
Artist | FAUN |
Title | Totem |
Homepage | FAUN |
Label | CURZWEYHL |
Leserbewertung |
Endlich! Nach all’ den Dudelsackquälern, den Gitarrenschrammlern, dem kitschigen neuhochdeutschen Geschrei nach Minne, Narretei und gebrannten Erdnüssen, den Keyboardquetschern, all’ den Gefühllosen, die meinten, Walther von der Vogelweide könne man auch rappen (50 Cent unter den Linden? Yo!), ist da zu guter Letzt eine Gruppe, die es versteht, mittelalterliches Flair mit dem elektronischen Zeitalter zu verbinden, ohne die Vergangenheit zu beschämen und der Gegenwart peinlich zu sein. FAUN liefern mit ihrer fünften Platte ein echtes Meisterstück ab und schaffen es, sogar dem elektronischen Klang prinzipiell skeptisch gegenüberstehende Hörer wie mich zu überzeugen.
Oliver S. Tyr (Sänger, Gitarren, Schlüßelfiedel, keltische Harfe, kann offenbar einfach alles, sogar eine Tour planen und eine mittelhochdeutsche Handschrift lesen), Elisabeth Pawelke (Gesang, Drehleiern), Fiona Rüggeberg (Gesang, Dudelsack, Flöten, Rhythmusinstrumente – ähnlich vielseitig wie Oliver), Rüdiger Maul (bespielt alles, was man schlagen kann) und Niel Mitra (zuständig fürs Elektronische) haben sich offenbar wirklich Gedanken gemacht, wie man das selbstgebastelte Genre „Medieval Music Pagan Folk“ sinnvoll mit Leben füllen kann. Die zehn Lieder auf „Totem“ sind eigenständige Ideen, gekonnt arrangiert, sie spielen lustvoll und liebevoll mit mittelalterlichen Klangwelten und Motiven, ohne denen aber sklavisch hinterher zu hängen oder sie ungewollt zu parodieren. Dieses Album präsentiert nicht die vierhundertste Coverversion vom Palästinalied oder die fünfhundertzwölfte schlechte Kopie von „Des Geyers schwarzer Haufen“. Stattdessen: Größtenteils eigene Texte, die sich wunderbar vom Reim-Dich-oder-ich-fress-Dich-Schema der meisten „Kollegen“ abheben.
Schon der erste Song „Rad“ weckt die Lust aufs Tanzen, ist aber noch eher sanft, hypnotisch. So richtig los geht das Album bei Stück 2, „Zwei Falken“. Wer da nicht die Bundschuhe auszieht und die Tanzfläche stürmt, dem ist wirklich nicht zu helfen. Sicherer, geschmackvoller Frauengesang, bombastisch dröhnende Samples unter dem Refrain – das ist ein Hit, der denen der Ahnen QNTAL und ESTAMPIE ebenbürtig ist. Nun gut, „Sieben“ auf Platz 3 ist das wieder ein kleiner Dämpfer, denn die Thematik finde ich nicht so aufregend. Gut gemacht ist das Duett dennoch. Und beim vierten Song, „November“, habe ich wieder ein Lieblingslied für mich gefunden. Eine melancholische Ballade ohne verquastes Selbstmitleid. „Tinta“, Lied 5, punktet schwer mit den zwei tollen Frauenstimmen. Auch dieser Titel ist tanzbar, wenn man die unter der Oberfläche schwelende Leidenschaft erkennt und Spaß an Liedern ohne Effekthascherei hat. Das folgende „Unicorne“ ist etwas zum, wie sagt man heute?, „chillen“ zwischendurch, und „Karuna“ hebt dann den entspannten Geist zu neuen Höhenflügen. Komplizierte Rhythmik wird von den Münchnern hier genüsslich und federleicht präsentiert. Der Soundtrack zur Selbstversenkung geht mit „Gaia“ und der „Zeit nach dem Sturm“ weiter, bevor am Schluss mit „Der stille Grund“ ein a-capella-Hit präsentiert wird. Viel zu kurz mit seinen nur 3.07 Minuten!
Das ganze Album könnte noch länger sein, aber das ist wirklich das einzige, das ich hier zu motzen habe.
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