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DARKWOOD & CHAOS AS SHELTER - Lapis

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Artist DARKWOOD & CHAOS AS SHELTER
Title Lapis
Label HEIDEN VOLK
Leserbewertung
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10.0/10 (1 Bewertungen)

Man nehme eine deutsche Neofolk Gruppe, ein Industrial Projekt aus Israel und eine russischsprachige Sängerin; eine gute Prise düsterer Tonflächen, eine subtil dosierte Mischung aus exotischen akustischen Instrumenten und nur ein Schuss der für unsere Breiten gebräuchlicheren Folkgitarre; eine feine lyrische Feder, einen geschickten Pinselstrich und nicht zu vergessen, einen großzügigen Schluck Esoterik… Man schüttelt einmal gut durch und erhält „Lapis“, die neueste Veröffentlichung des in Dresden beheimateten Labels Heiden Volk. Dieses etwas gewagte Konzeptalbum ist das Ergebnis der ersten Kollaboration zwischen dem im Dark Ambient/ Neofolk-Bereich gut bekannten ein-Mann-Projekt DARKWOOD mit CHAOS AS SHELTER, die Gruppe um Vadim Gusis, deren weibliches Mitglied Vera Agnivolok, welche auch solo auf dem deutschen Label Stateart erscheint und beim nächsten Flammenzauber im April zu bewundern sein wird, in dieser Veröffentlichung eine besonders große Rolle spielt: sie singt nicht nur die meisten Lieder (ausnahmsweise ist auf dieser DARKWOOD Platte die Stimme Henryk Vogels kaum zu hören), sondern ist auch für die originalen Bilder, die den schönen Pappschuber schmücken, verantwortlich. An der Thematik lässt schon der Titel nicht zweifeln: Lapis (Stein) will die musikalische Umsetzung des alchemistischen Prozesses sein, der zur Entstehung des Lapis Philosophorum – des Steins der Weisen also – führt. Infolgedessen sind die acht Stücke des Albums nach den acht Phasen dieser Umwandlung, von der Initiation bis zur Vollendung des Steins, genannt, wobei ein zusammenfassender Text im Booklet diese Phasen in ihrer Aufeinanderfolge grob erklärt. Aber auch Nicht-Alchemisten können in diesem Experiment ungewöhnlicher Art ihr Fressen finden, da, wie es im Text deutlich wird, der alchemistische Prozess auch als die persönliche Suche des Menschen nach Transzendenz interpretiert werden kann.

Musikalisch tendiert das Album viel mehr zum ambienten Genre als zum typischen Neofolk, da die unberuhigenden Tonflächen, die das ganze Werk durchströmen, für das Gesamtbild des Albums, aber auch für dessen psychologische Wirkung auf den Hörer besonders prägend sind. Die meiner Meinung nach sehr gelungenen instrumentalen Stücke, die als Einleitung und Apotheose des alchemistischen Vorgangs am Anfang und Ende des Albums stehen, basieren auf eine subtile Mischung aus Soundscapes, Geräuschen und ungewöhnlichen Instrumenten (Didgeridoo, Vargan, Glockenspiel, Säge) und stellen zweifellos das Markanteste auf der CD dar. Mit solch einer anspruchsvollen Thematik haben sich Vogel, Agnivolok und Gusis keine leichte Aufgabe gesetzt und es dennoch tatsächlich geschafft, eine Musik mit wahrhaftig schamanistischer Qualität auf die Welt zu bringen. Obwohl das Konzept des Albums sofort an die Veröffentlichungen des in Sachen Esoterik spezialisierten Leipziger Labels Loki erinnert, haben die rohen, rustikalen und etwas entfremdenden Töne mit dem typischen welträumigen, synthesizer-orientierten Loki-Sound genau genommen nichts zu tun. Sie bilden somit eine interessante Alternative für die meditativen Stunden der Esoteriker unter uns. Auf den Stücken, die die Hauptphasen der alchemistischen Umwandlung beschreiben, werden die Neofolk-Gitarre und der russische Gesang eingesetzt. Leider ist die gequälte und irgendwie fernklingende Stimme Vera Agnivoloks nicht wirklich mein Ding, aber das ist ja reine Geschmackssache… Auf jeden Fall ist es eine ungewöhnliche Stimme, die nicht zuletzt zum Gefühl der Entfremdung beiträgt, welche dem ganzen Album zugrunde liegt und eine überzeugende Darstellung der alchemistischen Geheimnisse ermöglicht. Sofort verfallen bin ich dagegen dem Lied „Leukosis“ (diesmal mit Sängerin Helena Dorschst), das sehr zuschneidend den Übergang von Dunkelheit ins Licht, den ersten Schritt nach Transzendenz vertont und musikalisch gesehen die perfekte Vereinigung der Atmospherik- und Folk-Elemente darstellt. Die schönen Liedtexte, die sich nicht direkt auf die Alchemie beziehen, sondern eine alternative Interpretation des Lapis anbieten, stammen aus den Federn Vogels, Agnivoloks und Paul Friedrichs. Diese werden zwar auf Russisch interpretiert, sind aber im Booklet ins Deutsche übersetzt. Hier ist nicht von Erschaffung des Steins, sondern von menschlichen Träumen und Sehnsüchten die Rede.

Fazit: eine angesichts der Thematik sehr gelungene Veröffentlichung, und eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zweier Projekte, die sich zweifellos darauf verstehen, einzigartige und im eigentlichen und bildlichen Sinne bezaubernde Atmosphären entstehen zu lassen. Für unerfahrene Gaumen sicherlich keine leichte Kost, Lapis ist eine Speise die man vermehrt kosten sollte, damit eine jede der Würzen ihr volles Bouquet entfaltet. Bevorzugterweise abends am Kaminfeuer servieren. Bon apétit!

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