
Artist | UNHEILIG |
Title | Lichter der Stadt |
Homepage | UNHEILIG |
Label | VERTIGO/ UNIVERSAL |
Leserbewertung |
„Der Graf“ ist ein herzensguter Kerl und ein authentischer noch dazu. Das ist unbestritten. Der letztlich doch sehr überraschende Durchbruch mit dem Vorgänger „Grosse Freiheit“ war das Ergebnis jahrelanger Arbeit, der richtige Zeitgeist mag auch eine Rolle gespielt haben. Ein wenig dunkler Chic gehört in diesen Krisen-Tagen eben dazu, der Herr mit den virilen Schläfen dürfte für den bundesdeutschen Normalbürger auch genau das richtige Maß an Exotik verkörpern. Dass ihm das Teile seiner „ursprünglichen“ Szene übel nehmen, ist ein normaler Reflex der Non-Exklusivität. Der Künstler selbst hat sich nie ausschließlich dieser Klientel verpflichtet gefühlt. Insofern sind hier weder Neid noch Häme angebracht, zumal qualitativ auch immer noch alles im halbwegs grünen Bereich war. Die „Grosse Freiheit“ beispielsweise hatte einige überzeugende Momente und verkörperte immer noch die Dynamik im Schaffen des Grafen von pathetischen Balladen bis hin zu aggressiven Brechern der Soft-RAMMSTEIN-Liga. Doch lassen wir die Katze aus dem Sack: „Lichter der Stadt“ ist das Ende einer Ära, der endgültige Abschied von den dunklen Mächten, aus Goth-Schlager wird nun teilweise erschreckend banales Deutsch-Pop-Geschwurbel.
Dabei vermag das Intro noch ein wenig Soundtrack-artigen Breitwand-Sound versprechen und auch das folgende „Herzwerk“ – mal abgesehen von dem abgegriffenen Titel – erinnert an die alten Tage mit einem steten Wechsel aus „harten“ Strophen und hoch-melodiösem Refrain. Allerdings fällt bereits an dieser frühen Stelle auf, dass die Gitarren erschreckend drucklos abgemischt wurden, wohl um ja Niemandem weh zu tun. In den folgenden Stücken spielen diese dann aber eh keine Rolle mehr. Stattdessen Pianogeplänkel ohne Ende, Uuuhs und Aaahs, ein paar unkreative Synthies. Und inmitten dieser musikalischen Nichtigkeit fällt dann die lyrische Limitierung erst richtig auf, die 2012 nur noch aus Selbstzitaten zu bestehen scheint, billige Phrasen, die Emotionen nur vortäuschen, wenngleich die neue Klientel das möglicherweise für tiefgründig hält. Die üblichen Begriffe wie „Stolz“ und „Freiheit“ immer neu verquirlt zu einer Art „Pseudo-Kollektiv-Bewusstsein“. Durch die geschickte Verwendung von „Wir“ und „Uns“ bindet „der Graf“ seine Hörer immer wieder ein, das stiftet Identifikation und lässt sich auch live sehr gut skandieren. Die Vorab-Single „So wie du warst“ fällt für sich genommen auch gar nicht so schlecht aus, doch inmitten weiterer Kerzen-Schunkler verliert sie sich in einem seichten Nichts. „Tage wie Gold“ wartet mit Deutsch Pop-Gitarren auf und erinnert nicht nur dem Namen nach an KLEE-Ausschuss-Ware. Das Duett mit ANDREAS BOURANI, der auch als Tour-Support fungieren wird, chargiert beinahe hilflos in immer gleichen Worthülsen und –Wiederholungen. Nicht viel besser sieht es da später bei der Zusammenarbeit mit dem „großen“ XAVIER NAIDOO aus, den ich persönlich schon immer unerträglich fand, ob der UNHEILIGe Vorsänger damit seine Zielgruppe noch erweitern möchte? Einzig „Feuerland“ und „Eisenmann“ geben noch mal ein wenig Gas, lassen den UNHEILIG-Liebhaber alter Schule aber eher wehmütig zu den Frühwerken greifen.
Eine wirklich gruselige Scheibe, und das ist nicht im gothischen Kontext gemeint. Weichgekochter Schlager-Schmarren voller Plattheiten und auf Pseudo-Opulenz aufgeblähter Pathos. Das sagt jemand, der bis dato ALLE Alben mochte, und nun Probleme hat, das Ding überhaupt in einem Stück durchzuhören. Da mag das Konzept mit dem Albumtitel (an Chaplins „Lichter der Großstadt“ angelegt?) und dem MENSCHENleeren Artwork noch so nett gemeint sein, wenn dann die Kompositionen auch noch BLUTleer ausfallen, wird dieses inhaltliche Motiv ad absurdum geführt. Die „neuen“ Fans dürfen sich freuen, jegliche Ecken und Kanten wurden entfernt, ab sofort darf auch ohne Gruftie-Faktor geschunkelt werden im Kinderparadies. Das hört sich alles furchtbar zynisch an, doch im Grunde bin ich nur enttäuscht vom Werdegang des Grafen, dessen Weg nun einfach nicht mehr meiner ist. Stört jetzt eigentlich nur noch der „Band“-Name, vielleicht heißt es bald nur noch „The Artists formerly known as UNHEILIG“…
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