
Artist | SAINT ASIDE |
Title | Angel Come |
Homepage | SAINT ASIDE |
Label | KICK THE FLAME |
Leserbewertung |
Großzügig preisen SAINT ASIDE ihr innovativ genanntes Musikvideo an, das sich hierzulande als erstes seiner Art der futuristisch geglaubten „augmented reality“-Technik bedient. Selbstbestimmend kann der Betrachter via Webcam eine spartanische Comic-Bühne mitsamt der schmucklos eingefügten Musiker durch den Raum schwenken, dem zuvor als Offenbarung vorgestellten Schritt in die Zukunft kommt dieses hanebüchene Spektakel aber bei weitem nicht gleich. Hat man sich durch die weiteren Spielereien der erweiterten Realität gekämpft, der Promoversion liegen sie nicht bei, gelangt man tatsächlich an die musikalische Kernangelegenheit. Denn ja, „Angel Come“ ist letztendlich wider alle Erwartungen eine handelsübliche CD, das dritte Album der Leipziger und anderen Pressestimmen zufolge ein erbauendes Zeugnis deutscher Rock-Zunft.
Erwartungen an ein zumindest emotional überragendes Ergebnis schüren die Heiligen im Abseits noch selbst: der letztjährige Tod des Bassisten wird zum produktiven Motivator umgekrempelt, dazu kommt eine fantastische Weltverbesserer-Metaphorik, der man scheinbar mittels der zeitlich günstigen Verknüpfung mit Finanzkrisen und ähnlichen Missständen kräftig unter die Arme greifen möchte. Doch selbst nach diesem überladenen Input ist der Verstand noch nicht genug verdunkelt, um die Lobpreisungen widerstandslos als Tatsache zu akzeptieren. SAINT ASIDE hängen tief in den Neunzigern, schleifen den seinerzeit boomenden Seattle-Sound am einen Bein hinterher und wollen mit dem zweiten zugleich schon im Neuzeit-Groove versinken, sind aber offensichtlich zu arm an Ideen, um mit den höher klassierten Vertretern der beiden Seiten in Verbindung gebracht werden zu können. Der Unerreichbarkeit PEARL JAMs und Kollegen zum Trotze braucht es da doch schon mehr als eine halbstarke Batterie glatter Rocksongs und eine wehleidige, aber charakterschwache Stimme, um sich im derzeit schwächer befahrenen Post-Grunge richtig einzuordnen. Für eine Teenie-Version, wie sie etwa PUDDLE OF MUD in den Jahren nach 2000 häufig markierten, klingt das zeitweise Metal-lastige Handwerk zu erwachsen, obwohl man die Stücke an mancher Stelle zu leicht auf die Pop-Schulter nimmt. Und diesen Eindruck entkräftet Akustikklampfen-Geschraddel wie „Wavelength“ nicht gerade. Einziger Aufhänger bleibt „Come to me“, die Single, um die sich hier so gut wie alles zu drehen scheint, mit ihrem wohligen Johl-Refrain und softem Hardrock-Kalkül in angeblich erweiterter Realität. Fast schon wie der gen Zukunft mahnende Zeigefinger erhebt sich da am Ende der Scheibe ungeahnt eine simple Akustik-Version, ihre gestromte Vorlage und auch so ziemlich den Rest in die zweite Reihe der Emotionen stellend.
Dies Fünkchen verglimmt nach der vorangegangenen, selten Aufmerksamkeit erregenden Platte aber leider fast unbeachtet, und „Angel Come“ bleibt demnach eine durchschnittliche, aalglatt gezockte Scheibe mit zu wenig Gefühl und zu vielen Ideen für das Radio. Solang die nächsten Stücke noch nicht geschrieben sind und von der stichfesten Qualität der Leipziger überzeugen können, darf man der Presse durchaus noch misstrauen und mit kräftigem Lob im Zaume halten.
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