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DE FRONTANEL - Grotesque

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Artist DE FRONTANEL
Title Grotesque
Homepage DE FRONTANEL
Label TREUE UM TREUE
Leserbewertung
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9.0/10 (1 Bewertungen)

Wieder eine außergewöhnliche Veröffentlichung auf dem umtriebigen „Treue um Treue“-Label: Nach WERMUT nun also DE FRONTANEL, ein Name, der sicher nur eingefleischtesten Insidern ein Raunen entlocken wird. Titelgebender Charles de Frontanel ist seit den 70er Jahren künstlerisch aktiv, in den Bereichen Musik, Graphik und Literatur. Sein eigenes Label trug den schönen Namen GRAHN GEEN-YOL’ REC, natürlich ein Wortspiel um den Terminus „Grand Guignol“, zu dem man folgende Definition im Weltnetz finden kann: „Gattungsbezeichnung für grotesk-triviale Grusel- und Horrorstücke“. Der gute Herr war seiner Zeit weit voraus und glänzte bereits vor über 30 Jahren mit schräger elektronischer Musik, die momentan durch eine Zusammenarbeit mit „Invasion Planete“ wieder einer größeren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Das Debüt war 1973 eine Box bestehend aus 3 7inches mit je 8 Liedern, dazu gab es ein grotesk blutig-sexistisches Pulp Heftchen als Beilage, ein Medium, welches zu der Zeit in einigen Ländern Europas schwer im Trend lag. Der Titel des 2ten Vinyls – CHARLES DE FRONTANEL „Nazi island“ – besitzt natürlich keinen politischen Hintergrund, sondern bewegt sich in einem charmanten Trash-Universum, in welchem auch Regisseure wie Jess Franco oder Jean Rollin zuhause waren. Ob sich die Individualisten je kennen gelernt haben?

Die weitere Biographie des werten Herren wird stetig interessanter und geheimnisvoller. So verschrieb er sich immer mehr dem Okkultismus, der Parapsychologie und dem Abnormen, in dem Zusammenhang gründete er das sogenannte „Weird Cabaret de France“. In einem alten französischen Landhaus schuf er einen Zirkel aus Freaks, Artisten und diversen „subversiven“ Zeitgenossen, mit denen er eigenartige Performances abhielt, die um Sex, Horror, schwarze Magie und die Untiefen der menschlichen Seele kreisten. Leider wurde ich nie eingeladen… Wie das Label den Kontakt zu dieser „Frohnatur“ aufnehmen konnte, und was ihn dazu bewegte, wieder neue Stücke aufzunehmen, entzieht sich meiner Kenntnis, aber herausgekommen ist eine 10inch Black Vinyl mit 9 Tracks und einer Laufzeit von gut 22 Minuten, die sich jeglicher Pauschal-Schubladisierung verwehrt.

Das Groteske ist also das wesentliche Thema des Werks, wie der Titel unschwer suggeriert, und somit befinden wir uns in einer Welt aus B, C und Z-Filmen. Schundige Sadoerotica um halbnackte lesbische Vampire, läufige Werwölfe, abartige Blutkünstler, die Wizards of Gore. So beginnt der Reigen mit dem lasziven Opener „La curieuse parade“, Akustikgitarre und Pfeifen sorgen in Verbindung mit der Aufnahmetechnik für sündiges Vergnügen – der perfekte Soundtrack für Filme wie „Das Lustschloss der grausamen Vampire“ oder „Entfesselte Begierde“. Elegante Erotik, wie es nur unsere westlichen Nachbarn hinbekommen… Eine Mundharmonika sorgt im folgenden für Verzückung, bevor es dann immer mehr in die (minimal-)elektronische Ecke geht. „La jument boite“ enthält zusätzlich französischen Sprechgesang und mausert sich zu einem weiteren Highlight. Dem Motiv des „Circus“ als Gegenentwurf der logischen Welt wird man spätestens beim Titelstück gerecht. MR. BUNGLE meets Tod Brownings “Freaks”.

Mit diesem Release beweisen TuT aufs Neue, dass man nicht gewillt ist, ausgelatschten musikalischen Pfaden zu folgen. Genauso abstrakt wie der Lebensweg des französischen Esoterikers SCHEINT auch die Musik zu sein. Eine wilde Mischung aus Electro, Voodoo und Gore, die dann aber in ihrer Gesamtheit plötzlich die abstrakte Ebene verlässt und an zutiefst menschliche Urängste appelliert, wenn man denn bereit ist, sich zu öffnen. Sicher alles andere als Mainstream, doch wer braucht schon den Mainstream, wenn er DAS hier haben kann?

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