Ort: Berlin - Columbiaclub
Datum: 14.10.2004
An einem Donnerstag im Oktober 2004. Obwohl ich Urlaub habe, bewegen sich meine müden Knochen um 6 30 Uhr aus dem Bett. Was mag der Anlass für derart frühzeitlichen Bewegungsdrang sein? Sven Friedrich und seine ZERAPHINEn sind’s, die mir ihre neue CD vorstellen wollen, welche erst im Januar 2005 erscheint. Natürlich nicht nur mir, aber eben auch und da meine Homebase leider nicht in Berlin liegt, steht eine längere Autofahrt auf dem Programm. Aber was tut man nicht alles, für eine (von mehreren) Lieblingsbands, zumal am Abend auch noch ein Live-Auftritt stattfinden sollte, ebenfalls im Columbiaclub, dazu aber woanders mehr.
Die Fahrt verläuft im wesentlichen ohne gröbere Reibungsverlust, von einem kleinen mitteldeutschen Stau abgesehen. Dennoch wird es – wie immer im Leben – knapp. 15 Minuten nach 12 erreiche ich unsere Hauptstadtkorrespondentin Antje in Wedding, die mit mir daraufhin in die Unterwelt der Metropole eintaucht. Mittels oberirdischer U- und unterirdischer S-Bahnen gelangen wir schließlich in die Nähe des Flughafens Tempelhof, Ausfahrt Platz der Luftbrücke (ein Mahnmal erinnert an Zeiten, in denen die Amis noch nett waren…). Nachdem wir besagten Platz ca. 3 mal umrundet haben, führt uns ein weiblicher Geistesblitz dann doch noch zur kleinen Columbia-Halle, die früher Columbia-Fritz (nach dem Radiosender) geheißen hat. Vor dem Eingang drei Gruftie-Mädels (siehe Foto), die dort bereits seit 9 Uhr (!) mit Wärmematte campieren und bis zum Konzert am Abend (2 Ausrufezeichen) verharren wollen. In der Hauptstadt ticken die Uhren wohl anders, unsere ist jedenfalls schon auf nach 13 Uhr gewandert, etwas unsicher blicken wir uns um, wo denn die Pressemeute ihr Quartier bezogen haben könnte. Da kommt die freundliche Promoterin Silke Yli-Sirniö von Drakkar gerade recht, die Sven Friedrich und Co. betreut und in einem Interview mit der Wesdeutschen Zeitung ihre Arbeit als Traumberuf bezeichnet hat. Ja, wirklich nicht schlecht, im Inneren sind ordentliche Catering-Häppchen und Getränke aufgebahrt, nur die anwesenden Journos geben sich etwas schüchtern und ziehen lieber an der Zigarette. Die Band ist auch da, wir werden vorgestellt, ein sanfter Händedruck mit dem jugendlich gebliebenen Sänger, der Tag könnte ein netter werden. Musik läuft noch nicht, denn der Haustechniker ist noch nicht vor Ort und wird erst gegen 14 Uhr eintreffen. Aber der anwesende Producer Thommy Hein scheint auch ohne ihn auszukommen, eine sympathisch und vollkommen „normal“ aussehende Gestalt. Wir werden in den Konzertsaal geführt, der abends ein Meer aus Blut und Tränen werden wird, O.K. kein Blut, nur Freudentränen. Jetzt wird im Hintergrund munter aufgebaut, wir setzen uns auf die kalten Stufen…
7 Songs sollen wir nun hören, allesamt ungemastered (was man nicht wirklich merkt), 2 Stücke der Vorabsingle „Die Macht in dir“ sind allerdings schon bekannt. Trotzdem natürlich eine spannende Angelegenheit, Ohren und Stifte werden gespitzt und kleine kryptische Bewertungen hektisch auf einen mitgebrachten Block gekritzelt. Gar nicht so einfach, die Musik zu beschreiben, hört sich halt an wie ZERAPHINE, aber versuchen wir es mal im einzelnen:
„Never want to be like you“ – Treibender Goth-Rocker, im Bandkontext recht “hart” und mit viel Abgeh-Feeling, prädestiniert für Live-Konzerte
“Die Macht in dir” – Hier verweise ich mal auf die entsprechende Rezi: ZERAPHINE “Die Macht in dir”
„I feel your trace“ – Langsame und sehr “dunkel” gesungene Strophe (wie die alten DREADFUL SHADOWS), im Refrain explodiert Svens Stimme dann und geht nach „oben“, aber der Mitte gesellt sich eine interessante Gitarrenmelodie zum besagten Refrain
“Die Welt kann warten” – Drums erinnern an „No Tears“ vom zweiten Album, nette Bridge, schöner mehrstimmiger Refrain
„Kaltes Herz“ – Wird uns fälschlicherweise erst als „Hollow Skies“ verkauft, entpuppt sich aber als Albumversion des Single-Bonustracks. Am Anfang steht das erste Mal am heutigen Tag die Elektronik im Vordergrund, ab der Mitte setzen dann die Gitarren ein
„Hollow Skies“ – Typischer ZERAPHINE-Midtempogesang, meiner Meinung nach der einzige unspektakuläre Track des Nachmittags
„Jede Wahrheit“ – Ebenfalls treibend und schnell und mit einem sehr atypischen Refrain ausgestattet, der eher an Alternative als Gothrock erinnert, auch sehr gelungen
Wie man unschwer erkennt, scheint man sich nun auf gleichberechtigte Zweisprachigkeit festgelegt zu haben, was ich nur begrüßen kann, da beides seinen Reiz hat. Und ich liege sicherlich nicht falsch, wenn ich behaupte, dass ZERAPHINE auch mit dem dritten Album keinen Popularitätseinbruch erfahren werden, ganz im Gegenteil!
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