Ort: Berlin - Columbiaclub
Datum: 14.10.2004
Die Pre-Listening-Session von ZERAPHINE am Nachmittag hatte ja schon deutlich Lust auf das abendliche Stelldichein beim Konzert gemacht, zumal ich persönlich die Berliner Jungs noch nie live auf der Bühne erleben durfte. STAUBKIND versprach, ein interessanter Support zu sein und auch auf die eher unbekannten EMINENCE OF DARKNESS aus dem brandenburgischen Lauchhammer waren wir gespannt. Also hieß es abends: zurück zum Columbiaclub! Womit wir trotz Berücksichtigung des Heimvorteils des Headliners nicht gerechnet hatten, war die ewig lange Schlange vor der Lokalität, in die wir uns noch einreihen durften. Dementsprechend fing leider schon der Auftritt von EMINENCE OF DARKNESS an, als die Mehrheit der Leute – inklusive uns – sich noch außerhalb des Clubs befand, und wir bekamen nur noch die letzten Lieder bewusst vor der Bühne mit. Was sich davon aber an Eindrücken mitnehmen ließ: trotz kurzem Set und spartanischer Bühnenausleuchtung wirkte die vierköpfige Band sehr motiviert, auch wenn man ihnen anmerkte, dass sie noch nicht allzu viele Bühnenerfahrung dieser Größenordnung gesammelt haben dürften. Die Songs, allesamt grob in Darkwave-Gefilden angesiedelt, machten einen durchaus ausgegorenen Eindruck. Besonders blieb mir die Stimme von Sänger Lars Schulz im Gedächtnis, ist sein Gesang doch mit dem ähnlich nöligen Charme behaftet wie der von Ashley Dayour (WHISPERS IN THE SHADOW). Das zahlreich versammelte Publikum – quer durch alle Genres und Altersklassen gemischt (bemerkenswert aber der hohe Weibchenanteil!) – nahm den Opener verhältnismäßig wohlwollend zur Kenntnis.
Nach einer kurzen Umbaupause sollten STAUBKIND die Besuchermenge anheizen. Das Solo-Projekt von TERMINAL CHOICE-Gitarrist Louis Manke begann trügerisch ruhig mit einem atmosphärischen Intro, nur um kurz darauf mit „Knie nieder“ den ersten Kracher abzuliefern. Manke, der dank eher unspektakulärem Outfit optisch nur wenig an seine TC-Rolle erinnerte, legte sich mit seiner Band ordentlich ins Zeug und wusste sofort die Leute für sich einzunehmen: leise verwundert beobachtete ich nicht nur deutlich Bewegung in der Menge sondern auch Arme, die sich nach oben streckten und im Takt hin- und herschwenkten. Erstaunliches Verhalten für das sonst eher als reserviert und schwer zu begeistern geltende Hauptstadtpublikum, welches doch meist erst beim Hauptact beifällig mit dem Kopf zu nicken beginnt. Offensichtlich hatte es auch einige Fans aus dem TC-Lager in den Club gezogen. Auf der Bühne freute man sich natürlich über jegliche Sympathiebekundungen und schob weiter Songs vom Debüt „Traumfänger“ nach. Auf „Mein Herz“ folgte der bekannte Singletrack „Keine Sonne“, der eine perfekte musikalische Mischung zwischen TERMINAL CHOICE und ZERAPHINE darstellt und ziemlich enthusiastisch beklatscht wurde. Die Ansage zum nächsten Song „Staubkind“ nutzte Louis dann, um zum einen auf die persönliche Bedeutung dieses Liedes hinzuweisen und zum anderen im gleichen Atemzug einer wichtigen Person für die Unterstützung in der Entwicklung von STAUBKIND zu danken und jenem ominösen Protegé zum Geburtstag zu gratulieren, ohne zu verraten, wer es denn sein könnte. Beschlossen wurde das zugegebenermaßen kurze Set mit einer Coverversion des SELIG-Hits „Ohne Dich“, dem in der Manke’schen Interpretation zugunsten von etwas mehr Intensität die schnoddrige Lässigkeit genommen wurde. Louis bedankte sich bei den Zuschauern für den reichlichen Applaus und wünschte noch viel Spaß mit dem Headliner ZERAPHINE.
Gegen 22 Uhr war es dann soweit. Die ersten Reihen begannen zu kreischen, als sie des Anblicks von Sven Friedrich und seinen schnieken Mannen gewahr wurden und die ersten dunklen Klänge vernahmen. Und wie schon vorhin erwähnt: auch wenn uns schon klar war, dass ein ZERAPHINE-Konzert in Berlin eine Nummer größer und begeisterter ausfallen würde als im Rest der Republik – zumal sie endlich einmal nicht im Schatten anderer großer Bands standen – so lag der Enthusiasmus, der den Gothrockern entgegengebracht wurde, deutlich über der Erwartungsgrenze. Die Spielfreude war den Herren deutlich anzusehen, die positive Stimmung übertrug sich auf die Besucher und vice versa. Die rockigen Songs wurden gefeiert, die bekanntesten Lieder mitgesungen, bei den Balladen gekuschelt, bei „Sterne sehen“ flammten sogar die Feuerzeuge auf. Kurz: von Reserviertheit keine Spur, stattdessen wurden die persönlichen Helden ordentlich umjubelt. Sven war spürbar beeindruckt, bedankte sich immer wieder überschwänglich. „Vielen vielen Dank! Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll… ihr seid einfach geil!“, strahlte er. Etwa zwei Stunden lang gaben die fünf Berliner alles, was sie zu bieten hatten, kochten Emotionen auf und servierten sie mundgerecht arrangiert: Dunkle Melancholie und treibende Düsterrhythmen, garniert mit der unverkennbaren tiefen Stimme von Sven Friedrich. Es sollte an diesem Abend das bis dato längste und beste ZERAPHINE-Konzert werden. Es hätte auch kaum länger sein können, denn bis auf „Wonderland“ wurde insgesamt alles gespielt, was sich auf den beiden Alben und den Singles befindet, und was eine detaillierte Setlist überflüssig macht. Selbst die Coverversionen von U2 und DEPECHE MODE wurden aus der Kiste geholt, einer ging immer noch. Es schien, als sei der Vorrat an Melodien und vor allem auch Energie unerschöpflich. Selbst bei den letzten Liedern des regulären aber unglaublich langen Sets legte Sven sich stimmlich noch voll ins Zeug und ließ den cleanen Gesang mal für einige Momente ruhen. Sobald sich dann zeigte, dass die Band von der Bühne zu gehen gedachte, setzte natürlich der übliche Jubel- und Zugabenchor ein. Nichts anderes war zu erwarten gewesen. „Zum Glück haben wir da noch etwas vorbereitet.“, grinste Sven verschmitzt und weiter ging es mit einigen Zugaben (z.B. „Unter Eis“), die dann das Repertoire – und uns – endgültig erschöpften. Tot aber glücklich verließen wir schlussendlich die Räumlichkeiten, in dem Wissen, ein so noch nie da gewesenes Konzert der ZERAPHINEn erlebt zu haben.
Copyright Fotos: Antje Wagler/ Karsten Thurau
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