
Artist | LEONARD COHEN |
Title | Old Ideas |
Homepage | LEONARD COHEN |
Label | COLUMBIA/ SONY MUSIC |
Leserbewertung |
Es gibt in der Musikszene ganz, ganz wenige Künstler, die sich jeder Kritik entziehen – Ikonen, über die einfach niemand ein böses Wort sagt. JOHNNY CASH war zum Ende seiner Karriere eine solche Institution, und LEONARD COHEN hat längst einen ähnlichen Status. Wenn eine neue Platte von einem dieser alten Meister kommt, dann ist schon vorab klar: An dem Ding wird man nicht wirklich herummeckern wollen. Weil COHEN seit Ende der Sechziger, seit „Suzanne“ und „First We Take Manhattan“, und natürlich erst recht seit „Hallelujah“ anerkanntermaßen einer der Guten und einer der ganz Großen ist. Einer von denen, bei dessen Erwähnung alle, auch wenn sie den Großteil seines Werkes gar nicht kennen, mit dem Kopf nicken und mit ernster Stimme sagen: Klar, den find ich gut.
Soll heißen: So ein bisschen Ehrfurchtsstarre ist dabei, wenn man „Old Ideas“ zum ersten Mal auflegt. Der Titel ist dabei Programm: Es ist kein Album voll bahnbrechender musikalischer Neuerungen, aber nun fasziniert COHEN seit je her weniger wegen seiner Musik, sondern vielmehr wegen seiner Texte und seinem einmaligen Gänsehaut-Bariton. Den Bariton hat er inzwischen ein wenig zurückgefahren und durch einen leisen Sprechgesang ersetzt, ein intimes, dunkles Raunen, das bestens zu den Themen passt, denen er sich auf dieser Platte widmet. Der 77-jährige erzählt von der heraufziehenden Dunkelheit, vom Scheitern, vom Bedauern, aber ohne einen Hauch von Selbstmitleid oder Resignation. Der ganze Ton des Albums ist oberflächlich betrachtet zurückhaltend und leise, dominiert von akustischen Instrumenten und sanft mit Besen gespieltem Schlagzeug; Sounds, die viel Raum für Soloinstrumente wie Trompete oder Geige, vor allem aber für COHENS stimmliche Präsenz lassen. Produzent Patrick Leonard hat hier saubere Arbeit geleistet und sich auch davor zurückgehalten, den Grand Seigneur der Rockpoesie in irgendein Zeitgeist-Gewand zu stecken, dass ihm nicht gepasst hätte. So ruhig die Songs auch klingen, es steckt eine ganz eigentümliche Kraft in ihnen. COHEN mag sie leise erzählen, aber es schlummert dennoch eine unterschwellige Energie gerade in den Texten, in denen es um die Abgründe von Beziehungen geht, um das Ausloten der eigenen Spielräume, um Sehnsüchte und Leidenschaften, aber auch um das Nichtaufgebenwollen in scheinbar ausweglosen Situationen. Romantisch-melancholische Töne sind dabei nicht seine Sache, vielmehr brüchige, packende Nüchternheit. Wenn COHEN um Vergebung bittet, um eine zweite Chance, dann tut er das, ohne sich zu verbiegen oder klein zu machen.
Und so wirkt dann auch „Old Ideas“ insgesamt wie das Statement eines abgeklärten, aber keinesfalls desillusionierten Mannes, der auf sein Leben zurückblickt und längst an dem Punkt angekommen ist, an dem ihm egal ist, was andere über seine Lieder denken. Trends oder Rock-Genres haben ihn schon früher nicht interessiert und tun es heute noch viel weniger, und das macht „Old Ideas“ angenehm kompromisslos. Wären da nicht die teilweise doch arg süßlich wirkenden Frauenstimmen, „Old Ideas“ wäre zweifelsohne eine Platte, die man bedenkenlos jedem NICK-CAVE- oder TOM-WAITS-Fan hätte empfehlen können.
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