
Artist | GREAT LAKE SWIMMERS |
Title | New Wild Everywhere |
Homepage | GREAT LAKE SWIMMERS |
Label | NETTWERK |
Leserbewertung |
Man höre und staune! Tony Dekker ist für seine fünfte Langrille „New Wild Everywhere“ doch tatsächlich ins Studio gegangen. Was bei anderen Musikern eine absolute Selbstverständlichkeit ist, zählt beim kanadischen Mastermind der Folk-Rock-Band GREAT LAKE SWIMMERS eher zur Ausnahme, denn die vier Vorgänger sind allesamt an ebenso ungewöhnlichen wie abgelegenen Orten entstanden, zu denen zunächst Verlängerungskabel und Generatoren geschafft werden mussten, um das Equipment in alten Kirchen, ungenutzten Getreidesilos oder Gemeindesälen überhaupt ans Laufen zu bekommen. Mal ganz abgesehen von Fliegen, Eichhörnchengeräuschen, schlechtem Wetter, defekten Mietwagen und fehlenden Steckdosen für die besagten Verlängerungskabel.
So ganz wollte Kollege Dekker dann aber wohl doch nicht auf seine exotischen „Feldaufnahmen“ verzichten, denn zumindest „The Great Exhale“ ist außerhalb der Studiomauern entstanden. Eine verlassene U-Bahn-Station in Toronto diente hier als Heimstatt für die Aufnahmen, die erst in den frühen Morgenstunden beginnen konnten, nachdem die Züge über ihnen in den Depots verschwunden waren und das unvermeidbare Rattern aufgehört hatte. Dass der gefühlvolle Song in einem hallenden, weitläufigen Tunnel eingespielt wurde, ist auf dem Silberling allerdings nicht mehr zu hören. Vielmehr passt er wunderbar zu den übrigen zwölf Tracks, die vom emotionalen „Think That You Might Be Wrong“ gleich mit großem Besteck eröffnet werden. Mit von der Partie war der Langzeit-Kollaborateur Erik Arnesen, der von Beginn an sein Banjo- und Gitarrenspiel zur Verfügung stellt, sowie die Neulinge Miranda Mulholland für die Backing Vocals und an der Geige, außerdem Bret Higgins am Kontrabass und Drummer Greg Millson, der bereits auf dem 2009er „Lost Channels“ die Felle bearbeitete und beim Titeltrack „New Wild Everything“ für den knackigen Rhythmus sorgt. Leise, verspielte Töne schlägt derweil „The Knife“ an, während sich das countryeske „Changes With The Wind“ beschwingt anschließt. „Cornflower Blue“ gefällt mit dezenten Banjo-Klängen und der warmen Tenorstimme Dekkers, bevor die treibende Single-Auskopplung „Easy Come Easy Go“ Laune macht. „Fields of Progeny“ schaltet hingegen einen Gang zurück und auch die „Ballad of A Fisherman’s Wife“ bringt ihren Protest über die Ölkatastrophe vor der Küste von Louisiana und die damit verbundenen Probleme für die geschädigten Fischer-Familien mit eher ruhigen Melodien zum Ausdruck. „Quit Your Mind“ schließt sich hier in Slow Motion an, ehe der „Parkdale Blues“ zu Herzen geht und das traurige Abschlusslied „On The Water“ nachdenklich macht. In dieser Stimmung verweilt auch der Bonus Track „Les Champs de Progéniture“, mit dem die Scheibe schließlich nach 54 Minuten endet.
Die GREAT LAKE SWIMMERS um Tony Dekker gibt es bereits seit einer Dekade; dass sie trotzdem hierzulande nicht bekannter sind, mag daran liegen, dass man sich mit Folk in Deutschland bisher eher schwer getan hat. Vielleicht hat sich dies mit dem Erfolg von MUMFORD & SONS und Konsorten ja geändert und „New Wild Everywhere“ findet mehr Zuspruch als die vorangegangenen Langrillen. Verdient hätte es die oft melancholische Mucke der Kanadier auf jeden Fall und auch der Vergleich mit den ruhigeren Werken von NEIL YOUNG oder auch NICK DRAKE ist nicht von der Hand zu weisen. Es gibt schlimmeres, oder?
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