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WETO – ALLE IM SCHRANK

Ort: Hannover - Musikzentrum

Datum: 01.12.2006

Viel zu warm für einen Dezember war es an diesem 1.12.2006, was uns auf der Fahrt zum Musikzentrum immerhin davor bewahrte, in Schneewehen stecken zu bleiben oder in zu viele Unfallstaus zu geraten. Also kamen wir (über)pünktlich an und hatten genug Vorlaufzeit, um uns „konzertbereit“ für WETO zu machen. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nichts von einer Vorband, und erlebten eine durchaus angenehme Überraschung. Zuerst aber wunderten wir uns – beim Betreten der Konzerthalle – über den Ausschnitt einer sehr populären, angeblich unabhängigen und unparteiischen Zeitung, der am Keyboard hing: Britney Spears und ihr höschenloser Skandal. Wie erwartet war es zu diesem Zeitpunkt, eine halbe Stunde vor Konzertbeginn (gegen 20.30 Uhr), noch nicht allzu voll im Musikzentrum, hatte sich die Wiedervereinigung oder eher Neugründung von WETO aus SCHANDMÄULERN und Heiner von REGICIDE doch anscheinend noch nicht weit genug herumgesprochen. Um die 80 – 90 Leute saßen und standen im Konzertraum, belagerten den Merchandise-Stand oder unterhielten sich. Viele davon natürlich mit SCHANDMAUL-Shirts bekleidet, aber nicht der überwiegende Teil.

Viertel vor neun betraten dann fünf Musiker die Bühne: Der Gitarrist in weißem Jackett und der Sänger in ziemlich löchrigen Klamotten (inklusive Sicherheitsnadel), ein Gitarrist mit Kopftuch und zwei nette, harmlose Jungs von nebenan: Mit der Begrüßung „Wir sind ALLE IM SCHRANK und machen jetzt für euch die Clowns vor WETO“ starteten selbige Band in ein gut gemischtes, extrem schräges und unterhaltsames Programm, das zum Großteil aus Covern von bekannten Liedern bestand. Ziemlich schnell klärte sich auch auf, was uns Mrs. Spears am Keyboard sagen sollte: Die Lichttechnikerin war wohl gerade neu dabei und wurde vom Sänger aufgefordert, einen Spot darauf zu werfen (was mehr oder minder gelang), danach bewiesen ALLE IM SCHRANK, dass sie ähnliches wie Britney können – nur in schöner. Insgesamt sparte Sänger Melody K. alias Christoph Bergerhausen nicht mit wirklich witzigen, bekloppten Ansagen: Die Länge seiner Arme („31,6 bis zur Spitze der Achselhaare“) sollte das Thema eines Songs sein (das Lied von King Louie aus dem Dschungelbuch) und eine detaillierte Beschreibung seiner morgendlichen Salzwassernasenspülung sorgten für eine sehr abgedrehte Art von Spaß. Dazu gab es Songs á la Garagenpunk – und zwar durchgehend. Ob „In the ghetto“ oder „Take on me“ – schnell, abgedreht und punkig lässt sich, wie uns bewiesen wurde, alles spielen! Und einen Sänger, der Rotwein aus einem Weinglas auf der Bühne trinkt und sich zwischendurch immer in Seelenruhe nachschüttet, gab’s gleich dazu. Aber nicht nur singen und extrem wilde Grimassen schneiden, auch reimen kann er: „In einem tiefen Teiche schwamm eine Frauenleiche. Also, wenn ihr jetzt schon geht, braucht ihr den Rest auch nicht mehr anhören. Nächstes Stück, bitte.“ Hört sich bizarr an, war es auch – aber wir und auch der Rest des Publikums hatte viel Spaß, es wurde sogar in kleinen Grüppchen gepogt, und am Ende des Abends wanderten einige der mitgebrachten CDs über die Merchandise-Theke. Den größten Beweis aber, dass ALLE IM SCHRANK wirklich nicht alle Tassen im Schrank haben, gab es bei der Zugabe: Mit einem Weihnachtsmädchen-Neglige bekleidet (über seiner Hose, wohlgemerkt) kam Christoph auf die Bühne zurück und spielte mit seiner Band noch drei Weihnachtszugaben (die Puschel an dem oben doch zu weiten Kleidchen brauchte er gegen die Kälte). Insgesamt eine gute Stunde spielten ALLE IM SCHRANK, und je länger es dauerte, desto lustiger wurde es. Zwischenzeitlich konnte man schon den ein oder anderen von WETO durch die Halle laufen sehen, besonders Thomas hatte deutlich seinen Spaß bei der abgedrehten Musik.

Kurz vor deren Zugaben war man dann allerdings verschwunden, und nach einem blitzartigen Umbau war es soweit: Mit viel Nebel betraten Heiner, Stefan, Matthias, Ducky und zuletzt Thomas die Bühne, alle in eher sportliches Schwarz gekleidet, griffen zu den Instrumenten und starteten nach dem Intro mit „Koma“ gleich ziemlich durch. Umso erstaunter sind sicherlich einige Zuhörer gewesen, als Thomas das Publikum nach dem Ende des ersten Songs mit den Worten begrüßte, es gebe immer zwei Seiten der Medaille, die eine sei eben der Spaß und dass WETO ihnen jetzt den Spaß verderben würden, den sie vorher mit ALLE IM SCHRANK gehabt haben. Aber, wenn man es genau nimmt, stimmt das nur zum Teil. Was man sich sicherlich klar machen muss, ist, dass WETO eine etwas andere Zielgruppe als SCHANDMAUL ansprechen werden. Die Texte sind sehr viel ernster, die Musik etwas heftiger und die Songs gehen auf jeden Fall ziemlich tief. Andererseits hat auch diese Musik genug Power, um Leute zum Springen, Tanzen, Mitsingen zu bringen – dass jemand bei diesem Konzert wirklich keinen Spaß gehabt hat, kann mir niemand erzählen. Dass dieser Spaß vielleicht gleichzeitig noch zum Nachdenken anregt, ist vermutlich mehr als eine positive Nebenerscheinung. Und ja, der ein oder andere Song jagt einem gerade live einen erschreckten Schauer über die Haut. Zurück zum Konzert: Spätestens beim zweiten Titel „Flucht“ dürfte auch den weiter hinten Stehenden aufgefallen sein, wie exzellent und mitreißend WETO mit ihrer Musik auf der Bühne umgehen. Vor allem Thomas drückte mit Gestik und Mimik sehr intensiv aus, worum es ihnen bei den Songs geht: Dass es auch dunkle Seiten des Lebens gibt, die man bei allem Guten niemals vergessen sollte. Dass es bei „Flucht“ um Drogen geht, ist vermutlich nicht allen vorher klar gewesen – nach der Performance auf der Bühne blieb kein Zweifel mehr. Und so ging es weiter, auch wenn bei diversen Songs doch einmal zum Mitspringen aufgefordert wurde. Songs, die vom Leben geschrieben werden – oder mit Hilfe der Süddeutschen Zeitung, wie „Wieder allein“. Eigentlich gibt es bei WETO alles, was mit intensiven Gefühlen zu tun hat – Wut, Einsamkeit, Tod, Liebe, Verzweiflung .. und Thomas erklärte beim ein oder anderen Stück doch einmal kurz den Hintergrund, wie bei „Tier“ – „Kennt ihr das, wenn ihr in einer Beziehung seid und alles in Ordnung ist – und dann verliebt ihr euch in jemand anderen? Und dann streiten sich Kopf und Bauch…“ und man kenn sich, wie in „Tier“ sehr deutlich ausgedrückt wird, selbst nicht mehr. Musikalisch waren die fünf aufeinander eingespielt, als würden sie seit Jahren nichts anderes machen als mit WETO aufzutreten – auch wenn 4/5 von ihnen regelmäßig zusammen auf der Bühne stehen, fiel nicht auf, dass Heiner mehr oder weniger von außen dazugekommen ist. Allerdings – nur um einen letzten Vergleich zu SCHANDMAUL zu ziehen – war die Action an der Gitarre und den anderen Instrumenten doch etwas geringer, eigentlich aber genau auf dem richtigen Level für die Musik, die WETO machen.

Auch neue Titel bekamen die Anwesenden präsentiert, denn WETO machen weiter. „Wir haben ein Album, und wenn genug Leute das kaufen, machen wir noch eins. Wenn nicht, dann nicht – das Leben ist kein Ponyhof“ sagte Thomas an, und wir hoffen, dass es ein weiteres geben wird, denn „Wir“ und „Schattenspieler“ schreien nach Veröffentlichung. Dass sie mit SCHANDMAUL eher Märchen á la Herr der Ringe erzählen, wissen vermutlich alle, und diejenigen, die mit der Erwartung gekommen waren, SCHANDMAUL in anders zu hören, mussten sich sicherlich umorientieren, denn WETO hält sich „an Vorlagen wie Stephen King oder eben die Süddeutsche“… aber ein Märchen gab es dennoch, das „Wolfsherz“ von Wolfgang Hohlbein. Natürlich ließ das Auditorium WETO nicht einfach so verschwinden, und so gab es eine sehr überraschende Zugabe: „Miststück“ (ursprünglich von MEGAHERZ), was sich als offener, wütender Song erstaunlich gut ins Programm von WETO integrierte und von Thomas und den anderen hervorragend performed wurde, und als letzte Stück „In unserer Mitte“ – ein Versprechen an einen Freund von WETO, der vor 10 Jahren bei einem Unfall ums Leben kam. Allerdings wollten sich WETO die Peinlichkeit ersparen, Lieder noch mal zu spielen, und daher beendeten sie das Konzert an dieser Stelle – aber nicht um zu verschwinden, sondern ebenso wie ALLE IM SCHRANK um noch mal raus zu kommen, mit den Fans zu plaudern, CDs und andere Dinge zu signieren und ein Bier zu trinken. Nahbar und nett wie immer – und auch, wenn am 1.12. in Hannover der bisherige Publikumsrekord aufgestellt wurde, hoffen wir, dass es dabei nicht bleibt und bis zum nächsten Wiedersehen mit WETO noch mehr Leute gefunden haben, die ein Ohr für diese Art der intensiven Musik haben.

Setlist ALLE IM SCHRANK
Surfin’ Safari
Kids in America
Every time
In wanna be with you
The unknown stuntman
In the ghetto
I´m so bored in the USA
Hello Dolly
Karma Chameleon
X-Teen
Take on me
Her name was umbrella

Feliznavidad
Frosty the snowman
Nothing for me

Setlist WETO
Koma
Flucht
Krank
Wieder allein
Irrlicht
Das Tier
Ein Lächeln lang
Schattenspieler
Wir
Das 2weite Ich
Tief
Phantasie
Wolfsherz

Miststück
In unserer Mitte

Copyright Fotos: Steve Urbanczyk

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