
Artist | DEPECHE MODE |
Title | Playing the angel (Deluxe Edition CD/ DVD) |
Homepage | DEPECHE MODE |
Label | MUTE |
Leserbewertung |
Das war’s dann, da kommt nichts mehr. Als ich die Performance von „Never Let Me Down Again“ bei den MTV Europe Awards 2001 in Frankfurt sah, dachte ich wirklich, dass sich zu diesem Zeitpunkt die Band schon getrennt hatte. Trotz super Stimmung der Fans in der Festhalle, verließ Frontman Dave Gahan wortlos und fluchtartig die Bühne, ohne sich zu verabschieden. Auch Martin Gore sah zu diesem Zeitpunkt nicht gerade glücklich aus. Kurz zuvor ging es durch die Medien: die Band steht vor der Auflösung. Auch das von MTV geführte Interview mit Dave entkräftete die Situation nicht. Im Gegenteil, er goss noch Öl ins Feuer und griff den Songwriter öffentlich an. Er wolle nicht mehr marionettenartig dessen Songs auf der Bühne performen, hieß es da, und er fühle sich dabei wie ein Betrüger usw. Mittlerweile haben die beiden eigene Projekte verwirklicht. Martin hat mit „Counterfeit 2“ einen würdigen Nachfolger der 89`er „Counterfeit e.p.“ mit wundervollen Coverversionen weniger bekannter Songs veröffentlicht. Dave hingegen arbeitete intensiv an „Paper Monster“, dessen Songs er alle selbst bzw. mit Knox Chandler geschrieben hat, und er erntete damit mehr als nur einen Achtungserfolg. Beide Protagonisten absolvierten im Anschluss daran eine kleine Tour durch Europa und die USA, um ihre Scheiben zu promoten. Selbstverständlich auch im Repertoire jede Menge DEPECHE MODE Hits, die die Fans hören wollten. Aber schon im letzten Jahr gab es ein kleines Lebenszeichen der drei in Form einer Remixversion des Hits „Enjoy The Silence“ mit dem dazugehörigen Remixalbum. Mittlerweile haben sich Martin und Dave auf ihren Alben „ausgetobt“ Auch Andy Fletcher tingelte durch Europa: Er kümmerte sich um CLIENT und agierte bei einigen dieser Gigs auch als DJ.
War dieser „Streit“ zwischen Sänger und Songwriter nur ein PR Gag, der das Unternehmen DEPECHE MODE am Laufen halten sollte oder wollte sich Dave Gahan wirklich Respekt bei seinem Kompagnon verschaffen? Vielleicht ist an beiden Theorien was dran, aber so ganz werden wir das nie erfahren. Das ist jetzt auch unwichtig, denn mit PTA veröffentlichen die Briten ihr mittlerweile 11tes Studioalbum. Schon die Vorabsingle „Precious“ zeigte die Richtung auf: es wird wieder elektronischer. Hat das Trommelfell dann die 20 Sekunden lange brutale Eingangssequence vom Opener „A Pain That I`m Used To“ überstanden, taucht man ein in den typischen Klangkosmos von DM. Wie schon bei den letzten Alben „Songs Of Faith And Devotion“, „Ultra“ oder „Exciter“ ist der erste Song immer der ungewöhnlichste, aber gleichzeitig auch der interessanteste und abwechslungsreichste der Scheibe. Das ist aber noch gar nichts gegen „John The Revelator“. Was hat Martin hier geschaffen: einen Electronic Gospel Song mit Dave als Prediger? Anders kann man das Stück nicht umschreiben. Auf der kommenden Tour wird dieser Track der Burner, vorausgesetzt er gehört auch zur Setlist. Mit „Suffer Well“ sind wir schon beim ersten Track von Mr. Gahan. Genau wie seine anderen beiden Kompositionen hätte diese auch auf seinem Soloalbum Platz haben können. Sie tragen ganz einfach seine Handschrift. Unterstützung beim Programming bekam er von Christan Eigner, seines Zeichens Live-Drummer von DM, und Andrew Phillpott, der auch bei der „Counterfeit 2“ mitgewirkt hat, und bei der Exciter Tour für den Sound verantwortlich war. Natürlich lässt es sich Martin nicht nehmen, zwei seiner eigenen Kompositionen zum besten zu geben. Mit „Damaged People“ und „Macro“ hat auch er den Sound seines Soloalbums einfließen lassen. Ich kann mir jetzt schon lebhaft vorstellen, wie er letzteren Titel live performen wird: Gitarre umgeschnallt und wehmütiger Blick in die Ferne. „The Sinner In Me“ und „Lilian“ sind heute meine absoluten Lieblingsstücke der CD, denn morgen gefallen mir andere Tracks, und das zeigt, wie abwechslungsreich PTA geworden ist. Mit Ben Hillier hat man den richtigen Produzenten gefunden, und der brachte auch wieder das analoge Equipment mit ins Studio. Es fiept und scheppert an allen Ecken und Kanten, und auch die Produktion an sich wirkt viel voluminöser als beim Vorgänger „Exciter“. Auch an seiner Stimme hat der Frontmann gearbeitet und setzt diese in den einzelnen Songs sehr abwechslungsreich ein. Oder sie wird einfach ein bisschen verfremdet, so wie bei „Nothing`s Impossible“. Und worum geht es inhaltlich? Kaum eine Veränderung, wie immer dreht sich alles um zwischenmenschliche Beziehungen, deren Abgründe und religiöse Themen.
Mit diesem Album reflektieren die drei Briten ihre 25 jährige Bandgeschichte, denn vieles kommt einem vertraut und bekannt vor. Da wäre zum einen die Single, die sehr dem 90er Hit „Enjoy The Silence“ ähnelt, auch dieser war in den Charts bis auf Platz zwei gelangt. Vom Hitcharakter her würde ich zum Werk „Violator“ tendieren, von der Düsternis zu „Black Celebration“ und von den elektronischen Spielereien bzw. dem Experimentellen zu „Construction Time Again“. Selbst das Instrumentalstück „Intospectre“ enthält Anleihen aus dem Jahr 1983 – ich höre Parallelen zu der Maxi B-Seite „The Great Outdoors“ heraus. Nicht zu vernachlässigen das Rockige der „Songs Of Faith And Devotion“-Scheibe. So umschreibe ich „Playing The Angel“. Was wirklich neu ist, dass Frontman Dave Gahan jetzt eigene Songs auf einem DEPECHE MODE Album verewigt hat. Ein Novum, gilt Martin doch als diktatorischer Songschreiber. Nicht ganz, denn vor mehr als 20 Jahren, genauer gesagt auf der „Some Great Reward“ befindet sich mit „If You Want“ eine Komposition vom damaligen Mitglied Alan Wilder (RECOIL), der bis heute von den Fans schmerzlich vermisst wird. Denn er war bis zu seinem Ausstieg für die Elektronik zuständig.
Interessant ist auch der Bonus Silberling, der nicht nur die 5.1 Version von PTA enthält, sondern auch einige Interviews-Ausschnitte über die Arbeit am Album bereithält. Diese zeigen, wie entspannt und sogar teilweise lustig es im Studio zuging, kaum zu glauben in Anbetracht der Tatsache, dass die Band vor ein paar Jahren kurz vor dem Aus stand. Desweiteren befinden sich das bekannte „Precious“ Video und eine exklusive Performance von „Clean“ (METALLICAs „Nothing Else Matters“ nicht unähnlich) auf der DVD. Nicht so gelungen ist die Fotogalerie. Die Bilder sind viel zu klein und unscharf, sollen aber die Atmosphäre im Studio widerspiegeln. Aber vielleicht ist das auch einfach „schick“… Da auch ich visuell tätig bin, gefällt mir das Cover der Scheibe überhaupt nicht, und auch die Fotos im Booklet sind nicht nach meinem Geschmack: qualitativ natürlich wieder mal einsame Spitze, nur der Band merkt man an, dass sie sich bei den Fotosessions gelangweilt hat, und das sieht man halt auch, schade! Das ist aber auch das einzige Manko – zum Glück!
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