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GARY NUMAN - Splinter – Songs From A Broken Mind

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Artist GARY NUMAN
Title Splinter – Songs From A Broken Mind
Homepage GARY NUMAN
Label MACHINE MUSIC USA/ COOKING VINYL
Leserbewertung
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8.4/10 (5 Bewertungen)

Ganz, ganz selten erscheinen heute noch Alben, die als Gesamtkunstwerk angelegt sind und auch in ganzem Umfang überzeugen können. „Splinter“ ist so eines. Das fängt schon mit der großartigen Covergestaltung an, deren viktorianischer Touch zusammen mit dem mächtigen Industrial-Sound der Platte eine bestechende Steampunk-Kulisse entstehen lässt (mal davon abgesehen, dass NUMAN der staubige Zylinder und das Totengräberoutfit ganz wunderbar stehen). Und dass Schwarz, Staubgrau und Sepia zu Songs passen, die von einer gebrochenen Seele erzählen, versteht sich von selbst.

Auf „Splinter“ seziert GARY NUMAN sein Innenleben, mitleidslos und unnachgiebig, und in schlichten, einfachen Worten, die dafür um so mehr berühren. Der Ich-Erzähler seiner Songs fühlt sich hilflos, allein und ungesehen; er hat genug Grausamkeit und Verluste erlebt, um alle Hoffnung fahren zu lassen, und dennoch bemüht er sich unaufhörlich weiter darum, seine Situation zu verstehen, zu begreifen, welche Mächte mit ihm spielen, um zumindest ihre Absichten zu erkennen und dem ausweglosen Schrecken damit einen Sinn zu verleihen. Am Ende bleibt er in hoffnungslosem Bedauern gefangen und blickt zurück auf eine Zeit, in der noch alle Möglichkeiten offenstanden, die ungenutzt blieben. Die Spannung zwischen dem kleinen Menschen und den ihn erdrückenden Verhältnissen, worin auch immer sie bestehen mögen, findet ihren Ausdruck in der Gegenüberstellung von Numans heller, durch und durch emotionaler Stimme und der wuchtigen Musik mit ihren Elektro-Riffs, den peitschenden Effekten und den harten Rhythmen, die ihn umfängt und regiert. Und doch: Letztlich ist es diese Stimme, die den Songs ihre unverwechselbare Farbe gibt und die vielleicht doch am Schluss den Sieg davonträgt – ideell zumindest.

„Splinter“ lebt von diesen Spannungen, den kunstvoll in den Versen aufgebauten Strukturen, die in den Refrains wieder eingerissen werden, von synthetisch konstruierten Songs, die ihre perfekte Ergänzung in orientalischen Instrumenten und Gesängen finden, von Stille, gefolgt von industrieorchestraler Wucht. Heiser flüstert sich Numan zu minimal pulsierenden Sounds durch die Strophen von „Here In The Black“, um sich nach einem harten Zwischenspiel unvermittelt zu hymnischen Höhen aufzuschwingen, in deren Innerem eine bestechende Pop-Melodie schlummert. Ohnehin stecken in der Gewaltigkeit, die „Splinter“ über weite Strecken eigen ist, überraschend viele Pop-Elemente – letztlich keine Überraschung bei einem Künstler, der zu Beginn seiner Karriere nach elektronischen Freunden fragte. Das eindrucksvolle, bewegende „Lost“ beispielsweise ist tief in seinem Inneren ein großartiges Liebeslied, wenn auch ein trauriges, vorgetragen zu Klavier und einem Hauch Elektronik, und durch und durch poetisch in der Schilderung des Verlangens, noch einmal mit den Fingern über die Haut des geliebten Menschen zu streifen. Kleine Gesten, umrahmt von großem Schmerz.

So laut und dramatisch Numan seine Band stellenweise zu Werke gehen lässt – die vielen leisen Töne, die ruhigen Passagen und nicht zuletzt die immer wieder durchblitzende Pop-Sensibilität sorgen dafür, dass sich „Splinter“ niemals in bloßer Kraftmeierei erschöpft. Stattdessen gehen Musik, Wort und Bild auf diesem Album eine Art der Synthese ein, die alle drei Elemente über ihre eigentliche Qualität hinaus stärkt. Ein Gesamtkunstwerk eben.

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