
Artist | DISBELIEF |
Title | Heal! |
Homepage | DISBELIEF |
Label | MASSACRE RECORDS |
Leserbewertung |
Junge, Junge, der Theaterdonner rund um das überragende letztjährige Meisterwerk „Protected Hell“ ist noch nicht ganz abgeklungen, da legen die Hessen schon nach. Wobei bei dieser Combo durchaus eher der Begriff „nachladen“ Verwendung finden sollte. Voreiligen Hoffnungen muss aber leider sogleich eine Absage erteilt werden: „Heal!“ ist nicht das nächste komplette Studioalbum, das wäre wohl auch des Guten zu früh. Stattdessen ist „Heal!“ ein Geschenk, dass sich die Band anlässlich ihres 20-jährigen Jubiläums vor allem selbst macht und an dem sie ihre Anhängerschaft (möge sie noch kräftig wachsen!) gerne teil haben lässt. Dieses Geschenk ist in schnell erläuterte drei Teile gegliedert: zunächst finden sich vier neue Eigenkompositionen. Der Kniff ist aber, dass es sich dabei quasi um musikalische Rollenspiele handelt: DISBELIEF schreiben und performen Songs aus Sicht einiger Bands, die zu ihren wichtigsten Vorbildern und Inspirationsquellen gehören. Im zweiten Teil gibt es dann drei „echte“ Coversongs und im dritten Teil versetzen DISBELIEF sich quasi in sich selbst und spielen den Titelsong ihres Klassikeralbums „Shine“ neu ein.
Los geht’s mit „The Eyes of Horror“, und hier ist leider ein kleiner Fehlstart zu verzeichnen. Schön und offensichtlich beginnt der Song als Reminiszenz an ganz alte SLAYER Tage: „Hell Awaits“ ist hier recht deutlich der Anspielungshorizont. Nach anfänglich schönem Geschrote versucht der Song aber etwas zu viel auf einmal und zerfasert dadurch zusehends. Ein kompositorisches Missgeschick, das man von DISBELIEF eigentlich so gar nicht mehr kennt. Dafür gibt es mit „Isolation“ eine richtig schöne Entschädigung. Schnell erkennt der fachkundige Hörer die (bisher) unnachahmlichen, großartigen, famosen DEATH zu ihrer „Human“ Zeit als Vorbilder. Hier hat man sich nicht nur den tiefer gelegten Gitarrensound und das Songwriting geliehen. Auch Schlagwerker Bergerin spielt wie weiland der große Hoglan und vor allem Jagger gibt eine 1a Vorstellung als Nachwuchs – Schuldiner (let your metal flow forever – R.I.P.!!!). Toller Song – man sieht Evil Chuck direkt noch mal vor seinem geistigen Auge, wie er seine unvergleichliche Musik auf die Bühne bringt. Im Fußball würde man vielleicht sagen, dass der Song alleine das CD Geld wert war, bei DISBELIEF gibt es aber noch deutlich mehr. So zum Beispiel „The Last Force Attack”, meinem CD Highlight. Wer den Titel liest und sich etwas mit Heavy Metal auskennt, ahnt schon, wem DISBELIEF hier die akustische Ehre erweisen. Allen anderen (oder auch denjenigen, die noch den Fuß auf der Leitung haben) sei anvertraut, dass es hier um die ebenfalls unnachahmlichen, großartigen, famosen (s.o.)
BOLT THROWER
geht, die nun mal etwas mehr Platz beanspruchen. Der Song zeigt deutlich, dass DISBELIEF mittlerweile näher an den Engländern sind als an den u.g.f. (s.o.) NEUROSIS, mit denen sie früher oft verglichen wurden. Stellt Euch bitte einen Song vor, der die vernichtendsten Momente von „Protected Hell“ mit einem Potpourri zermalmender Riffs des leider bisher letzten Streichs der Engländer („Those Once Loyal“) zu einem absoluten Karrierehöhepunkt symbiosiert. Hier liefern die Hessen den Beweis, dass sie mittlerweile auch mit den Allergrössten auf einem Level sind. Chapeau! Bitte ab jetzt auf jedem Konzert spielen! Das nachfolgende „Certainty of Reality“ beginnt nicht nur deutlich ruhiger, es ist auch nicht gleichermaßen spektakulär wie der vorige Song. Gerüchtehalber eine Verbeugung vor CROWBAR ist aber Jagger so sehr der Fixstern dieses Songs, dass der Gedanke an einen anderen Sänger sich nicht einstellen will. Dennoch eine gut hörbare und (klar) schön groovende Nummer, lediglich Klassikerambitionen werden so nicht befriedigt.
Im Anschluss folgt Block Zwei, bestehend aus drei „echten“ Cover Songs. Dabei ist der Auftakt gleich mein Favorit. „Welcome Home“ von KING DIAMOND und seinem 1988er Werk „Them“. Bekanntlich durchlebte der King nach dem unschönen MERCYFUL FATE Split in der zweiten Hälfte der 80er eine echte Karriere Hausse mit Klassikern wie „Abigail“, „Conspiracy“ oder eben „Them“. So sehr es für einen Sänger eigentlich ein Alptraum sein muss, ausgerechnet die dänische Jaulboje nachzuahmen: Jagger liefert eine so phänomenale und Gott sei Dank auch so diabolische Vorstellung, dass der Hit sogar gemessen am König einfach toll ist! Auch hierzu ein kleiner Glückwunsch! Da können die anderen Coverversionen nicht gegen anstinken, es soll aber Erwähnung finden, dass auch „Love like Blood“ – ursprünglich KILLING JOKE – doch recht nett und catchy ist.
Schließlich dann der dritte Teil der Metamorphosen: DISBELIEF – als – DISBELIEF, die ihren eigenen Klassiker „Shine“ aus dem Jahre 2002 neu interpretieren. Kenner der Band wird es nicht überraschen, dass der Song um einige seiner früheren noisecorigen Elemente gebracht wurde. An deren Stelle spielen die Hessen das Ding jetzt deutlich groovebetonter und für die Livesituation noch geeigneter. War vorher schon ein Klassiker, bleibt natürlich ein famoses Stück extremen Metals, mir gefällt es sogar noch etwas besser, ist aber sicherlich Geschmackssache. Insgesamt machen DISBELIEF also sich selbst und ihren hoffentlich weiter mehr werdenden Anhängern ein schönes Geburtstagsgeschenk und nach Überweisung von schlanken fünf Euro an das Phrasenschwein kann man sagen: „Auf die nächsten 20 Jahre!“
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