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DISBELIEF - Protected Hell

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Artist DISBELIEF
Title Protected Hell
Homepage DISBELIEF
Label MASSACRE RECORDS
Leserbewertung
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6.5/10 (4 Bewertungen)

Ach du heiliger Strohsack, was ist denn hier los? Da veröffentlichen die phantastischen DISBELIEF eine großartige neue Scheibe und ihr langjähriges Hauslabel Massacre Records gibt sich die beste Mühe, die zugehörige Promo schön zu versauen. Gleich mehrere Tippfehler auf einem einzigen Promoblatt wären bei professioneller Arbeitsweise wohl leicht zu verhindern gewesen und stehen in einem doch recht großen Gegensatz zur Arbeitsweise der Band, die höchst kontinuierlich Alben veröffentlicht und Touren spielt. Mehr als nur ein kleines Versehen sind dagegen die ständigen Einschnipsel „Hey folks, you are listening to a new promotional CD which is property of Massacre Records“, offensichtlich eingelesen von einem Mitglied der English Starter Group nach erfolgreich absolvierten 3-4 Lektionen. Ein sehr ärgerlicher Versuch, die Rezensenten gegen sich einzunehmen, da kann man nur hoffen, dass es nicht ausgerechnet der Band schadet, die offenkundig auch in dieses Album viel Arbeit und Liebe gesteckt hat.

Na ja, sprechen wir lieber über angenehme Dinge, oder wie der Amerikaner sagen würde: Let the music do the talking! Und da kommt man an dieser Band einmal mehr nicht vorbei. DISBELIEF versuchen sich wieder an ihrem klassischen Vierkampf: Komplexität und Kompaktheit, Feinfühligkeit und mörderische, alles einzementierende Grooves. So wollen wir sie hören und so bedienen sie uns. Dabei weißt Du als Hörer nie, was als nächstes kommt. Ist es ein smashender Death Metal Hit à la „A Place to hide“, der Dich direkt aus dem Sofa in die 90 Grad headbangende Vertikale schmeißt oder kommt eine pechschwarze Preziosität wie „One Nation’s Son“ aus den Boxen gewabert und marschiert? Nach wie vor ist es schwierig, den Stil der Band passend zu beschreiben. Der Presseinfo ist auf jeden Fall nur bedingt recht zu geben: Death Metal verbinde ich primär doch mit anderen Lärmern. Zumindest ist ein klares Death Metal Element sehr leicht zu identifizieren: Sänger Jagger röhrt wie üblich tief, grunzig und endgeil. Dabei verzichtet er darauf, das vollständige Spektrum seiner Möglichkeiten auszuschöpfen und stellt sich, wie man so schön sagt, in den Dienst seiner Mannschaft. Insgesamt handelt es sich um ein sehr kompaktes Album, wie man es eher vom amerikanischen Modern Metal oder aus dem Industrial Metal kennt: kein Gitarrensolo, endlose Grooves, meist recht kurze Stücke. Oft ist die Band mit den überirdischen NEUROSIS verglichen worden. So sehr der Vergleich hinkt und dies immer schon getan hat, gibt es doch ein Schnittstelle, die ihn stets rechtfertigte: beide Bands spielen knüppelharten Sound mit extremem Gesang, es gelingt ihnen jedoch, diesem Gesang, insgesamt ihrem Soundgebräu, eine emotionale Note zu verleihen.

Aber genug davon, DISBELIEF brauchen keinen Vergleich mit anderen Combos, längst schon sind sie so eigenständig, dass der Kenner sie nahezu bereits am Intro, spätestens aber an den ersten unmenschlichen Lauten Jaggers problemlos identifiziert. Da es sich bereits um die achte abendfüllende Arbeit der Süddeutschen handelt, ist die Frage einer Einordnung in das große Gesamtwerk vielleicht interessanter. Nach dem etwas farblosen „Navigator“ schien die Band ein wenig ihr kreatives Pulver verschossen zu haben, ein Eindruck der sicherlich auch dadurch verstärkt wurde, dass die Last des Komponierens traditionell ausschließlich durch Basser Joe zu tragen ist. Dies scheint auch auf dem neuen Scheibchen nicht anders, der spätestens seit „Spreading the Rage“ typische DISBELIEF Sound, der erneut durch Tue Madsen veredelt wurde, ist sofort zu erkennen und das Songwriting ist für die Band absolut typisch. Dennoch klingt die Band wie rundum erfrischt und lässt einen Knaller nach dem anderen vom Stapel. Es gelingt den Jungs, an den Oberknaller „66Sick“ qualitativ und stilistisch anzuknüpfen, höchstens ein klein wenig mehr Mut zur Evolution hätte man sich ganz eventuell noch wünschen können. Meine Favoriten sind der genannte Opener „A Place to hide“, das krachende „Hell goes on“, der grandiose Stampfer „The Return of Sin“ sowie das abschließende „Demon’s Entry“, außerdem eigentlich auch die ganzen anderen Killer.

Überkritische Geister mögen bemängeln, dass der Sound klingt wie bei jeder anderen Zusammenarbeit von DISBELIEF und Herrn Madsen und haben damit auch ein Stück weit recht. Wenn es der Band aber hilft, so tolle und wichtige Songs zu schreiben – bitte schön. Dennoch würde auch ich gerne mal eine DISBELIEF-Scheibe mit anderem Produzenten hören, allein weil die Jungs damit noch eine spannende neue Türe aufmachen würden und noch weitere Kreativität und Inspiration an ihr explosives Geschoss ließen. Inspiriert ist auf diesem Album wie gewohnt auch das Drumherum. Stets waren DISBELIEF bekannt dafür, die dickeren Bretter auch abseits der Musik zu bohren. Auf Album Nummer Acht ist es das Leitmotiv der Hölle, mit der die Band ein recht manierliches und inspirierendes Spielchen treibt: So ist ausgerechnet das Intro mit „Hell“ betitelt, obwohl es den Hörer an eine vollständige Idylle denken lässt. Die wahre Hölle dagegen bricht musikalisch und textlich erst über den Hörer ein und ist der Platz, der vom Menschen ausgefüllt wird. Die Hölle ist nicht, was den Menschen erwartet, er hat sie bereits geschaffen: eine Welt, in der immer noch Kriege geführt werden („One Nation’s Son“) oder in der es keinen Platz gibt, sich zu verstecken („A Place to Hide“). Es stellt sich die Frage, wer die Hölle beschützt, wie es der Albumtitel nahe legt. Ein Blick auf das Cover scheint Antwort zu geben, es zeigt ein aufgerissenes menschliches Auge, das gleichzeitig ängstlich in die selbst erschaffene Hölle starrt, die doch von ihm selbst geschützt wird. Nun mag der kritische Geist einwenden, dass das alte Sphinxen Motto „Es ist der Mensch“ nicht eben originell ist, jedoch kann man andererseits mit völligem Recht entgegenhalten, dass es so falsch nicht sein kann, etwas Richtiges zu sagen. Ich auf jeden Fall bin da gänzlich d’accord mit DISBELIEF, so clever kann ein zünftiges Extreme Metal Brett gerne auch und öfter sein!

Zum Schluss nur ein knappes Fazit: Für Massacre Records ein Platz in der Ecke zum Nachdenken, für die Band aber eine ganz dicke KAUFEMPFEHLUNG (und zwar eigentlich für das Gesamtwerk seit „Worst Enemy“).

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