
Artist | ERASURE |
Title | Light at the End of the World |
Homepage | ERASURE |
Label | MUTE |
Leserbewertung |
Schon 20 Jahre dauert die erfolgreiche Zusammenarbeit dieses skurrilen Paares. Und mit mehr als 20 Millionen verkaufter Alben weltweit gehören sie ohnehin zu den erfolgreichsten Duos des Planeten. Auch ihr mittlerweile 11. reguläres Album befindet sich jetzt in den Plattenläden und mit den beiden „Best Ofs“, dem Coveralbum „Other People`s Songs“ und dem Akustiklongplayer „Union Street“ ergibt das eine stattliche Diskografie. Schon die Vorabsingle „I Could Fall In Love With You“ machte Lust auf mehr. Wie auch bei einigen ihrer anderen Werke vertraute man auch hier wieder Gareth Jones. Mit ihm kann überhaupt nichts schief gehen. Produzierte er doch schon in den 80ern die DEPECHE MODE Erfolgsalben „Construction Time Again“, „Some Great Reward“ und „Black Celebration“. Desweiteren arbeitete er direkt oder auch indirekt mit etlichen Künstlern wie unter anderem FAD GADGET, TUXEDOMOON, NICK CAVE, JOHN FOXX, BRONSKI BEAT, SKUNK ANANSIE und den deutschen PHILIP BOA, RAINBIRDS, CAN, PALAIS SCHAUMBURG oder den EINSTÜRZENDEN NEUBAUTEN zusammen.
Mit dem Opener „Sunday Girl“, der zweiten Single, geht es sofort in die Vollen. Genau wie die erste Auskopplung aus dem Album ist dieser Titel ein richtiger Dancetrack, wobei „Sunday Girl“ noch eingängiger ist. An „I Could Fall In Love With You“ hatte ich ja im Vorfeld schon gefallen gefunden, aber die Albumversion gefällt mir im Nachhinein weitaus besser. Auch „Sucker For Love“ ist eins der schnelleren Stücke auf dem Silberling. Gerade bei diesen drei Tracks macht sich das Faible für Disco Musik von Mr. Clarke bemerkbar, kein Wunder, haben die beiden doch vor mehr als 10 Jahren mit der EP „Abba Esque“ eine wahre ABBA Mania Welle losgetreten. Das Disco Feeling ist aber schon nach dem ersten Drittel vorbei, denn jetzt folgen ruhigere Momente. Die Texte von Andy Bell sind laut Presseinfo die persönlichsten und intensivsten seiner bisherigen Laufbahn. Und das kommt nicht von ungefähr, trennte er sich nach fast zwei Jahrzehnten Beziehung von seinem Partner. Dass dies für ihn schmerzlich verlaufen ist, verarbeitet er in seinen Kompositionen. Vince Clarke bastelte mit Hilfe von Gareth Jones wunderschöne, traumhafte Melodien um die Stimme Bells. Der ganze Aufnahmeprozess fand in Clarkes neuer Heimat Maine statt. Inzwischen ist er verheiratet und Vater eines Sohnes. Dass es ihm nach fast 30 Jahren Musikbusiness (wie die Zeit vergeht) immer noch Spaß macht, mit den Synthies zu spielen, hört man aus jedem seiner Stücke raus. Es gibt kaum jemanden, der sich so akribisch um die Sounds und neue Technologien kümmert wie der DEPECHE MODE Gründer selbst. Vielleicht noch Alan Wilder (auch Ex-DM, RECOIL), weiter fällt mir da keiner ein. Und so entstanden tiefgründige Tracks wie das unglaublich herzzerreißende „Storm In A Teacup“. Aber auch „Golden Heart“, „Darlene“ und „How My Eyes Adore You“ stehen dem im Nichts nach. Die Gefühlslage des Sängers kommt mit „When A Lover Leaves You“ am ehesten rüber, fühlt er sich zwischen zwei Liebhabern hin- und hergerissen, nach dem einen sehnt er sich und um den anderen macht er sich Sorgen. Mit „Glass Angel“ endet der Longplayer leider viel zu früh, was unter anderem auch daran liegt, dass überhaupt keine Langeweile aufkommt, im Gegenteil man bekommt gar nicht Genug vom neuen Album.
Mit „Storm In A Teacup“ und dem flehenden „Glass Angel“ hab ich auch schon meine absoluten Favoriten dieses Silberlings ausgemacht. Für mich gehören sie neben den Klassikern „Always“, „Ship Of Fools“ und „The Circus“ zum absolut besten, was Vince und Andy je geschrieben haben. Andy Bell ließ im Vorfeld schon verlauten, dass sich „Light At The End Of The World“ zwischen „I Say, I Say, I Say“ und „Wild“ bewege. Meiner Meinung nach hat er da nur bedingt Recht. Ich füge noch das selbstbetitelte „Erasure“ dazu, dann passt seine Aussage. Denn viele Elemente dieses leider völlig unterschätzten Meisterwerkes sind auch auf dem aktuellen Longplayer vertreten. Das ist auch ein Grund dafür, dass mir der neueste Streich der beiden Engländer auf Anhieb gefällt. Was nicht überzeugt, ist die Veröffentlichungspolitik. Das mir vorliegende Album beinhaltet 10 Tracks, was natürlich Standard ist. Die Deluxe Edition hingegen kommt als Digipack mit zwei Bonustracks daher. Fans kaufen sowieso nicht die Standardausführung. Denen ist das Digipack Objekt der Begierde. Da hätte man die 10 Track-Version ruhig weglassen können. Wie üblich bei ERASURE, werden sie auf Tour gehen und auch wieder Station in Deutschland machen und dort gibt’s neben den Hits auch wieder jede Menge farbenfrohe Einlagen. Mr. Bell wird bestimmt ein paar Mal die Klamotten wechseln, da ist er ganz Diva und in seinem Element.
Zum Schluss noch ein paar Worte zu MUTE. Kaum ein anderes Indielabel beweist so viel Mut und Ausdauer bei seinen Künstlern. So hätten ERASURE zum Beispiel bei einem anderen Label das experimentelle selbstbetitelte Album oder „Union Street“ nie so veröffentlichen können. Künstlerisch wertvoll aber finanziell gesehen ein Flop. Auch DEPECHE MODE wären nach eigenen Aussagen mit ihren zweiten Album „A Broken Frame“ von 1982 bei anderen Plattenfirmen rausgeschmissen worden. Dass sie mit ihrer Musik erst später zu Weltstars wurden, hatte ja zu diesem Zeitpunkt keiner geahnt. Auch RECOIL hätte mit seinem Projekt woanders Probleme. Da sich aber Musik finanziell lohnen „muss“ und Stars schnell produziert werden müssen, lassen viele Labels die Weitsicht missen und wer kein Geld einspielt, der wird wegrationalisiert. MUTE ist immer noch ein Fels in der Brandung und veröffentlicht jetzt eine sehr interessante Werkschau mit vielen seiner Künstler. „Mute Audio Documents“ reflektiert die Anfangszeit des Labels von Daniel Miller von 1978-84. Jede Menge Raritäten und Originalversionen gibt es von Combos wie SILICON TEENS, THE NORMAL (beide Acts mit Daniel Miller), FAD GADGET, DAF, ANDREAS DORAU, BOYD RICE, EINSTÜRZENDE NEUBAUTEN, NICK CAVE, YAZOO, THE ASSEMBLY und DEPECHE MODE. Bei den letzten drei Projekten hatte auch Vince Clarke seine Finger an den Tasten.
Hinterlassen Sie einen Kommentar.
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.