
Artist | VNV NATION |
Title | Judgement |
Homepage | VNV NATION |
Label | ANACHRON SOUNDS |
Leserbewertung |
“Judgement day’s not coming soon enough!”
VNV NATION veröffentlichen ein neues Album. Es wird den Namen „Judgement“ tragen. Nach vielen Jahren der musikalischen Spitzenklasse im dunkel-elektronischen Bereich macht dieses nunmehr sechste Album Mark Jackson, Ronan Harris und ihrem Ruf alle Ehre. Den Weg, welchen sie mit „Matter + Form“ beschritten haben, gehen sie weiter stolz und aufrecht voran. Musikalisch-ästhetische Neuerungen mit frischen, zum Teil ungewohnten Klängen (u.a. Gitarrenspuren und Riffs) verbindet Mastermind Harris mit althergebrachten Futurepop Elementen. VNV NATION verbinden somit auf „Judgement“ ihre eigene Linie und Tradition mit Innovationen und einem aktuellen Klang, ohne dabei irgendeiner Mode nachzulaufen. Das haben Jackson und Harris nun auch wahrlich nicht nötig!
Leider lag zur Rezension nur eine Promokopie vor, auf der lediglich 2 Tracks ausgespielt sind. Des Weiteren finden sich 5 angespielte Stücke (je ca. 1,5 – 2 Minuten) darauf. Wer die Musik von VNV nicht nur aus dem Club kennt, weiß, dass ihre Stücke nur in der Abfolge und in der vollen Länge ihre gesamte Wirkung und ihren unverwechselbaren Zauber voll zum Tragen bringen können. Diesem unglücklichen Umstand zum Trotz zeigt die vorliegende Kopie doch Merkmale eines hervorragenden Werks auf, das „Judgement“ mit hoher Wahrscheinlichkeit sein wird. Die musikalische Qualität wurde dabei noch eine Spur weiter hochgeschraubt. Nach „Matter + Form“ findet man wieder eine traditionellere Sprache und einen Ausdruck, der mehr an die guten alten „Futureperfect“-Zeiten anschließt. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass diese CD eine Art „Futureperfect II“ geworden ist. Verschiedentlich erinnert der emotionale Ausdruck sogar eher an „Empires“, gerade das wunderschöne „Illusions“. Dieser Track hat mich sehr tief berührt und zeugt von einer Intensität, die ihresgleichen sucht! Trotz dieser Vergleiche beziehen sich die Anknüpfungspunkte eher auf den Gefühlsausdruck und weniger auf die konkrete musikalische Form. Kurz gefasst, das Gefühl und die Intensität von „Empires“ und „Futureperfect“ werden von Harris’ Kompositionen in das 21. Jahrhundert transportiert, ohne sich dabei Selbst zu kopieren. Eine rundherum gelungene Synthese.
„The Farthest Star“ mit seinem Text über die unausweichlichen und notwendigen Veränderungen unserer Welt (Korruption, Krieg, Gewalt und Zerstörung der Schöpfung) reflektiert über all das, wofür VNV für mich immer standen: Gerechtigkeit, Menschlichkeit und dafür, niemals die Hoffnung zu verlieren, auch nicht in der dunkelsten Stunde. Dieser Track klingt wie eine Melange aus „Chrome“ und „Homeward“. Zwar melancholisch, aber so zuversichtlich und hoffnungsvoll, dass er fast versöhnlich und fröhlich klingt („…We possess the power … to chance the world…”)! Das nachfolgende Stück „Nemesis“ im „devine command edit“ kommt rauer und härter daher. Textlich befasst es sich mit der Wut über all die Ungerechtigkeit, die Heuchelei und die Zerstörung („Nemesis“ ist im Lateinischen die Göttin der Vergeltung). Ein harter Clubtrack mit treibendem Beat, der das Tanzbein reizt („… declaring peace while the siren sings, in the name of progress, in the name of madness… and chaos replaces our live. … Judgement day’s not coming soon enough!”). Bei „Testament“ fühlt man sich sehr an die alten „Empires“-Zeiten erinnert. Abgesehen von den fein eingefügten Gitarrenriffs könnte diese Nummer auch von einer früheren Scheibe stammen. Textlich geht es wiederum in Richtung des vorangegangenen Rache-Stücks („We conquered paradise just to burn it to the ground. … We bring destruction, we bring war without an end.”). Harris artikuliert hier vermutlich seine Wut und seine Trauer über den Zustand unserer Welt. Überleitend findet sich danach „Descent“ als düsterer musikalischer Punkt der Umkehr. Dieser Track markiert die dunkle Seite von VNV einmal mehr auf wunderbare Weise, um anschließend seinen Wendepunkt in dem aggressivsten und harschesten Track zu finden, den man je von VNV gehört hat. Eine trancige EBM-Nummer, die ein wenig an Andy LaPleguas Schaffen erinnert (ja auch ein persönlicher Freund von Harris). „Carry You“ klingt dagegen wieder mehr nach den klassischen Arbeiten von Jackson und Harris. Eine wunderschöne Melodielinie getragen von Ronans eindrucksvoller Stimme und weiten offenen Tranceflächen. Als abschließenden Höreindruck verbleibt das eingangs erwähnte „Illusions“, das sich mit ganz persönlicher Sorge und Angst um die Verletzungen eines geliebten Menschen befasst. Die daraus resultierenden Verlustängste werden in einer emotionalen Tiefe und Schönheit ausgedrückt, die selbst für Harris einmalig ist (Please don´t go. … I want you to stay. I´m begging you please, please don’t leave me.”).
Ein großes Album und ein würdiger Nachfolger aller vorangegangener Erfolge! Mark und Ronan erfinden mit „Judgement“ sich selbst als VNV und ihren Stil und Ausdruck neu, ohne dabei ihre Linie zu verlieren. Allen Unkenrufen, der Futurepop sei tot, zum Trotz veröffentlichen die Beiden mit diesem Album ein weiteres Juwel des modernen F-Pop. Der Elektro und unsere Szene können mit den Impulsen dieses Albums nur gewinnen. VNV gelingt es also mit „Judgement“ ein geniale CD zu veröffentlichen und ich freue mich schon sehr darauf, am Gründonnerstag das gesamte Album hören zu können und VNV endlich wieder live genießen zu dürfen.
—v— Victory not Vengeance! —v—
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