Ort: Löbnitz bei Leipzig
Datum: 04.07.2009
Mit viel zu lauter Musik von allen gefühlten zehn Himmelsrichtungen und brummenden Schädel geht die Party am Samstagmorgen weiter. Die Sonne brennt erneut erbarmungslos auf uns ein. Ein Glück, dass es gleich nebenan einen See gibt, dessen illegale Nutzung diversen Metalheads das Leben rettet und den Kopf waschen kann. Musikalisch beginnt der Tag erst 14 Uhr mit HACKNEYED. Der bis dahin noch leere Acker füllt sich beim ersten Ton explosionsartig und es hagelt leckere Frühstückswurst mit sauberem Death Metal Geschmack – sehr lecker!!! Eingängige Midtempodrums lassen den geplagten Nacken zu Beginn locker mitschwingen und an eine Fortsetzung des gestrigen Tages gewöhnen, während eine sanfte Brise um die Nase weht und man Petrus heute in besserer Stimmung hofft. Die Jungs, die mit einem Durchschnittsalter von 17 noch unter Welpenschutz stehen, zündeln ein Feuer nach dem nächsten und beweisen mit professioneller Handwerkskunst, dass man schon mit einem zarten Alter so einiges auf dem Kerbholz haben kann. Wer sonst kann es von sich behaupten vor Erreichen der Volljährigkeit einen Vertrag mit Nuclear Blast in der Tasche zu haben? Mit explosionsartigen Zündstoff wie „Worlds Collide“, „Deatholution“ (die kommende Single) oder “Symphony Of Death“ jagen sie uns einen brutalen Death Metal Böller nach dem anderen in die Hose! Perfekter Auftritt, Jungs! Bleibt nur noch eins zu sagen: Das im August erscheinende Album „Burn After Reaping“ sollte sich ohne zu überlegen unter den Nagel gerissen werden!!!
Nun soll es exotisch werden. Aus dem schönen Dubai kommen NERVECELL. Na da sind wir aber mal gespannt, ob sich der musikalische Trip in den Nahen Oste lohnt? Leider gehen nur wenige mit auf die Reise, denn es wird zunächst mächtig leer vor der großen Bühne. Zwar füllt sich der große Platz im Laufe der Show, nur frag ich mich warum. Old School Death Metal aus Dubai braucht kein Mensch. Was habe ich von Old School Death Metal, wenn er aus Hinterindien, Australien, Papa Neuguinea oder aus Vorpommern kommt, wenn alles gleich klingt. Warum legt man nicht wenigstens ein paar heimische Elemente auf das Tablett? Warum kennen die Jungs nur den Knüppel? Mit Songs wie „Human Chaos“ oder „Existence Ceased“ erfreuen sie zwar den Haufen Dubaier Fans, die sich in der ersten Reihe mit einigen Flaggen gemütlich gemacht haben, doch der überwiegende Teil der Leutchen nickt nur brav im Takt. Die Jungs haben die Bühnenpräsenz eines alten Kühlschranks und erstaunen mich damit, dass Sänger Rajeh Khazaal gleich zu Beginn sagt, dass er eben nicht viel Reden möchte, sondern die Musik für sich sprechen lassen mag. Warum er dann nach jedem Song gefühlte fünf Minuten labert und sich fortwährend bei allen bedanken muss, stimmt mich nachdenklich. Lustig dagegen seine Bemühungen, Deutsch zu sprechen. Mit einem Zettel bewaffnet haut er „Ihr seid verdammt geil“ und „Lasst uns Rocken“ raus – und das besser als Joey DeMaio. Mit „Demolition“, einem überraschend großen Circle Pit und den Worten „We Love Germany“ verabschiedeten sich die netten Jungs, die zwar etwas zum Exotenbonus, aber nicht zur musikalischen Verbesserung beitragen konnten.
Während sich die Alkoholopfer in der gnadenlosen Sonne einen schicken roten Ganzkörperanzug gönnen, beleibte Männer den Bikini auspacken und die Fans sich bei der Autogrammstunde von SEPULTURA die Beine in den Bauch stehen, machen wir uns bereit für das weitere Programm! WARBRINGER schlagen mit amerikanischem Thrash-Metal alles platt. Brutalität, Aggressivität und neidisch machende Gitarrenriffs werden hier riesig geschrieben. Sänger John Kevill, der im Übrigen ganz versessen auf deutsches Bier und Fleisch ist, macht zusammen mit seinen Kollegen dem Bandnamen alle Ehre. Die Fans zeigen ihre Dankbarkeit mit einem riesigen Circle Pit – und klappernden Badelatschen. Sauber!
Mit gelecktem Fönwellen-Deathcore aus Kalifornien brutzeln wir uns nun weiter in den monströsen Ausmaßen der Hölle – äh, des Sommers. Als die US-Amerikaner ALL SHALL PERISH den Thron betreten, wird der Platz vor der Bühne plötzlich mit frisch frisierten Jungs in bunten Gute-Laune-Klamotten überströmt, welche sich brutal zu dem trommelfellzerreißenden hämmernden Sound bewegen und sich teilweise gegenseitig die Fresse polieren. Nichts desto trotz der Crossover aus Grindcore, Punk und Death Metal juckt in unseren Ohren lästig wie der Mückenstich meines Kollegen, so dass wir lieber die Ruhe als Balsam aufsuchen.
Zurück auf den Acker geht’s dann wieder mit SUICIDAL TENDENCIES, die wohl zur tendenziell angenehmen Tageszeit alle Männlein aus ihren Löchern hervorlocken können. Mit der Ghettohymne „You Can’t Bring Me Down“ hauen die Südkalifornier gleich mit dem Opener zügig auf die Thrash/ Funk und Hardcore-Mütze. Der melodische Teil des Songs wird gleich einmal komplett entfernt und macht Platz für weiteres Gehacke. Ob das inklusive der immer noch krebsausbrütenden Sonne den Kids so gut tut? Während sich Enrico mit spitzbübischen Trunkenbolden auf sich nehmen muss, macht es sich so manch einer mit Planschbecken mitten in den Massen bequem – drum herum lagern unsere Zeltnachbarn mit Skateboard unterm Arm. Da drehen selbst die Fliegen ineffiziente Extrarunden, unter meiner Sonnenbrillen hindurch und direkt in mein Auge – na bravo. Doch was ist das denn? Zwischen tanzenden Emos läuft eine Milka-Kuh – jetzt wird’s mir eindeutig zu bunt – bei SUICIDAL TENDENCIES so geh auch du!!! … und zwar zurück auf den Zeltplatz zur abendlichen Grillverköstigung!
Es ist 18.45Uhr – zurück zum Acker!!! „Ich dachte SEPULTURA haben gestern gespielt?“, höre ich es hinter mir raunen, als der andere Part dem Mädchen verklickert, wer die vier Recken mit dem großen schwarzen Rastamann da oben sind. „Nein, das waren Soulfly“, entgegnete er – na wundervoll. Umringt von einer nicht enden wollenden Dimension an Publikum, beobachten wir den umjubelten Empfang von Derrick Leon Green und Gefolge. Die brasilianische Death/ Thrash-Metalband brettert direkt mit „A-lex I“ und „Moloko Mesto“ vom aktuellen Album los, allerdings eher zerhackt und ohne Struktur. Die Stimmung scheint auch insgesamt schon wieder am Abflauen zu sein. Doch mit „Refused/ Resist“, welches uns gestern schon SOULFLY beschallen durften, wird wieder ordentlich die Metalkeule geschwungen und alles weggenietet, was nicht sicher auf zwei Beinen steht. Plötzlich sind alle ergriffen von südamerikanischem Zauber und evil Gingerkids lassen ihre Dreads schwingen – yipiieeh!!! „We’ve Lost You“ erwalzt uns dampfend und faltenlos. Ein leckeres Gitarrensolo jagt das nächste – großartig!!! „Escape To The Void“ rupft mit einem zerrenden Solo jeden aus der Feder, während „Territory“ bereits beim ersten Takt den Flugplatz aus seiner Verankerung reißt. Es ist der Wahnsinn. Die ganze Welt scheint Luftgitarre zu spielen, zu bangen und zu crowdsurfen, während beim letzten Stück „Roots Bloody Roots“ zum finalen Nackenschuss angesetzt wird – erste Klasse!!!
Beim Weg übers Gelände werden wir plötzlich von durch die Luft fliegenden Motorrädern aufgehalten. Moment, was ist das denn? Das schau ich mir doch mal aus der Nähe an. Mit atemberaubenden Stunts, gänsehauterregenden Loopings und phänomenalen Moves lassen die 3 Jungs der FMX-Show bei allen Anwesenden die Kinnlappen runterklappen. Sehr sehr geil und eine beeindruckende Erfrischung für zwischendurch, doch weiter geht’s nun wieder auf der musikalischen Seite der Straße.
Der ehemalige Kopf der Böhsen Onkelz Stefan Weidner alias DER W hat sich den jetzigen Platz auf der Mainstage unter den Nagel gerissen. Während wir noch die Merchandise-Stände abchecken, vernehme ich die erfrischenden Klänge von „Der W zwo drei“ und bewege mich magisch angezogen ans andere Ende und direkt vor die Bühne. Der smarte Produzent, Basser, Sänger und Songwriter glänzt zweifellos unter der deutschen Rocklandschaft und ist hier auf dem härtesten Acker Deutschlands wahrlich eine willkommene Abwechslung zu all den brutalen Metalvariationen. Songs wie „Waffen & Neurosen“ oder „Und wer hasst dich“ haben immer noch dieselbe fesselnde Spannung und Anziehungskraft wie die Stücke der ONKELZ, brillieren aber in einem musikalisch wesentlich ausgefeilteren und sauberen Stil, ohne dreckig-rotzige Abfallprodukte – erste Sahne!!! Melodien, die einem Stunden später noch in den Ohren hängen, Riffs, welche die Augen leuchten lassen und Lyrics, die das Herz teilweise ganz schön schwer werden lassen. So sollte man über die Bedeutung von „Mein bester Feind“ oder „Bitte töte mich“ (mit Gastsängerin Nina C. Alice ein himmelsgleicher Ohrenschmaus) wohl an dieser Stelle nicht zu viel nachdenken, wenn man sich den Abend nicht versauen möchte. Musikalisch verabreicht uns der W. mit den Songs seines ersten Soloalbums „Schneller, höher, Weidner“ ebenso wie das langersehnte Untergehen des sonnigen Monsters am Himmel, eine erquickende und frische Abkühlung. Frauenoberteile fliegen – zum Glück keine Männerschlüpfer. Fazit: Grandios, es gibt absolut nichts zu meckern.
Setlist DER W
Der W zwo drei
Liebesbrief
Waffen & Neurosen
Schatten
Mein Bester Feind
Stille Tage im Klischee
Und wer hasst dich
Heiß
Tränenmeer
Bitte töte mich
Geschichtenhasser
Gewinnen kann jeder
Pass gut auf euch auf
Was dampft da eigentlich in diesem Dixi-Klo? Leicht verstört suche ich das Weite und lasse Klogeschichten einfach mal da wo sie hingehören, denn mit Zwergenweitwurf reihen wir uns nun in den weiteren Ablauf des heutigen Tages ein: AMON AMARTH, meine Damen und Herren!!! Endlich sollte meine Frage beantwortet werden, ob die Jungs wirklich ein Festival headlinen können, bei dem die Mehrzahl der Fans doch eher Skateboarding als Brandschatzen als Hobby angeben würde. Doch zu meinem Erstaunen ist der Platz vor der Bühne gerappelt voll. Hier geht absolut nichts mehr. Mit einem theatralischen Intro und dazugehörigen Backstage-Livebildern wird die Meute kräftig aufgeheizt. Das ist zwar bei diesen Temperaturen nicht nötig, aber auf Nummer sicher gehen, ist nie verkehrt. Mit „Twilight Of The Thundergod“ legen die Schweden gleich kräftig los. Die Stimmung ist sofort auf 180. Geil! Wer hätte gedacht, dass das With Full Force solch ein Chaos bei AMON AMARTH veranstaltet. Jeder Song wird mitgegröhlt, jedes Riff zelebriert und jedes Gitarrensolo auf dem Bierbecher mitgespielt. Fette Pyros lassen die Bühne in ein Flammenmehr verwandeln, aus dem es kein Entkommen gibt. „Guten Abend – geht’s euch gut?“ fragt Johann im besten Deutsch. Die Antwort ist überwältigend. Das FOH (Front Of House) wackelt bei jedem Song aufs Neue und erlebt eine Stimmung, wie zuletzt bei Sarumans Rede im zweiten Teil von „Der Herr der Ringe“. „Are You Ready For Metaaaaal???“. „Varyags of Miklagaard“ stampft druckvoll vor sich hin, während „Guardians Of Asgaard“ für Verzücken sorgt. Aber nicht nur Songs des aktuellen Erfolgsalbums werden gespielt. Mit „Victorious March“ oder „With Oden On Your Side“ kommen natürlich auch die großen Hits der Band zum Zug. Einen kräftigen Zug genehmigt sich auch Johann aus seinem Horn. Der aufmerksame Beobachter dieser Truppe weiß, welche Sätze nun kommen. „Aaaahhh – Deutsches Bier! Das Beste der Welt“. Halb Roitzschjora skandiert diese Sätze mit, was Johann schmunzeln lässt und sich wundert, woher die Leuten das wussten. Ein besonderer Höhepunkt knallt mit „Live For The Kill“ um die Ohren. Zwar werden die Parts, welche APOCALYPTICA für das Album eingespielt haben, mittels Playback eingespielt, doch verringert dies nichts an der kolossalen und imposanten Wucht, die dieser Song am Ende besitzt. Was für ein geiles Teil! Nachdem wir alle den Schrei der schwarzen Vögel vernommen haben, ist es jedoch Zeit für den Abgesang. Und dieser findet traditionell in Form von „Death On Fire“ statt, bei dem die Pyrotechniker noch einmal Vollgas geben und das volle Programm auspacken. Beeindruckende Show von AMON AMARTH und der Beweis, dass diese Schweden mittlerweile jedes verdammte Metalfestival headlinen können.
Da stellt sich mir natürlich die Frage, ob da HATEBREED überhaupt mithalten können. Auf dem letztjährigen Wacken Open Air wurden sie am Samstag im Nachmittagprogramm versteckt, hier beim With Full Force konnten sie den Headlinerposten ergattern. Zu Recht? Schon vorher war mir klar, dass die Jungs um Hüpfschlumpf Jamey Jasta den Acker zum Beben bringen würden – aber solch ein Konzert hätte ich nun doch nicht erwartet. Nach einem düsteren Intro scheint sich mit dem ersten Riff der Acker in ein Tollhaus zu verwandeln. Der FOH wackelt ja noch mehr als bei Amon Amarth. Und was sehe ich auf der Bühne? Feuer und Rauchfontänen! Das hätte wohl niemand erwartet, dass die Jungs plötzlich mit Pyros und Special Effects um die Ecke kommen. Keine Ahnung, ob das jetzt true oder nicht ist, die Fans sind völlig aus dem Häuschen und bilden die ersten gewaltigen Mosh und Circle-Pits. „Ihr seid supergeil“ findet Jamey Jasta in astreinem Deutsch. Songs wie „Never Let It Die“, „As Diehard As They Come“ oder „Beholder Of Justice“ laden einfach mit Ausflippen ein. Zum Glück ist Jamey ein sozialer Mensch, der sich um seine Fans kümmert. Bei jedem großen Circle Pit wacht er über die Mutigen und fordert ein ums andere Mal die Leute auf, einen hingefallenen Kämpfer aufzuhelfen. Das ist einfach verdammt vorbildlich. Hart soll es zugehen – hart, aber fair! Bei „Straight To Your Face“ und „This Is Now“ kennt die Meute fast gar kein Erbarmen mehr. Wer nicht mithopst, hat verloren. Vom FOH sieht man nur noch einen hüpfenden Ozean, in dem der Einzelne schon längst verschluckt wurde. Jamey macht sich gekonnt mit seinem Mikro ein Bier auf und kündigt obendrauf ein neues Album an, welches in naher Zukunft über Roadrunner Records veröffentlicht wird. Doch zurzeit ist das Coveralbum „For The Lions“ das aktuellste Werk, aus dem mit „Thirsty and Miserable“ ein BLACK FLAG-Song angestimmt wird. Dabei verlangt er „Alle Mädchen auf die Schulter“ – erneut auf Deutsch! Und wirklich, extrem viele Girls machen es sich auf den breiten Schultern der Jungs breit. Doch irgendwann ist selbst das beste Konzert vorbei und so verabschieden sich HATEBREED nach gut einer Stunde von ihren Fans. Doch die geben keine Ruhe und verlangen ihre Helden. Die kommen auch tatsächlich zurück und schieben mit „To The Threshold“ neuen Zunder in den Pit. Dieser brodelt und scheint beim abschließenden „Destroy Everything“ endgültig zu explodieren. Wahnsinn! Fazit von Jamey Jasta: „Ihr seid super!“. Das Kompliment kann ich nur zurückgeben.
In diesem Sinne schleppt man sich nach ausgiebiger Aftershowparty taub und visuell auch nicht mehr auf der Höhe, zurück in die Zelthochburg. Welche äußeren und inneren Körperbestandteile am Sonntag draufgingen, ob MOTÖRHEAD mit Innovationen begeistern konnten und was Sveni und Gilli mit ihrer Schwalbe auf der Mainstage vorhaben, erfahrt ihr alles im dritten Teil des 16. With Full Force–Berichts!!!
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