Ort: Löbnitz bei Leipzig
Datum: 01.07.2007
SONNTAG
MANOS
Im Nachhinein war MANOS echt die ideale Besetzung, um die Hauptbühne am dritten Tag zu eröffnen. Sänger/ Gitarrist Andrew hatte schon recht als er den Gig als „Frühsport“ anpries: Es war bereits erstaunlich voll vor der Bühne und überall wurde eifrig mitgesungen und – getanzt. Die Jungs haben sich gewohnt schick zurecht gemacht, wobei Bassist Eule mit seinem Vogelkäfig-Rucksack und einer liebevoll in Heimarbeit gestalteten Klospülungs-Apparatur am Basshals besonders anmutig hervor stach. Auch wurde richtig tief in die Trickkiste gegriffen, so dass neben dem obligatorischen Tannenbaum und Schlitten auch ein Sonnenschirm wie aus Omas Schrebergarten die Bühnenshow aufpeppte. Ganz eigenmächtig etablierten sich Polonaisen und natürlich durfte auch die sagenumwobene „Biene M.“ nicht fehlen bei diesem Potpourri an guter Laune und Heiterkeit. So hatten dann rund 30 fröhliche Menschen aus dem Publikum die Ehre, mit Pappflügeln ausstaffiert für die Dauer des Songs über die Bretter der Hauptbühne zu schwirren.
UNEARTH
Bei UNEARTH war gleich richtig gut was los – und das als zweiter Act des Tages auf der Hauptbühne, wo die meisten Festivalgänger ja bekannter Weise noch nicht wieder so ganz taufrisch unterwegs sind, trotz MANOS. Mächtiges Gerangel in einem nahezu symmetrisch ovalen Moshpit untermauerten an dieser Stelle einen klasse Auftritt! Vor allem die virtuosen Gitarrensoli und die an IRON MAIDEN angelehnten Twin-Guitar Passagen lassen UNEARTH aus der Masse der Metalcore Bands hervorstechen. Auch, wenn der Drummer bei einem ruhigeren Part das Tempo nicht halten konnte – wer will schon langsam-beschauliches Getrommel? Bei einer derart fulminanten Band kann man über so was schon mal hinweg sehen.
SONIC SYNDICATE
Direkt nach BRUJERIA ganz klar die Enttäuschung des Festivals: Erstmal sieht die Bassistin live nicht annähernd so gut aus wie auf den Promo-Fotos, und was (fast) noch viel schlimmer ist: Die Band hat musikalisch einfach überhaupt nichts zu bieten! Da fragt man sich doch echt, wie die um Himmels Willen einen ganz netten Slot auf der Hauptbühne ergattern konnten. Wenn da mal nicht irgendwelche internen Deals zu beigetragen haben… Viele Worte sollte und will man an dieser Stelle auch gar nicht verlieren: Die Band erinnert mit den zwei Sängern unweigerlich an die gruseligen Teenie-Newcomer NEVADA TAN (einfach mal VIVA-Charts schauen!), nur etwas härter vielleicht, und sollte sich zukünftig eher darauf konzentrieren, innovative Klänge zu erzeugen als an stylischen Outfits und coolen blonden Strähnchen zu basteln! Hoffentlich eine Eintagsfliege!
KASSIERER
Nur ein kleines Anekdötchen: Wölfi, der alte Fuchs, hat sich dieses Mal vehement gegen die Vorwürfe zur Wehr gesetzt, er würde sich on stage immer ausziehen. Somit kam er ganz pfiffig direkt nackert auf die Bühne, um sich dann einfach nach und nach wieder an zu ziehen. Vielleicht hätte sich das der nackte Mensch im Publikum auch zu Herzen nehmen sollen?
ILL NINO
Der gesamte Gig von ILL NINO war überaus dynamisch: Pausenlos wirbelten irgendwo Dreadlocks auf der Bühne umher. Neben der Show an sich wurde einem aber auch musikalisch einiges geboten. Fronter Cristian Machado tat zwischenzeitlich noch kund, dass die Band selbst sich irgendwo zwischen Metal, Punkrock und Hardcore einordnet und sich somit hervorragend auf dem WFF aufgehoben fühle. Was allerdings den von den Musikmedien kontinuierlich breitgetretenen Latino-Einschlag anbetrifft, so scheint sich dieser auf einen zusätzlich zum Drummer an beorderten Bongo-Trommler zu beschränken. Was nicht automatisch südamerikanisches Flair verbreitet, sondern auch schlichtweg richtig nerven kann! Wie viel erfreulicher wäre da doch ein richtiger zweiter Drummer à la SLIPKNOT gewesen! Aber man kann bekanntlich nicht alles haben… Cristian Machado lobte im weiteren Verlauf des Gigs nicht nur u.a. die Bands CHIMAIRA und PRO-PAIN (letztere wurden als „brothers“ bezeichnet), sondern wies auch auf die neue Scheibe „Enigma“ hin, die im September erscheinen wird. Ein neuer Song wurde der beachtlichen Fanmenge bereits vorgespielt, und zwar „Aliby of Tyrants“. Kann inzwischen auch auf der ILL NINO-Myspace site angehört werden. Die Lobby wurde zudem auch für kleine politische Anspielungen genutzt, als bspw. der Song „War“ allen „fucking politics in the world“ gewidmet wurde. In diesem Sinne: „I survived Ill Ninos Pit!“ (…wenn auch aus sicherer Entfernung.)
DROPKICK MURPHYS
Bei den DROPKICK MURPHYS füllte sich die weitläufige Wiese des Festivalgeländes zusehends, vermutlich auch schon in Hinblick auf SLAYER. Die Stimmung war überaus entspannt und viele Grüppchen setzten sich – vollkommen entkräftet nach den vergangenen Festivaltagen – weiter weg von der Bühne beschaulich ins Gras bzw. in das was davon noch übrig geblieben war. Was nicht bedeuten soll, dass die Folk-Klänge der Band es nicht vermocht hätten, so manchen Festivalbesucher doch noch erstaunlich agil werden zu lassen. Lustig – aber natürlich nicht unerwartet – stimmte die Masse bei „The wild rover“ nicht die englische, sondern die deutsche, leicht überarbeitete Textversion an: Klaus & Klaus goes WFF, quasi. Das typisch deutsche Rhythmus-Geklatsche, welches längst hätte verboten werden sollen, setzte der heimeligen Stimmung dann noch das Sahnehäubchen auf.
SLAYER
Was wäre das WFF ohne die Totschläger? In regelmäßigen 2-jährlichen Abständen beehren die Kult-Thrasher das Festival und immer noch fiebern viele Fans der Show entgegen. Auch wenn man meinen könnte, dass die Begeisterung über die Jahre schon etwas nachgelassen hatte. Denn wo vor einigen Jahren die Festivalbesucher noch bis zum Mischpult kollektiv durchdrehten, sind jene Auswirkungen meist nur noch bei Klassikern wie „Raining Blood“ oder „Angel of Death“ zu verzeichnen. Dennoch war dies meiner Meinung nach einer der besten SLAYER-Gigs, denen ich beiwohnen konnte. Neben aktuelleren Songs wie „Disciple“, „Jihad“ und dem grandiosen „Bloodlines“, wurden auch eine Menge Klassiker preisgegeben. Beispiele gefällig? „Dead skin mask“, „Silent Scream“, „Mandatory Suicide“, „Seasons in the abyss“, etc., wobei die Band auch Spaß auf der Bühne hatten und Tom Arayas nahezu schüchterne Ansagen öfters zum schmunzeln anregen. Ansonsten Business as usual, wobei es die Jungs tatsächlich schafften, sich bei „Raining Blood“ zu verspielen, was ihnen wohl auch nur alle Jubeljahre passiert.
ONKEL TOM
Mit ONKEL TOM wurde am Sonntag das Last Supper offiziell eingeläutet. Herr Tom Angelripper wurde allerdings bereits am Samstag vor Ort gesichtet und hat es sich auch nicht nehmen lassen, sich SLAYER am späten Abend von vor der Bühne aus anzugucken. Vor der Zeltbühne war es nun jedenfalls gut gefüllt und eine allgegenwärtige Aura von Alkohol und Testosteron benebelte einem sogleich die Sinne. Tom Angelripper trug an seinem Gürtel ein dekoratives Trinkhorn mit ominösem Inhalt, an dem er zwischenzeitlich parallel zum obligatorischen Bierchen nippte. Das Publikum grölte aus Leibeskräften mit und Tom dankte es mit zahlreichen Ausflügen in den Fotograben. Auch Gitarrist Alex wusste mit grazilem Umhergekugele auf dem Boden zu überzeugen. Ein wenig Unmut kam sowohl bei Publikum wie auch der Band selbst allerdings auf, da nicht wie sonst üblich ein paar ausgewählte Trunkenbolde die Bühne entern durften. Der Veranstalter des WFF, so betonte Angelripper, habe dies untersagt. Er versprach allerdings, nach dem Gig samt Band ins Publikum zu kommen und dort noch einen zu heben. Der letzte Song war das dramatisch-melancholische „Es gibt kein Bier auf Hawaii“, was die versammelte Schar an Menschen deutlich nachdenklich in den weiteren Abend entließ.
TURISAS
Gleich vorweg: Mit FINNTROLL, wie dem ohnehin mit äußerst bescheuerten Texten versehenen Programmhefte zum WFF zu entnehmen war, haben TURISAS außer der Herkunft nicht viel gemein. Und obwohl die Band – ein total zusammen gewürfelter Haufen – in ihren blutig-pelzigen Outfits einen überaus skurrilen Eindruck erweckt, so war die Stimmung im Zelt doch überaus gut. Oder vielleicht auch gerade deswegen. Da alle fünf im vorderen Bereich der Bühne agierenden Bandmitglieder eigene Mikros hatten und diese auch häufig nutzten, kam ein kurzer Anflug von Boygroup-Flair auf – wenngleich auch einer sehr alternativen. Die anfängliche Skepsis wurde im Übrigen überaus schleunigst durch die Humpa-Rhythmen vertrieben und wich einwandfreier Unterhaltung. Einen kleinen Dämpfer gab’s dann kurzzeitig noch bei der etwas überzogenen Hommage von Sänger Warlord Nygard an eine Wodkaflasche – zumindest war das melancholische Zusammensinken mit eben einer solchen Flasche im erhobenen Arm so zu deuten. Während mir die Inszenierung zunächst unweigerlich das Antlitz des Bruce Darnell ins Gedächtnis rief, untermauert von den mahnenden Worten „Drama! Drama! Drama!“, hat der Warlord gerade noch im richtigen Moment die Kurve gekriegt, indem er sich den Inhalt der Flasche kurzum wild zappelnd über den Kopf schüttete. Niedlich war auch der Kampf mit dem Schaum einer Bierflasche, der das Trinken mehrfach erschweren sollte. Zwischendurch demonstrierte der Warlord dann noch sein strategisches Geschick, in dem er die Audienz in Gruppe A und B einteilte und gegen einander ansingen ließ.
THE VISION BLEAK
Da CREMATORY, die auf diesem Slot eigentlich spielen sollten, kurzfristig abgesprungen waren, wurden sie durch THE VISION BLEAK ersetzt. Im GB von CREMATORY ist nachzulesen, dass die Schwangerschaft von Keyboarderin Katrin Grund für die Absage war, „wegen unvorhersehbaren und kurzfristig aufgetretenen Schwangerschaftsproblemen.“ Man hoffe, den Gig im nächsten Jahr nachholen zu können. Für THE VISION BLEAK eine schwierige Ausgangslage, da die meisten Festivalbesucher überhaupt nicht auf die Band eingestellt waren und der Slot am Montagmorgen m.E. nach eh nicht gerade der dankbarste ist. Die Songauswahl von THE VISION BLEAK war dann auch zu mutig für das schwer zu motivierende Publikum; mit einigen Mitsing-Krachern vom 2004er-Werk „The Deathship has a new Captain“ wie etwa „Horror of Antarctica“ oder dem Titeltrack hätte man die lahme Meute sicherlich wach bekommen können. An sich aber umso charismatischer, dass sich THE VISION BLEAK nicht aus dem Konzept haben bringen lassen. Respekt auch an den Drummer (aushilfsweise von SECRETS OF THE MOON), der sich nur ein einziges Mal von dem aufdringlichen Kameramann direkt am Drumkit hat irritieren lassen – dann allerdings auch einen Stick hat kurzfristig fallen lassen, vermutlich vor Schreck. Ein großes Manko bei dem Gig war die nervige Beleuchtung: helle Fluter immer wieder massiv aufs Publikum. Soas nervt echt! Aber da kann ja die Band nichts dafür. Alles in allem aber ein schöner Gig, der vom Publikum jedoch nicht entsprechend gewürdigt wurde.
PAIN
Nach der Playback-Panne beim Gig im N8 in Osnabrück vor einigen Wochen sollte Herr Tägtgren hier nun besonders aufmerksam observiert werden. Das Fazit: Es wurde live gesungen – wenngleich die Herkunft der Backingvocals nach wie vor ungeklärt bleiben muss. Aber wir bleiben dran! Eine Live-Version von „Dark Fields of Pain“ wäre sicherlich auch interessant gewesen, war dem aufmerksamen Lauscher hier aber nicht vergönnt. Statt dessen fuhr PAIN aber so ziemlich jeden anderen Knaller auf, den die letzten Scheiben zu bieten haben, angefangen mit „Same old song“ über Titel wie „Zombie Slam“, „End of the line“, „Nailed to the ground“, „Hate me“, „On and on“ und schließlich „Shut your mouth“. PAIN haben dann auch noch mal einiges an Leuten mobilisieren können – neben diversen wieder belebten Alkoholleichen (soviel zum Thema „Zombie Slam“) waren das in erster Linie U20er und weibliche Wesen, so schien es. Gerade auch letzteren bot der wild umherwirbelnde Bassist mit seiner beeindruckenden Haarpracht ein interessantes und nicht alltägliches Bild. Ob dieser backstage nun zu viele Energy Drinks verputzt hatte, einfach gut drauf war oder aber ein sportliches Motiv für die permanente Videoaufzeichnung bieten wollte, kann nur spekuliert werden. Der Gig wurde durch mitsingen und wahlweise Tanzen oder Gerangel in den vorderen Partien begleitet und hat unheimlich viel Spaß gemacht. Ein gelungener Abschluss also für das WFF 2007!
Copyright Fotos: Sebastian Steinfort
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