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HENDRIK OTREMBA - Benito (Buch)

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Artist HENDRIK OTREMBA
Title Benito (Buch)
Homepage HENDRIK OTREMBA
Label MÄRZ VERLAG
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Den 38-jährigen HENDRIK OTREMBA kennt man als Sänger der Münsteraner Band MESSER, er ist aber auch bildender Künstler, Journalist, Kurator und Autor. 2017 veröffentlichte er seinen Debütroman „Über uns der Schaum“, 2019 folgte „Kachelbads Erbe“ und jetzt „Benito“. Worum geht es in dem Roman?

1995 fährt der elfjährige Cherubim mit seiner Pfadfindergruppe auf eine dreiwöchige Kanufahrt einen westdeutschen Fluss entlang. Sie alle tragen klingende Fahrtennamen wie Kippe, Maus und Fliegentöter. Ihren Anführer, ein paar Jahre älter als sie, nennen sie Häuptling. Je weiter der Fluss sie trägt, desto verbundener fühlt sich Cherubim den anderen, desto mehr vergisst er sein Zuhause. Dort warten ohnehin nur seine frisch getrennten Eltern auf ihn, die Mutter überfordert, der Vater depressiv. Für den blinden Benito, mit dem er sich eines der Boote teilt, entwickelt er ein zunehmend obsessives Interesse.

Dann geschieht ein schreckliches Unglück: Durch einen Jagdunfall wird der Anführer getötet, woraufhin die Jungen bald dem Wahnsinn nahe die Flussfahrt ohne ihn fortsetzen. Immer tiefer geraten sie nun in eine verstörende Welt. Das kindliche Abenteuer wird zu einem surrealen Albtraum. Benito erfährt dabei eine radikale Wandlung: Zunehmend ergeht der zu Beginn noch in sich gekehrte Junge sich in immer zornigeren Monologen, die den Irrweg der Zivilisation anprangern. Aus dem stillen Jungen wird ein fatalistischer Prophet, ein blinder, apokalyptischer Seher.

Drei Jahrzehnte später ist aus Cherubim ein bekannter Schriftsteller geworden, der einer rätselhaften Einladung folgend nach Bonn kommt. Am Tag des Empfangs im bekannten Hotel Paradies, das von einer Vielzahl prominenter Menschen aus Politik, Wirtschaft und dem Showgeschäft besucht wird, stürmt ein maskierter Mann den Saal Eden, schließt die 300 Gäste darin ein und schießt minutenlang wild um sich. Wie durch ein Wunder kommt niemand zu Schaden. Cherubim begreift schnell, dass das Attentat nur vorgetäuscht und mit viel Pomp inszeniert ist. Und hat nicht Benito sein linkes Bein genauso nachgezogen wie der Attentäter?

In der Folge begibt er sich auf eine Spurensuche durch das Ruhrgebiet, reflektiert die Mythen der alten BRD und muss immer mehr feststellen, dass das öffentlichkeitswirksame Rätsel, dem er in Bonn beiwohnte, eng verwoben ist mit den Ereignissen seiner Kindheit. So wird die Suche nach der Wahrheit auch eine Suche nach seiner eigenen Vergangenheit.

In eindringlicher Sprache erforscht HENDRIK OTREMBA, was uns über unsere eigenen Grenzen treibt. Abenteuererzählung und Künstlerroman in einem, entwirft „Benito“ im dichten Wechsel zwischen zwei Zeit- und Erzählebenen ein Kaleidoskop aus Zorn und Intellekt, Aktion und Reflexion, Terror und Kunst. Bisweilen vielleicht ein bisschen zu sehr im Namedropping diverser Schriftsteller und Philosophen gefangen, weiß der gebürtige Recklinghäuser mit seiner Geschichte über insgesamt 504 Seiten zu fesseln. Autobiografische Momente gibt es auch, denn auch HENDRIK OTREMBA hat ähnlich wie Cherubim früh seinen Vater verloren, was nach eigenem Bekunden sein Leben geprägt hat. Außerdem war er selbst im Ruhrgebiet Pfadfinder und als 14-jähriger mit seiner Pfadfinder-Gruppe auf Kanu-Tour. Spannend fand ich zudem die Tatsache, dass der zweite Erzählstrang nicht im Jahr 2022 spielt, sondern 2026. Dass dabei von der ‚ersten großen Pandemie des 21. Jahrhunderts‘ die Rede ist, ließ sich zweifellos ohne weiteres in den Schreibvorgang einbauen. Dass jedoch auch von Kriegen berichtet wird, die Russland im Osten anzettelt hat, spricht entweder für die seherischen Qualitäten des Autors oder für die erstaunlich kurzfristige Anpassung des Textes im Entstehungs- und Druckprozess.

Neben der gebundenen Ausgabe mit der ISBN 978-3755000075 gibt es auch ein E-Book und und ein digitales Hörbuch (gelesen vom Autor).

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