
Artist | GLOBAL KRYNER |
Title | Coverstories |
Homepage | GLOBAL KRYNER |
Label | WILDWECHSEL |
Leserbewertung |
Manchmal merkt man, dass man in der Kindheit doch stärker geprägt wurde, als man das eigentlich für möglich (und wünschenswert) gehalten hätte. Oder woran liegt es, dass sich mir beim Hören der „Coverstories“ der GLOBAL KRYNER ein fettes Grinsen ins Gesicht gemeißelt wird? Selbiges kann doch nur damit zu tun haben, dass SLAVKO AVSENIK und seine ORIGINAL OBERKRAINER gern gesehene Gäste in meinem Elternhaus waren, oder? Zumindest spielt der Volksmusiker eine große Rolle im Sound der sechs Österreicher, die seit 2002 als GLOBAL KRYNER firmieren und einen ganz eigenen Oberkrainer-Style pflegen.
Das Sextett, das ganz ohne Schlagzeug auskommt und stattdessen auf Klarinette, Bassposaune, Akkordeon, Trompete und Gitarre setzt, hat sich beim sechsten Streich erneut vorgenommen, zu beweisen, dass in jedem Song auch ein bisschen Polka steckt. Passenderweise hört der Silberling auf den Namen „Coverstories“ und startet gleich einmal mit der PRINZEN-Nummer „Alles nur geklaut“. Wobei die GLOBAL KRYNER keineswegs einfach klauen, sondern ein ganz neues Klangerlebnis schaffen, das zweifelsohne ein wenig Volksmusik-Flair mitbringt, jedoch gleichzeitig auch sehr temperamentvoll daherkommt. Tobias Künzel, Frontmann der PRINZEN, sprach im Zusammenhang mit der Bearbeitung seines Songs von einer „Polka-Oper“ und auch CULCHA CANDELA dürften ihr „Monsta“ kaum wiedererkannt haben. Nun sind die Berliner ja sowieso schon mal Weltmusiker und hatten deshalb auch nichts dagegen, dass ihr Track nicht nur einen alpenländischen Anstrich bekommen hat, sondern gleich auch noch „eingewienert“ wurde. RAMMSTEINs „Engel“ haben die jaulenden Gitarren zur Seite gelegt und greifen neuerdings zur Klarinette, was gemeinsam mit dem zuckersüßen Gesang von Sabine Stieger zu einer Herausforderung für die Hardcore-Fans werden dürfte. Den Urhebern scheint’s aber zu gefallen und auch ich habe meinen Spaß an der Musikantenstadl-Variante des NDH-Krachers. Für seine „Flugzeuge im Bauch“ hatte HERBERT GRÖNEMEYER bisher noch keine Freigabe erteilt, bei den GLOBAL KRYNER allerdings eine Ausnahme gemacht, was bereits für sich spricht. „Die süßesten Früchte“ gehören jetzt nicht unbedingt zu den Pophits, aber nicht nur in Österreich zählt PETER ALEXANDER, der dem Lied zu Ruhm verholfen hat, zu den Großen des Musikbiz und seine Landsleute wollten dem 2011 Verstorbenen mit ihrer Coverversion einfach ein kleines Denkmal setzen. Bei „Pflaster“ (im Original von ICH & ICH) blitzt neben dem Oberkrainer-Gebläse auch schon mal ein wenig „Thriller“ von MICHAEL JACKSON durch, bevor „Das Haus am See“ von PETER FOX zum groovenden Schunkler wird und KLAUS LAGEs „1000 und 1 Nacht (Zoom)“ eine 1002. Nacht im grob gezimmerten Bauernbett erlebt. Ob FALCO bei seinem „Kommissar“ jemals daran gedacht hat, dass daraus mal eine derart schräge Variante wie bei den GLOBAL KRYNER werden könnte? Aber schließlich sind die Ösis ja für eine gewisse Exzentrik bekannt und dazu passt auch GEORG KREISLERs tiefschwarzes „Taubenvergiften“ bestens. PETER SCHILLINGs „Major Tom“ hat jetzt wieder Bodenhaftung und wenn KARATs „Über sieben Brücken musst du gehen“ erklingt, schwingt da auch ein bisschen „Bridge Over Troubled Water“ (SIMON & GARFUNKEL) mit, während einem an anderer Stelle durchaus der „River Kwai Marsch“ begegnet oder ein wenig AC DC aus dem alpinen Unterholz bricht.
Die GLOBAL KRYNER bedienen sich halt ungeniert in der Musikgeschichte und verpassen den Songs im selben Atemzug ihren ganz eigenen Stempel. Die Tatsache, dass der Track 13 „Männer sind Schweine“ mit den Hinweisen „Leider nicht auf dieser CD“ und „zensiert“ versehen ist, lässt darauf schließen, dass DIE ÄRZTE sich damit nicht so recht anfreunden konnten. Nun sind die „Coverstories“ zweifellos nicht unbedingt massentauglich und bringen auch nicht den komödiantischen Unterton ihrer polnischen Polka-Kollegen von DER FAMILIE POPOLSKI mit. In der richtigen Stimmung weiß die Mucke trotz alledem hervorragend zu unterhalten – ungeachtet der musikalischen Sozialisation.
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