
Artist | FAD GADGET BY FRANK TOVEY |
Title | A Retrospective in Sound and Vision |
Homepage | FAD GADGET BY FRANK TOVEY |
Label | MUTE |
Leserbewertung |
Als ich mir vor vielen, vielen Jahren das DEPECHE MODE Bootleg „Bridgehouse“ zulegte, wusste ich schon, dass sie bei diesem Konzert nur die Vorgruppe waren. Der Hauptact war kein geringerer als FAD GADGET. Nur kannte ich zu diesem Zeitpunkt seine Musik überhaupt noch nicht und schon gar nicht seine unglaublichen Shows. Dieses Konzert, das am 30. Oktober 1980 stattfand, gilt als Startschuss für die beispielhafte Karriere der vier Jungs aus Basildon, damals noch mit Vince Clark. FAD GADGET war zu diesem Zeitpunkt bei Daniel Millers Mute Records unter Vertrag und eben dieser sah sich an diesem Abend auch den Support an. Das, was sie auf der Bühne performten, gefiel ihm und er gab ihnen etwas später eine Chance auf seinem Label. Der Rest ist Geschichte. Mehr als 20 Jahre später bedankten sich die mittlerweile zu dritt agierenden DEPECHE MODE bei Frank Tovey aka FAD GADGET. Sie luden ihn ein, die Exciter-Tour zu supporten. Bei den ersten Shows in Deutschland wurde er gnadenlos ausgebuht, was bei den Openern bei DM nichts ungewöhnliches ist. Erst auf späteren Konzerten wurde die wilde Performance des Herrn TOVEY lautstark abgefeiert. Demzufolge wurde auch eine Best Of … veröffentlicht und mit Rückenwind ging es kurz darauf auch auf Solotour durch Europa. Begleitet wurde er von der österreichischen Band TEMPLE X, die ihn ja auch schon auf der Exciter Tour unterstützt hatte. Voller Elan und Tatendrang sah er in die Zukunft und sogar an neuem Material sollte gearbeitet werden. dazu kam es aber nicht mehr. Kurz nach seinem letzten Auftritt in Schweden verstarb Frank Tovey völlig unerwartet am 3. April 02 in seinem Haus in London an Herzversagen. Am 8. September 06 wäre er 50 Jahre alt geworden. Aus diesem Grunde veröffentlicht Mute nun ein Package aus 2 CDs + 2 DVDs über das Schaffen des Londoners.
Und dieses entpuppt sich als gelungene Retrospektive und gleichzeitig als Hommage an diesen genialen Künstler. CD 1 ist ein Streifzug durch fast zwei Jahrzehnte Discographie des Briten. Gleichzeitig bekommt man einen Einblick in die Persönlichkeit von FAD GADGET, dessen Undergroundhits wie „Back To Nature“, „Lady Shave“, „Ricky’s Hand“ oder „Collapsing New People“ mittlerweile unsterblich sind, bis hin zur realen Person FRANK Toveys, der mit den PYROS Folk Musik machte. Die schon angeführten Titel befinden sich aber auf CD 2 und zwar als Fan-Top Five. Das Hauptaugenmerk des ersten Longplayers liegt eindeutig auf seinen Singer/ Songwriterqualitäten, unter anderem mit “ Brigde St. Shuffle“, „Sam Hall“ (eine JOHNNY CASH Adaption) und „The Liberty Tree“. Ein „kleiner“ experimenteller Ausschnitt von der Kollaboration mit BOYD RICE ist ebenso auf die CD gepresst worden wie auch die unveröffentlichten Stücke „Sleeper“ und „A Place With The Pigs“. Letzteren Track schrieb Frank für ein Theaterstück seines Freundes. Auch das gesuchte Stück „Immobilise“ mit MKULTURA fand den Weg auf vorliegenden Silberling. Die zweite Disc enthält die schon angesprochen Fan-Top Five. Die Demo Versionen von „State Of The Nation“, „The Box“, „Coitus Interruptus“, „Back To Nature“ sowie „Salt Lake City“ vom ersten Album „Fireside Favourites“ sind für mich das absolute Highlight. Gleich im Anschluss hört man dann die offiziellen Versionen. Als krönenden Abschluss zollen TEMPLE X mit „Sorogui“ dem Meister ihren Tribut.
Kommen wir jetzt zum visuellen Teil des Sets. Auch die beiden DVDs sind bis oben hin vollgepackt mit Material von FAD GADGET. Disc 1 enthält Videos und TV Auftritte, darunter auch die legendäre Performance in der Kultsendung Formel 1 mit „Collapsing New People“. Geteert und gefedert. Das Video befindet sich auch als Extra auf der DVD „Herr Lehmann“, aber nicht in der Qualität wie auf dieser Veröffentlichung. Eine faszinierende Documentary zeigt den Menschen Frank Tovey und seinen musikalischen Werdegang. Es kommen ehemalige Bandmitglieder wie z.B. Dave Simmonds, Nick Cash und TEMPLE X zu Wort. Aber auch Musikerkollegen wie Boyd Rice, Dave Gahan und Martin Gore erzählen von ihren Erlebnissen mit ihm. Ebenso blickt Entdecker und Förderer Daniel Miller wehmütig auf das Schaffen von Frank Tovey zurück.
Um auch der Nachwelt seine spektakulären Liveshows nahe zu bringen gibt es DVD 2. Und auch die hat es in sich. Von 1981 an gilt es jedes Jahr ein FAD GADGET Konzert zu entdecken, zumindest ein kleiner Ausschnitt davon. Komplett enthalten ist der Gig in der Hacienda von 1984 (lang, lang ist’s her). Auch die neueren Shows wie z. B der Support für DM ist mit 3 Songs vertreten. Als Abschluss gibt es den 2002er Headliner Gig mit all seinen Hits. Dass bei Mute nicht gekleckert sondern geklotzt wird, sieht man schon am umfangreichen und sehr gut zusammengestellten Set. Für die Realisierung dieses Projektes gab es auch einen Aufruf an die Fans, Material in jedweder Form zur Verfügung zu stellen. So gelangten auch einige Sachen aus Privatbesitz mit in die Documentary. Wichtig zu betonen ist auch, dass Mr. Tovey musikalisch gesehen anderen Combos immer etwas voraus war. Nur, wie es dann immer so ist, sind Nutznießer andere gewesen. Oder wie Paul Morley in der Docu feststellt: „Überall in der Welt des Pops kann man den Einfluss FAD GADGET erkennen: Ob es nun bei MADONNA, DAFT PUNK, MARILYN MANSON, THE AUTEURS oder DEATH IN VEGAS ist. Jede Menge Sounds, die er erschaffen hat, findet man im House, elektronischer Musik, dem Electro-Clash Revival oder großen Pop Songs wieder.“
Dass FRANK TOVEY noch einiges in der Zukunft vorhatte, erzählte er in dem Interview, welches er uns gewährte (siehe unten). Leider sollte es dazu nicht mehr kommen. Auch ich werde ihn und seine grandiosen Gigs in Erinnerung behalten. Gerade sein Auftritt im unvergessen Bielefelder PC 69 gehört zu den besten, was ich je gesehen habe. R.I.P.
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