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WIR SIND HELDEN – MADSEN

Ort: Bielefeld - Ringlokschuppen

Datum: 14.11.2005

„Von hier an blind“ heißt das aktuelle Erfolgsalbum von WIR SIND HELDEN und „von hier an blind“ war auch ein wunderbares Motto für diesen Tag, denn dichter Nebel erfüllte den ostwestfälischen Horizont, und man konnte bis spät abends kaum die Hand vor Augen sehen. An diesem Montag gastierten also Deutschlands Vorzeigemusiker im Ringlokschuppen, der schon seit Wochen ausverkauft war. So machten wir uns also relativ früh, nämlich schon kurz nach 19 Uhr, auf in die Lokalität, da wir auch den Support Act MADSEN auf keinen Fall verpassen wollten. Um diese Zeit hielt sich das Verkehrschaos noch in Grenzen, aber bereits jetzt waren ganze Horden unterwegs, ihren Helden zu huldigen. Dabei war der Löwenanteil der Fans weiblich und überraschenderweise im Schnitt auch noch sehr jung, ich hätte ja eher ein studentisch angehauchtes Publikum erwartet. Nach dem üblichen Vorgeplänkel legten die Jungs von MADSEN dann gegen ca. 20 45 Uhr los, ein langer Abend stand also bevor.

Die 5 Wendländer Sebastian, Nico, Sascha, Johannes und Folli gelten ja als die Shootingstars der deutschen Pop Rock-Szene, ihr selbstbetiteltes Debüt wurde von fast allen Szenekennern geradezu in den Himmel gelobt. Von daher schon eine selbstbewusste Haltung des Hauptacts, sich eine derart angesagte Kapelle ins Vorprogramm zu holen, den Zuschauern konnte es nur recht sein, und so feierten sie MADSEN von Beginn an frenetisch ab. Die bedankten sich wiederum mit einer energievollen Performance, ohne auch nur einen Hauch von Schüchternheit zu zeigen. Während Bassist Niko mit seinen unglaublichen Dreads faszinierte und der nicht mehr ganz behaarte Folli die Hammondorgel wirklich live bediente, war es vor allem Sänger/ Gitarrist Sebastian, welcher die Anwesenden (die Mädels?!) überzeugte. Seine Texte sind eigenwillig, der Gesang einprägsam und leicht schräg, sein Stage Acting wirkt natürlich. Von daher feierten die weit über 2000 Menschen bereits jetzt eine Party mit den entsprechenden Bestandteilen wie Händeklatschen, Herumspringen und teilweise auch Mitsingen. Das galt besonders für die Stücke „Unsichtbar“, „Vielleicht“ und die bekannte Single „Die Perfektion“, welche einen optimalen Rausschmeißer abgab. Interessant vielleicht noch die Tatsache, dass mit „Ein Sturm naht“ (oder so ähnlich) ein neuer Song in der Setlist stand, der ebenfalls gleich zündete. Mit einem zünftigen Solo verabschiedeten sich die MADSENs nach gut 40 Minuten Spielzeit. Ach ja, richtig klasse fand ich die MANOWAR-Aufschrift am Drumkit!

Doch nun begann das gebannte Warten auf Judith Holofernes und Co., für mich war es sogar die erste Live Begegnung mit der Gruppe, die wie kaum eine andere Intelligenz und Spaß miteinander in Einklang bringt. Im Hintergrund wurde ein Riesen Bandlogo als Backdrop aufgezogen, aber damit nicht genug: Direkt vor den Zuschauern gab es noch eine große weiße Leinwand, so dass die Musiker als Schattenriss zu den ersten Takten von „Guten Tag“ überlebensgroß wirkten. Doch schnell fiel das gute Teil und WIR SIND HELDEN standen Aug in Aug mit ihren Fans: Der zottelige Schlagzeuger Pola Roy etwas erhöht rechts am Schlagwerk und dazu natürlich am Bass Mark Tavassol (quite Aragorn like), an der Gitarre ganz links Jean-Michel Tourette (im Anzug) und die bezaubernde Judith hinter dem Mikro und auf der zweiten Gitarre herumklampfend. Ein Triumphzug sondergleichen nahm seinen Lauf, das Gekreische nahm teilweise direkt Boygroup Niveau an. Natürlich kannten 90 Prozent der Anwesenden alle Songtexte auswendig, was dann im Anschluss bei „Zuhälter“ auch ausgiebig praktiziert wurde. Nach drei Songs fiel das Backdrop und interessante Lichtkompositionen wie Lauflichter, Projektionen oder spezielle Spots sorgten für zusätzlichen Augenschmaus, hier hat sich wirklich mal jemand etwas dabei gedacht. Hit auf Hit folgte, so dass man sich immer wieder fragte, ob das Quartett noch weitere Asse im Ärmel habe, natürlich eine müßige Spekulation bei derart genialem Songmaterial. Auch langsame, melancholische Lieder wie „Darf ich das behalten“ oder „Du erkennst mich nicht wieder“ ließen die Stimmung nicht sinken, ganz im Gegenteil, so wurde ein geschickter Spannungsbogen zu Krachern wie „Ist das so?“ oder „Aurélie“ gesetzt. Dazu kamen die jederzeit witzig-sicheren Ansagen aller Bandmember, WIR SIND HELDEN strotzen mittlerweile wirklich vor Selbstsicherheit, ohne auch nur annähernd Routine zu bieten. Da tanzt die gute Judith schräg-charmant als ihre Gitarre ausfällt, da singt sie A Cappella, ein Bielefelder Techniker wird vorgestellt, Pola veralbert (Zitat: „Lange Haare, kleines Gehirn), kleine Raggamuffin-Einlagen lockern Klassiker auf, kurzum – Die Zeit verging wie im Flug.

Die eigenwillige Sängerin verwies auch auf ihre beiden vorherigen Besuche in Bielefeld, beide Male noch im PC69, wobei beim Debüt nur eine kleine Menge anwesend, beim Folgebesuch der Laden aber bereits ausverkauft war. Als Hommage präsentierte man dann auch einen flotten Brecher aus der HELDEN-Frühphase („Replikanten“). Leider ist das PC69 Geschichte, ganz im Gegensatz zu den hintersinnigen Deutschen. Wobei sich natürlich auch dieser Abend irgendwann dem Ende zuneigte, „Nur ein Wort“ rundete den ersten Teil der Darbietung wunderbar ab, dazu ließ sich Frau H. sogar von der Crowd auf Händen tragen. Da fehlten aber natürlich noch ein paar Hits, so dass Tracks wie „Monster“ oder „Müssen nur wollen“, in 2 Zugabeblöcken dargeboten, die Meute schließlich endgültig zufrieden stellte. Draußen war es schweinekalt, aber die Herzen der Besucher dürften so erwärmt worden sein, dass ihnen dass nun nichts mehr ausmachte. Ein annähernd perfektes Konzert!

Copyright Fotos: Jörg Rambow

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