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PEARL JAM - 20 (DVD)

VN:F [1.9.22_1171]
Artist PEARL JAM
Title 20 (DVD)
Homepage PEARL JAM
Label MONKEYWRENCH INC./ SONY MUSIC ENTERTAINMENT
Leserbewertung
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9.0/10 (2 Bewertungen)

Vielleicht sollte ich vorausschicken, dass der einzige Film, aus dem ich im Kino je vorzeitig rausgegangen bin, „Singles“ war, gedreht von Cameron Crowe und musikalisch begleitet von PEARL JAM. Nicht wegen PEARL JAM, vielmehr wegen der dämlichen Geschichte. Jetzt, fast zwanzig Jahre später, kommt wieder ein Crowe-Film mit Pearl Jam daher, und diesmal macht es Spaß, ihn bis zum Schluss zu schauen. Dabei ist die Geschichte auch eine schon oft erzählte: Aufstrebende Musiker gründen eine Band, verlieren ihren Sänger durch Drogen, finden einen neuen, werden berühmt und kämpfen darum, sich angesichts des enormen Erfolgs nicht selbst zu verlieren. Aber hier stimmt die Dramaturgie.

Crowe, damals noch Musikjournalist für renommierte Zeitschriften wie den „Rolling Stone“, bekam die Seattle-Szene von Anfang an hautnah mit und lernte Stone Gossard und Jeff Ament kennen, als sie noch bei MOTHER LOVE BONE, der Vorgängerformation von PERAL JAM, spielten. Schon damals war er mit der Kamera unterwegs, und er hat stimmungsvolles Material aus dieser Zeit zusammengetragen – frühe Interviews mit der Band oder mit Weggefährten wie Chris Cornell, Mitschnitte von Konzerten, Bilder aus dem Seattle der damaligen Zeit, schwarzweiß oder sepia eingefärbt, um den dokumentarischen Aspekt zu unterstreichen. Ergänzt wird der Rückblick um aktuelle Kommentare – Eddie Vedder muss lachen, als Crowe ihm die Cassette in die Hand drückt, mit der er sich nach dem Tod des MLB-Sängers Andrew Wood bei Ament und Gossard um den Job am Mikrofon bewarb.

Und so folgen wir PEARL JAM bei ihrem Aufstieg – durch die kleinen Clubs bis zu den überwältigenden Festivalauftritten. Aus den kleinen Rempeleien auf der Bühne und den Tortenschlachten an Jeff Aments Geburtstag werden dramatische Szenen, wenn Eddie Vedder an den Lichtmasten hangelt oder sich von Kamerakränen aus mehreren Metern Höhe ins Publikum fallen lässt. Immer wieder beteuert die Band ihre Bodenständigkeit, will keine Videos drehen, bei denen zum Playback so getan wird als ob, und es ist den Musikern anzusehen, wie schwer sie sich mit den neuen Umständen tun, mit den riesigen Zuschauermengen, mit dem Verlust der Intimität in den Clubs. Der Ausverkauf der Szene wird plastisch deutlich an den kurzen Einspielern von platten Game-Shows, in denen die Kandidaten Begriffe wie „Grunge“ raten müssen, oder von Modenschauen, bei denen plötzlich Models mit karierten Hemden unterwegs sind. Plötzlich hat die Band Probleme mit Stalkern und baut sich hohe Zäune um ihre Häuser. Dann stirbt Kurt.

Die Qualität von „20“ liegt vor allem darin, dass diese Dokumentation PEARL JAM nicht als isoliertes Phänomen betrachtet und ergo nicht nur die Geschichte der Band erzählt, sondern, weil untrennbar damit verbunden, die Geschichte des Grunge, und Cameron gelingt das Kunststück, trotz seiner Nähe den Überblick über die Zusammenhänge nicht zu verlieren. Durch seine Bilder wird der Rückzug Eddie Vedders Mitte der Neunziger nachvollziehbar, ebenso wie die Verschiebung der Machtverhältnisse innerhalb der Band von Gossard zu Vedder.

„20“ porträtiert eindrucksvoll den Kampf um den Erhalt von Authentizität und künstlerischer Integrität in einem Geschäft, in dem für diese Werte naturgemäß kein Platz ist, und das macht diesen Film auch für Rockfans spannend, die mit PEARL JAM eigentlich nichts am Hut haben. Das Bonusmaterial ist hingegen eine Fundgrube für die Insider und bietet einen Blick hinter die Kulissen, indem sich Mike McCready und Matt Cameron beim Songschreiben beobachten lassen oder Eddie Vedder durch sein Haus führt.

Grund genug, Cameron „Singles“ allmählich zu verzeihen.

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