannten Hits („Fertig“ und „mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz“) weiter geht. Die Bühnenchoreographie sieht vor, dass der Star einige Meter vor seiner Band und seinen Background-Musikern steht, um seine Songs zu performen. Das wirkt bereits nach kurzer Zeit etwas befremdlich, da er selbst immer wieder die Bindung zu seinen Kollegen sucht und sich im hinteren Teil der Bühne aufhält. Sein Alter merkt man ihm indes nur äußerlich an, wenn man ganz genau hinschaut – nicht aber in seiner Performance. Diese kommt kraftvoll und ein bisschen verrückt daher. Und genau da wären wir wieder an dem Punkt, dass MARIUS MÜLLER WESTERNHAGEN eben ein echter Künstler ist, der Klischees bedient und selbst bestätigt. Sein z.T. recht „irrer“ Blick und seine ständig herausgestreckte Zunge (eine Art Markenzeichen) unterstreichen das immer wieder. Die Show drum herum kann sich sehen lassen: Auf einer gigantischen Leinwand laufen Videos, Bildergalerien, Grafiken und Texte. Eine darauf abgestimmte Lightshow sorgt – je nach Bedarf – für die passende Stimmung. Man kann also sagen, dass man es ordentlich krachen lassen hat nach der längeren Live-Abstinenz in größeren Locations. Die 6.600 Zuschauer im nicht ganz ausverkauften Stadion werden nur langsam warm (obwohl es aufgrund der Heizstrahler an den Decken dort bereits unfassbar heiß ist) und gehen beim alten Klassiker „mit 18“ gar erst richtig aus sich raus und erheben sich von ihren Sitzplätzen.

Überhaupt ist dem Abend ein bisschen die „angezogene Handbremse“ anzumerken. Nicht nur der Künstler, sondern auch sein Publikum hat die wilde Jugend größtenteils schon hinter sich gelassen. So machen die Hits alter Zeiten wie „Taximann“, „Willenlos“, „Schweigen ist feige“, „Sexy“ und „Lass uns leben“ zwar durchaus Spaß, wirken mitunter aber auch etwas befremdlich, wenn Mittfünfzigerinnen sitzend und klatschend die Textzeile „..ich hab den größten Schwanz..!“ inotnieren. Die neueren Songs hingegen gehen gefühlt fast unter und wirkten oftmals wie eine Randerscheinung im Hintergrund. Irgendwann – mittendrin – kommt dann „Lichterloh“.  In dem Stück aus dem 2002er-Album „In den Wahnsinn“ geht es um Krieg, Gewalt, Revolution und Unterdrückung. Im Hintergrund laufen die viel zitierten gewalttätigen Bilder. Das kann man durchaus kritisieren, wenn man einen anspruchslosen „Popcorn-Abend“ erleben will, der lediglich zur Unterhaltung gedacht ist. Wer zu WESTERNHAGEN geht, sollte aber eigentlich wissen, dass es ihm auch um etwas Anderes geht. Ich persönlich denke hier genau, wie Kevin Spacey bereits 1995 im Film „Sieben“ sagte: „Wenn die Leute einem zuhören sollen, reicht es nicht, ihnen einfach auf die Schulter zu tippen. Man muß sie mit einem Vorschlaghammer treffen. Erst dann können Sie sich ihrer Aufmerksamkeit gewiß sein.“ Und daher: Chapeau Marius!

Nicht umsonst bekam WESTERNHAGEN schließlich 2001 das Bundesverdienstkreuz für sein gesellschaftspolitisches Engagement. Das wurde auch deutlich als er einen Song den ehrenamtlichen Helfern der Flüchtlingskrise widmete. Ein Verein wurde gar von ihm zu dem Konzert eingeladen und durfte nach Schluss noch Spenden an den Ausgängen sammeln. Höhepunkt und zugleich Schlusspunkt des eigentlichen Sets sollte „Sexy“ sein, das dann nahezu das gesamte Stadion aufstehen ließ. Das anschließend initiierte „oh wie ist das schön“ lässt darauf schließen, dass der Abend den Besuchern wohl durchaus gefallen hat und nur die wenigsten nachhaltig verstört in die Nacht entlassen werden.

Mein persönliches Fazit: WESTERNHAGEN ist einer der ganz wenigen deutschen „Überstars“ mit Weltruhm und dem dazugehörigen verkörperten Flair! Das versteht er auch im Jahr 2015 noch auf die Bühne zu bringen. Der Mann kann eben auch verdammt gut singen und ist ein positiv Verrückter, wie er im Buche steht. Das zu erleben war schon beeindruckend. Insgesamt aber bleibt das Gefühl von aufgewärmtem Essen. Die neuen Songs kommen bei mir selbst nicht wirklich an und die alten sind einfach nicht mehr so intensiv, wie sie einmal waren. Leider war es (auch generationsbedingt) für mich nicht möglich, eine seiner berühmten Stadientouren live zu erleben und so fehlt mir der direkte Vergleich. Nun ist es vielleicht wirklich besser, nach dieser Tour endgültig mit den Live-Shows abzuschließen und die schöne Zeit zu würdigen, die er seinem Publikum in den vergangenen 40 (!) Jahren beschert hat. Den nachhaltigsten Eindruck hat er mit dieser Show wohl vor allem in den Medien hinterlassen, die seine Leinwand-Weckrufe diskutieren und vielleicht damit genau das machen, was er ursprünglich erreichen wollte.

Setlist MARIUS MÜLLER WESTERNHAGEN
Alphatier
Fertig
Mit Pfefferminz bin ich dein Prinz
Liebe
Oh, Herr
Taximann
Willenlos
Ich bin besessen
Clown
Engel, ich weiss…
Mit 18
Lichterloh
Schweigen ist feige
Was ich will bist du
Lass‘ uns leben
Sexy

Halt mich noch einmal
Es geht mir gut
Wieder hier
Wir haben die Schnauze voll
Johnny W.

Copyright Fotos: Sascha Uding

Es ist noch kein Kommentar vorhanden.

Hinterlassen Sie einen Kommentar.

Mehr zu BENJROSE auf terrorverlag.com

Mehr zu WESTERNHAGEN auf terrorverlag.com