
Artist | VON THRONSTAHL |
Title | Sacrificare (Limited Edition) |
Homepage | VON THRONSTAHL |
Label | FASCI/NATION |
Leserbewertung |
VON THRONSTAHL. Schon alleine der Name genügt, manch einem Zeitgenossen einen Schauder über den Rücken zu jagen. Der Grund dafür ist aber nur selten die Musik dieser Formation, wenngleich ihre Tonkunst zweifellos imstande ist, im positiven Sinne großes Aufsehen zu erregen. Vielmehr stiftet die Kontroverse um Josef K., der als führender Kopf des Projektes gilt, jene Unruhe. Ihm werden allerlei Sünden zugeschrieben, denn laut seiner Gegner sei er eindeutig nationalsozialistisch angehaucht; der gefährliche Drahtzieher eines Versuches, die sogenannte schwarze Szene mit braunem Gedankengut und rechtsextremistischer Propaganda zu unterwandern. Derartige Vorwürfe riechen doch allzu oft nach der Verzweifelung derjenigen, die eine bankrotte Ideologie der Engstirnigkeit vertreten, und die daher keine Hinterhältigkeit mehr scheuen, sich an ihrer langsam zerbröckelnden Macht zu halten. Tatsache ist, daß Josef Klumb kein Eindringling ist, sondern ein Urgestein. Mit seinen früheren Unternehmen wie beispielsweise AUS 98 und CIRCLE OF SIG TIU trug er eine Menge dazu bei, die deutsche Alternativszene Anfang der achtziger Jahre mit zu gründen. Für ihren Teil wurde die Nachfolgeband FORTHCOMING FIRE zu Bahnbrechern des Gothic-Rocks, während WEISSGLUT mit ihrem Debütalbum die zweifellos stärkste Platte der Neuen Deutschen Härte aufnahmen, bevor der Dolchstoß verbissener Kleingeister (oder vielleicht waren es Paranoiker, die eine tiefe Abscheu gegen sich selbst empfanden?) die Profikarriere Klumbs zunichte machten.
Auch in Bezug auf die Gesinnung Klumbs irren sich seine Feinde. Es wäre falsch, ihn als Rassist, Nazi oder Extremist zu bezeichnen. Im Gespräch kommt der mißverstandene Musiker äußerst aufgeschlossen und sympathisch rüber, wobei seine offensichtliche Liebe zu seinem Vaterland mit einer Art Internationalismus verbunden wird, die weitaus völkerverbindender, gesunder und tiefer empfunden als die oberflächliche, erlogene Pseudobrüderlichkeit der globalen Marktwirtschaft, nach deren Maßstäben lediglich der Zinssatz oder das BIP zählt, wirkt. Es mag wohl sein, daß Klumb ein „Patriot“ oder ein „Nationalist“ sei. Ein Chauvinist ist er jedoch mit Sicherheit nicht. Für Einige, die aus dem eigenen Vorteil den deutschen Selbsthaß und das begleitende Schuldgefühl anscheinend auf die noch ungeborenen Generationen dieses Landes übertragen wollen, gleicht selbst ein Bekenntnis zur deutschen Kultur einem Gedankenverbrechen. Wohlgemerkt: Das “Reich“, nach dem Josef K. zu streben scheint, und das in dem Schaffen VON THRONSTAHLs zumindest gelegentlich kundgetan wird, hat wenig mit dem nationalsozialistischen Staat, der sich dieses Etiketts bediente, zu tun. Manchmal kommt es einem so vor, als sei dieses Reich sogar nicht unmittelbar irdischer Natur. Dies Reich ist ein Reich des Geistes, der Erleuchtung und des höheren Menschentums, in dem die Seele eines Volkes in seinen größten Einzelnen, ja ausgerechnet in seinen Einzelgängern, zum Ausdruck kommt. Hier besteht unbestreitbar eine Ähnlichkeit zu dem “geheimen Deutschland“, von dem Stefan George dichtete und für das Claus von Stauffenberg und die Mitglieder der Weißen Rose ihre Leben hingaben. Im Gegensatz zu den Erwartungen seiner Verleumder knüpft Klumb an eben diesen Traditionen an und sieht nach eigener Aussage seine Kunst wie seine Weltanschauung vorwiegend in diesem Zusammenhang stehen.
Heutzutage werden Stauffenberg und die Geschwister Scholl zumeist als Vorkämpfer der Bundesrepublik gefeiert. Sie und ihre Widerstandstätigkeit in dieses Licht zu stellen, wäre aber falsch. Die vaterländische Sorge um die Zukunft Deutschlands und Europas, die elitäre Abneigung gegen die Masse, die für sie sich im Hitlerismus widerspiegelte, der christlich-religiöse Idealismus und eine Heldentumsvorstellung, die dem „deutschen Hellenismus“ Georges und dem Erlebnis der bündischen Jugend entstammte: Das alles war sowohl Stauffenberg wie den Scholls gemein. Gerade diese Aspekte ihres Denkens werden heute so heruntergespielt, und genau diese Werte sind es, die sich wie ein roter Faden durch „Sacrificare“ ziehen. So wird es dem geneigten Hörer nicht wundern, wenn ein Stück mit dem Titel „The Age of Decay and Democrazy“ den Auftakt zum Album bildet. Ob man nun Gesinnungsfreund Klumbs ist oder nicht, erscheint seine Kritik an der modernen Demokratie unheimlich treffend angesichts der Angriffskriege, die augenblicklich in ihrem Namen geführt werden, oder der quasi-totalitären Gesetze, die angeblich zu ihrem Schutz durchgepeitscht werden. Der Text verurteilt den demokratischen Kapitalismus als Scheinfreiheit, die bloß die Freiheit zum Konsum sei; eine Freiheit für die man seine Seele verkauft habe. In einem Zeitalter, in dem dieses politische System gleich mit Gott gesetzt wird und infolgedessen als unantastbares Gut angesehen wird, ist es dringend notwendig, Fragen dieser Art zu stellen.
Aber warte mal! Eigentlich tut es einem bis zu einem gewissen Grade leid, so viele Zeilen über den Streit um VON THRONSTAHL bzw. deren ideologischen Unterbau schreiben zu müssen. Obwohl es geradezu erfrischend ist, wenn eine Gruppe sich mehr als dem Musizieren widmet, beschäftigt sich Terrorverlag schließlich (in erster Linie) nicht mit Politik oder Philosophie, sondern mit Musik, ohne allerdings mit Scheuklappen durch die Weltgeschichte zu wandeln. Selbstverständlich geht es in erster Linie auf „Sacrificare“ auch um diese Kunstform, und hier läßt die Scheibe nichts zu wünschen übrig. Die Formation selbst behauptet, mit dieser Veröffentlichung ein Neofolk-Album gemacht zu haben. Insofern, als die akustische Gitarre das Rückgrat viele Lieder bildet, trifft diese Beschreibung zu. Gleichwohl gibt es auf der CD etliche Kompositionen, die meilenweit entfernt von der Klischeevorstellung der sogenannten „neuen Folklore“ sind. Hier wären vor allem die erhabenen, klassisch geprägten Stücke, die aus der Feder von Raymond P. geflossen sind, und die folglich dem THRONSTAHL-Sound, den man aus Platten wie „Imperium Internum“ kennt, am nächsten entsprechen, zu nennen. Seitdem sind jedoch die Orchestrierungen authentischer geworden, und die Arrangements klingen satter und überzeugender. Aber auch die von der Klampfe getragenen Songs schließen eine Vielfalt an Ansätzen ein, was möglicherweise der Einzbeziehung verschiedener Gastmusiker zu verdanken sei. Damiano Mercuri von der italienischen Neofolk-Combo ROSE ROVINE E AMANTI ist an einigen Liedern beteiligt, während Klumbs alte Mitstreiter aus FORTHCOMING FIRE-Tagen, Lars Wehr und Thorn, auf der sehnsüchtigen „Berg-Einsamkeit“ wieder zusammen auftreten. Jeder bringt etwas Einmaliges ins Spiel, und schon die Beisteuer der diversen Gitarristen, die von glaspuren flotten Akkorden bis hin zu herzerreißenden, gezupften Arpeggios reichen, sorgen dafür, die Aufmerksamkeit des Hörers gefangen zu halten. Über allem thront die unverkennbare Stimme von Josef K., welche die Forderungen verschiedenerlei Stimmungen leicht erfüllt, ohne je ein Jota ihren Umfang oder ihren Adel einzubüßen. Demgemäss wechseln sich Egriffenheit und Zurückhaltung, einschmeichelnde Wärme und strenge Mahnung miteinander ab. Trotzdem: Ob energiegeladen oder lieblich; ob gitarrenlastig oder orchestral, klingt „Sacrificare“ wie aus einem Guß und stellt deshalb eine in-sich-geschlossene Einheit dar. Da die Qualität von Anfang bis Ende so hoch und beständig ist, fällt es de Rezensenten schwer, Favoriten auszuwählen. Jedes Stück ähnelt einem Juwel, das in tausend Facetten seine eigenen Stärke schimmernd wiedergibt. Außer der schon erwähnten Lieder verdienen immerhin der aufwühlende Ausklang „The Four Horsemen of the Apocalypse“ sowie das epische „Ganz in Weiß und ganz in Eisen“, das einen fast zu Tränen rührt, besondere Belobigung. Wenn ich aber ein Lieblingsstück wählen müßte, wäre das höchstwahrscheinlich Occidental Identity, dessen Bearbeitung von PETE TOWNSHENDs „Tommy“-Riffs einfach genial ist.
Mit diesem Tonträger hat Josef K. zum wiederholten Male bewiesen, daß er immer noch an der Spitze der Alternativmusik steht. Dieses Werk zeugt von mehr Kraft, Emotion und Talent als ein ganzer Haufen jüngst erschienener Neofolk-Veröffentlichungen zusammengenommen, und was VON THRONSTAHL hier geschaffen haben, besitzt zweifelsohne das Potential, die Zeit zu überdauern. Um das aber vom kommerziellen Erfolg her gesehen zu ermöglichen, müßten sie erst einmal aus dem „Ghetto“ der Neofolk- und Industrial-Musik herauskommen, und betrüblicherweise scheint dies unter den aktuellen Umständen unwahrscheinlich. Wie dem auch sei: „Sacrificare“ gilt als ein Meilenstein dieses Genres, wenn nicht der alternativen Musik überhaupt. Ehrlich, edel, tiefergreifend und strahlend schön.
Anm. der Redaktion:
Hiermit stellen wir noch einmal fest, dass die Meinung eines Rezensenten nicht zwingend die Haltung des Terrorverlags in seiner Gesamtheit bzw. in Teilen widerspiegelt. Die Person Josef K. ist ohne Zweifel auf politischer Ebene hochgradig ambivalent, wozu er mit seinen Aussagen selbst beigetragen hat. Gleichwohl muss es möglich sein, sich mit der Qualität seiner musikalischen Veröffentlichungen auseinanderzusetzen, ohne allerdings den Gesamtkontext seiner künstlerischen Vision aus den Augen zu verlieren. Dies mag dann Grundlage für eine eigene persönliche Einschätzung sein.
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