
Artist | LA MORT DE L'HIPPOCAMPE |
Title | Symphonie Neronale |
Homepage | LA MORT DE L'HIPPOCAMPE |
Label | ENFANT TERRIBLE |
Leserbewertung |
Das niederländische Label Enfant Terrible ist immer wieder offen für besondere Veröffentlichungen, die ihre Wurzeln fernab von Mainstream-Trends haben. So arbeitete das Label in den letzten Jahren auch sehr intensiv mit dem Künstler Jéróme Fontan zusammen, der leider vor geraumer Zeit verstorben ist. Vielen dürfte er von seinem Projekt PORN.DARSTELLER bekannt gewesen sein, das sich im großen Feld des Minimal Electro und Cold Wave tummelte. Kurz vor seinem Tod steckte Jéróme in den Arbeiten zu einem Album eines weiteren Projektes namens LA MORT DE L’HIPPOCAMPE. Dieses Werk wird nun in Form einer 12“ Vinyl von „Symphonie Neronale“ der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Anders als bei seinem Projekt PORN.DARSTELLER findet man bei den neun enthaltenen Stücken keine pop-orientierten Strukturen, sondern äußerst experimentelle Klangkunst und Geräuschcollagen, die den idealen Soundtrack zu einem Film bieten könnten. Die Scheibe ist aufgeteilt in Seite A „Die Sonne“ mit vier, und Seite B „Der Mond“ mit fünf „Chants“. Nach dem Intro „L’aube“, das mit trompetenähnlichen Sounds einstimmt, folgt „L’étoile la plus brillante“, das einen monotonen Stakkatobass, minimale Drums und Synthie-Flächen mit verhallten Wortfetzen zu einem bedrohlichen Ganzen formt. „Le passage“ präsentiert sich gänzlich ohne Rhythmus und erzeugt durch fremde, aber doch irgendwie bekannt vorkommende Geräusche Assoziationen an ein Sägewerk, einen Teich mit Enten oder an ein Kälteaggregat in einem Kühlhaus?! Bei dieser Beschreibung wird deutlich, dass hier bei jedem ganz eigene Bilder im Kopf entstehen dürften. Plötzlich wird der hypnotische Sound wieder von Sprachfetzen und rudimentären Schlagwerkklängen unterbrochen, um dann mit orchestralen Orgelsounds und quietschigen Tönen fortzufahren. Im Presseinfo wird eine gewisse musikalische/ künstlerische Nähe zu DIE TÖDLICHE DORIS angedeutet, jener avantgardistischen Formation, die insbesondere in den 80ern für Furore sorgte. Kennt jemand noch die genialen Werke „Robert“, „Tanz im Quadrat“ oder auch „Stümmel mir die Sprache“? Bei „L’esprit et la chair“ werden diese Einflüsse sehr gut nachvollziehbar.
„Der Mond“, die zweite Seite der Scheibe, setzt genau da an. Zu anfänglichen Pieptönen gesellen sich schemenhafte Frauenstimmen, die im weiteren Verlauf bei „Détachement“ deutlicher zu erkennen und verstehen werden. Da wird in lyrischer Weise, fast geisterhaft vom Tod und Dunkel gesprochen. Die Vortragsweise erinnert an dieser Stelle etwas an Nina Hagen oder, nein, an einen weiblichen Klaus Kinski. „Désordre mental“ ist wieder deutlich rhythmusbetonter. „Levure Sauvage“ wirkt schließlich mit faszinierenden Sprachsamples äußerst skurril: „Ich bin schuld – natürlich – Du bist schuld – das ist meine Natur…“. Den Abschluss bildet das chansoneske „La nuit“, das sich anhört, als wäre es nachts, nach einer Theaterprobe von „Figaros Hochzeit“ aufgenommen worden, da hört man vergnügt singende und feiernde Frauen, aufpoppende Bierflaschen und schließlich ein Schnarchen, dem von finalen Trompeten Einhalt geboten wird.
„Symphonie Neuronale“ ist musikalisches Theater, eine tonale Reise in eine fiktive Welt. Zwischen Hörspiel und Soundtrack, zwischen Struktur, Zufall und Experiment bewegt sich der Künstler und kreiert damit ein musikalisches Vermächtnis, das dem Interessierten nachhaltig in Erinnerung bleiben dürfte. Das ist lebendige Kunst!
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